Ein Halbmarathon, der schmerzt, und ein Geheimtipp, der keiner ist

21.12.2018 | Stand 02.12.2020, 14:59 Uhr
Genuss am Morgen: Der Sonnenaufgang im Oman. −Foto: Bernreuther

Wenn einer alleine auf Weltreise geht, heißt das noch lange nicht, dass ihn die große Einsamkeit befällt.

Marc Bernreuther, der vor knapp vier Monaten beim Pyraser Brauereifest aufgebrochen ist, genießt gerade seine Zeit im Oman mit einigen Radfreunden, die er auf der Fähre nach Dubai kennengelernt hat und mit denen er wohl auch das Weihnachtsfest verbringen wird. Zuvor hat der 26-Jährige noch seinen zweiten Halbmarathon während seiner Weltreise bewältigt - wenn auch mit schmerzaften Folgen.

Tag 110 (As-Suwaiq/Oman): Ich habe mich für den Rolling Hills Halbmarathon am Samstag in Al-Bustan angemeldet. Deshalb komme ich dem Angebot meines Gastgebers Shauwn, noch einen Tag bei ihnen auf der Farm zu bleiben und am Freitag mit einem seiner Lastwagen in die Hauptstadt Muscat mitgenommen zu werden, gerne nach. Wir bekommen eine Führung über die Gemüse-Plantagen. Spät am Abend spielen wir mit ein paar Farmarbeitern noch Badminton im Hof. Auf meine Anfragen im Internet, um in der Nacht vor dem Rennen irgendwo unterzukommen, hat sich leider bislang nichts ergeben. Meine Aufgabe für morgen wird es also sein, nachdem ich in Muscat angekommen bin noch die rund 50 Kilometer nach Al-Bustan zu radeln und dann einen geeigneten Schlafplatz für die Nacht zu suchen, ehe ich am Samstag um 6.30 Uhr an der Startlinie stehe.

Tag 111 (Al-Bustan/Oman): Von der Farm wurde ich 130 Kilometer mit dem Pickup mitgenommen. Das hat schon mal ordentlich geholfen. Anschließend bin ich zur Startlinie gerollt. Doch es war noch nichts zu sehen. Auf dem Weg zur Tankstelle, um Wasser zu kaufen (alles andere hat heute geschlossen), bin ich schon mal einen Teil der Strecke abgefahren. Es wird steil! Für mein Nachtlager habe einen schönen kleinen Park gefunden und kann sogar auf der Wiese Zelten. Das hatte ich schon lange nicht mehr. So kann das Rennen morgen kommen - auch wenn ich mich gar nicht gut in Form fühle.

Tag 112 (Al-Bustan/Oman): Um 5 Uhr stehe ich auf, baue mein Zelt ab und lasse mich zwei Kilometer den Berg hinab bis zur Startlinie rollen. Die Stimmung ist entspannter, als ich es von Läufen in Deutschland gewohnt bin. Ich weiß aber, dass ich in den letzten sieben Wochen nur einmal Laufen war, dass ich etwas zugenommen habe und nicht auf dem Zenit meiner Leistungsfähigkeit bin. Trotzdem weiß ich, dass ich mich immer sehr realistisch einschätzen kann, wenn ich mal in Bewegung bin und so laufe ich nur nach Gefühl und sortiere mich unter den ersten fünf Läufern ein. Dort bleibe ich auch, bis es auf den dritten Anstieg zugeht. Von da an muss ich an jedem Anstieg ein bis zwei Leute an mir vorbeiziehen lassen. Insgesamt sind es um die zehn Anstiege mit 8 bis 14 Prozent Steigung. Dazu kommt die Hitze, die sofort mit dem Sonnenaufgang da ist. Es ist mit Abstand der heftigste Halbmarathon, den ich bislang in meinem Leben gelaufen bin. Letzten Endes komme ich nach 1:46:26 Stunden als 14. ins Ziel. Aufgrund der Begleitumstände bin ich mit diesem Resultat aber voll zufrieden.

Tag 113 (Al-Bustan/Oman): Heiliger Bimbam - was für ein Muskelkater! Ich kann kaum einen Fuß vor den anderen setzen, ohne vor Schmerz mein Gesicht zu verziehen. Also ist heute Sightseeing- und Kulturtag angesagt. Ich besuche das National Museum, das glücklicherweise nicht weit von meiner Camp entfernt liegt. Außerdem lerne ich Ayub kennen. Er arbeitet in dem Museum und möchte nach seiner Schicht etwas mit mir unternehmen. Nach dem Museum, besuche ich die Mutrah Souq - ein traditioneller Basar, ebenfalls schön und sehenswert. Doch da der Basar im Lonely-Planet-Reiseführer als Geheimtipp angegeben ist, treffe ich dort mehr Deutsche als ich auf meiner gesamten Reise gesehen habe, seit ich in Passau über die Grenze nach Österreich gefahren bin. Am Nachmittag fahre ich Richtung Innenstadt und gurke noch ein wenig langsam und planlos herum, ehe ich mir am Strand unter freiem Himmel ein kleines Lager aufschlage. Ayub, den ich am Vormittag kennengelernt habe, kommt dann später am Abend noch mit drei Freunden vorbei. Ich hoffe, dass wir uns bei meinem Aufenthalt im Oman nochmal sehen. Dann schlafe ich entspannt am Strand.

Tag 114 (Nizwa/Oman): Am Morgen lasse ich mir sehr viel Zeit, weil ich mir sicher bin, dass ich die Strecke nach Nizwa auf zwei Tage aufteilen werde. Schließlich ist der Muskelkater am zweiten Tag immer am schlimmsten, und ich habe einen wirklich krassen Muskelkater - schlimmer als nach meinem letzten Challenge. Als ich 40 Kilometer hinter mir habe, bekomme ich von Daribor aus Tschechien, den ich auf der Fähre nach Dubai kennengelernt habe, die Einladung übermittelt, ebenfalls zu seinem Gastgeber in Nizwa zu kommen. Also stehen trotz der Schmerzen für heute noch 110 Kilometer auf dem Plan - auch wenn das bedeutet, dass ich im Dunkeln fahren muss. Am Ende schaffe ich es und bin sehr glücklich, die Strapazen auf mich genommen zu haben. Denn neben einem kühlen Bier und einer warmen Dusche warten hier auch meine Radfreunde Daribor, Emily und Milla auf mich.

Tag 115 (Majazah/Oman): Den Sonnenaufgang beobachten wir in einer Ruine eines altertümlichen Forts. Wunderschön! Anschließend habe ich eine sehr schwere Entscheidung zu treffen. Entweder ich begebe mich in Richtung der Sehenswürdigkeiten, die ich mir im Landesinneren vorgenommen habe und trenne mich direkt wieder von meinen Freunden. Oder ich schließe mich den anderen auf ihrem Weg an die Küste an und habe die nächsten Tage und vor allem an Heiligabend gute Gesellschaft. Nach zwei Stunden des Überlegens wähle ich die zweite Option.