Roth
Ein Hochamt gepflegter Saitenkunst

Brachial guter Southern Bluesrock mit Jeremiah Johnson und Mike Zito bei den Rother Bluestagen

05.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:31 Uhr
Zwei Leadgitarren sind ein Markenzeichen des Southern Rock, das wissen auch Mike Zito und Jeremiah Johnson (von rechts). −Foto: Tschapka

Roth (HK) Zwei Gitarrenhelden aus den Südstaaten unterstützt von einer knochentrockenen Rhythmus-Sektion: Die Vorzeichen beim ersten Doppelkonzert der Bluestage sind deutlich gewesen, ein Abend der Experimente würde das wohl nicht werden. Aber das wollte vermutlich auch keiner am Donnerstag in der gut gefüllten Kulturfabrik.

Es ist angebracht, dieses Mal mit den Leuten zu beginnen, die mehr als zweieinhalb Stunden einen ebenso gnadenlos präzisen wie frischen und belebenden Groove in der Kulturfabrik abgefeuert haben: Bassist Terry Dry und Schlagzeuger Matthew Robert Johnson. Der Basser (Dry): Ein langhaariges, bärtiges Klischee von einem Südstaatenrocker, wie es auf jedem Cover von Doc Holiday, Lynyrd Skynyrd oder 38 Special zu finden ist - allerdings nicht in Cowboystiefeln, sondern unfassbar bunten Slippern. (Foto: Hertlein) Der Drummer (Johnson): Ein Glatzkopf mit Hut, der freundlich lächelnd weismachen will, dass Schlagzeug spielen die wohl müheloseste Sache der Welt ist.

Egal, welche Riffs und Soli die Frontmänner ihren Gitarren gerade entlocken, die beiden sind immer auf der Höhe und können dabei sogar noch herumalbern (Dry). Eigentlich kein Wunder, seit über 20 Jahren gehen die beiden einen gemeinsamen Weg, haben mit Dryjohnson sogar ein eigenes Projekt. Da fällt's dem Gitarrero leicht, dem Ego freien Lauf zu lassen.

Und das muss man weder Jeremiah Johnson noch Mike Vito sagen, die sich zunächst einzeln und dann gemeinsam von Dryjohnson begleiten lassen. Im Übrigen ist die Rhythmussektion an diesem Abend nicht die einzige Gemeinsamkeit. So sind beide in St. Louis geboren und ungefähr gleich alt. Auch sind beide durch tiefste Täler gegangen, um jetzt stärker dazustehen als je zuvor. So hat sich Johnson lange ohne festes Engagement durchs Leben schlagen müssen, bis er endlich den Durchbruch schaffte.

Zitos Karriere dauert schon über zwei Jahrzehnte, so gehörte er zu den Mitbegründern der Royal Southern Brotherhood. Allerdings zwangen ihn Drogen- und Alkoholprobleme eine Zeit lang in die Knie. Nicht umsonst heißt sein aktuelles Album "First Class Live", auf dem er von seinem Leben mit der Familie schwärmt - und seine tiefe Verbundenheit mit dem Blues beschwört.

Beide stehen also voll im Saft und das zeigen sie in der Kulturfabrik auf beeindruckende Weise. Eröffnen darf Johnson, der einen unglaublich kraftvollen Eindruck nicht nur optisch vermittelt, sondern auch so spielt. Der tätowierte Kanten hat einfach Freude da oben zu stehen, um dem Rother Publikum zu zeigen, was er kann - und das ist verdammt viel. Sein Bluesrock ist, wie es sich für einen Südstaatler gehört, durchsetzt mit Country und Rock 'n' Roll. Die Riffs sind gewaltig und die Soli bei all ihrer Länge immer melodisch und harmonisch. Er steht damit klar in einer Tradition eines Dickey Betts, Duane Allman oder Les Dudek.

Zudem ist Johnson mit einer wunderbar rauchigen und kräftigen Stimme gesegnet. Auch zeigen die Songs seines aktuellen Albums wie "King And Queen", "Blues In Her Eyes" und der Titletrack "Straitjacket" gute Songwriter-Qualitäten. Zum Abschluss gibt es mit "Believe In America" noch das Bekenntnis zur Heimat, das allerdings keine reine Lobeshymne ist. "Now I'm not trying to make a political statement, I just really love my country" heißt es da und Johnson zieht noch einmal alle Register seines Könnens. Die Kulturfabrik ist begeistert.

Da Zito nicht zum ersten Mal mit Johnson unterwegs ist, weiß er, dass die Latte nun verdammt hoch liegt. So schießt er gleich ab der ersten Sekunde ein Slide-Guitar-Feuerwerk ab, zum einen weil er darin ein wahrer Meister ist und zum anderen weil Johnson keine Slide spielt. Trotzdem dauert es ein wenig bis der charmante Wahltexaner so richtig auf Touren kommt. Aber dann schnurrt der Motor. Mike Zito erweist den großen Alten wie B.B. King und Muddy Waters die Ehre, ist aber auch im harten Bluesrock der Siebziger zu Hause. So steht beispielsweise ein großartiges "Bad News Is Coming" von Luther Allison eingestreuten Zitaten von Led Zeppelin (Whola Lotta Love) oder Bad Company (Ready For Love) gegenüber.

Und weil es zusammen viel schöner ist als alleine, kommt zum Ende des Sets und für die Zugabe Jeremiah Johnson mit auf die Bühne. Nun wird es richtig brachial, eine einzige Zelebration des harten Southern Bluesrock, inklusive wunderbarer Twin-Guitar-Soli sowie Frage-und-Antwort-Spielchen. Ein Hochamt für die Freunde der gepflegten Saitenkunst.

Rainer Messingschlager