Roth
Lebendiger als je zuvor

Ein energiegeladener Walter Trout eröffnet die Rother Bluestage und rockt die Kulturfabrik - Der Sohn als special guest

31.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:27 Uhr
Nicht mehr der Alte, sondern besser: Walter Trout spielt voller Lebenslust in der Rother Kulturfabrik zum Auftakt der Bluestage. −Foto: Hertlein

Die Herzen aller Bluesrockfans höher schlagen lassen hat Walter Trout zum Auftakt der Rother Bluestage in der Kulturfabrik. Hart, geradlinig, virtuos und vor Energie sprühend präsentierte sich der Mann, der einige Jahre zuvor die Schwelle des Todes schon fast überschritten hatte.

Nach seiner Lebertransplantation und acht Monate Bettlägerigkeit konnte Trout nichts mehr und musste alles wieder erlernen. Und er hat nicht nur seine alten Fähigkeiten wiedererlangt, er ist eigentlich sogar besser als früher. Wer also nur gekommen war, um einen Zombie zu erleben, der hatte Pech. Dieser Blueser ist wiederauferstanden.

Es mag ein Klischee sein, dass Menschen mit Nahtoderfahrungen eine völlig neue Sicht auf das Leben bekommen. Bei Trout ist es so. Er lebt bewusster - klar - und er hat das Verbissene abgelegt. Wo er früher immer nerdig und all zu technisch agierte, ist er heute locker und humorvoll.

Offen plaudert er über seine schlimme Zeit, als in der größten Krise, als es Spitz auf Knopf stand und weiße Engeln über seinem leblosen Körper schwebten. Sie baten ihn mitzukommen, aber "das würde ja bedeuten, dass ich sterbe". Das wollte er nicht, er wollte Ehemann, Vater und Musiker - wieder - sein. Die Engel mussten alleine weiterschweben. Er wollte noch nicht, dass dieser Körper in der Erde verschwand.

Lebenslust, gepaart mit dem Bewusststein, dass jeder Moment doch ganz schnell der letzte sein könnte, treibt die Energie in Walter Trout. In gut 100 Minuten reißt er das gesamte Spektrum des weißen Blues ab. Gefühlvolle Rockballaden mit den ihm eigenen Soli in schwindelnden Höhe, angejazzter 60/70. Blues mit John Mayalls immer noch hoch aktuellem "Nature Disappears" oder brutal harter Rock, der fast an Motörhead erinnert. Immer gespielt mit einem Augenzwinkern und doch virtuos.

Ein großartiger Moment ist die von ihm entstaubte Perle "Me and My Guitar" and - of course - The Blues. Eine Nummer von seinem jüngstem Album "Survivor Blues", bei dem er sich generell die Aufgabe gemacht hat, Bluesedelsteine wieder ins Licht zu rücken, die aus welchem Grund auch immer nicht die Aufmerksamkeit haben, die sie verdienen.

Beim Album davor ist er im Übrigen einen ganz anderen Weg gegangen, da hat er die versammelt, die ganz viel Aufmerksamkeit genießen: John Mayall, Joe Bonamassa, Robben Ford, Kenny Wayne Shepherd, Warren Haynes?

Aber Walter Trout lässt das Rother Publikum in diesem Moment noch mehr staunen, nicht nur dass er in Bestform ist, er hat auch seinen Sohn John mitgebracht und der entpuppt sich schlicht als junge Ausgabe von Vater Walter. An der Gitarre kann er ihm zwar noch nicht ganz das Wasser reichen, aber stimmlich hat er den Vater schon eingeholt. Ein Highlight ist der Moment, als die beiden unisono spielen, wunderbar die Frage- und Antwortspiele.

Wer den Blues kennt, der weiß, dass die Frontmänner nur stark sind, wenn es auch die Mannschaft ist. Und die hat es in sich. Denn Johnny Griparic am Bass und Michael Leasure an den Drums haben wohl vor dem Konzert beschlossen, an diesem Abend keine Gefangenen zu machen. Mit brachialer Wucht, Präzision, Erfahrung und Können arbeiten sie den Blues, sie schuften und das mit einem Enthusiasmus, der sich sofort auf das Publikum überträgt. Bleibt noch das Amalgam des Abends: Teddy "Zig Zag" Andreadis an der Orgel und am Fender Rhodes. Bluesrocker, was willst du mehr?

Ach ja. Eine Zugabe. Nicht irgendeine, sondern eine, die an einen Leidensgenossen Trouts erinnert, einen, dem auch eine Leber transplantiert worden ist, der das aber nicht überlebt hat: Rory Gallagher. Der Gallagher, der sich einst beim Bonner Bluesfestival drei Stunden "the ass off" spielte und Trout eines der größten Konzerte ever bescherte. Purer Rock'n'Roll, wie ihn nur Bluesrocker spielen können: "Bluesfrog". Schlicht eine Wucht.

Rainer Messingschlager