Nürnberg
Alles kommt restlos unter den Hammer

Mit der "Lederer-Kulturbrauerei" verschwindet große Biergarten-Geschichte aus Nürnberg

07.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:24 Uhr
  −Foto: Pelke

Nürnberg - Die Gemütlichkeit ist Geschichte.

Jetzt kommt alles unter den Hammer. Alles muss raus - von der kupfernen Sudpfanne bis zum alten Wirtshaustisch. "Wir schenken dem Inventar der alten Lederer-Kulturbrauerei ein zweites Leben", freut sich Fabian Altrichter, der mit seiner Gesellschaft zur Industrieverwertung die Auflösung der historischen Gaststätte übernimmt.

Derweil huschen zahlreiche Schnäppchenjäger durch das alte Gemäuer im westlichen Teil Gostenhofs, der Bärenschanze. Fast tausend Positionen sind mit kleinen Nummernschildern für die Versteigerung versehen. "Ich schau' mich einfach mal um", sagt Winfried aus Nürnberg und bleibt vor alten Motoröl-Dosen stehen, die auf einem Holzregal an der Wand zur Zierde fein säuberlich aufgereiht sind. "Die würden sich in meiner Garage auch schön machen", sagt Winfried und taxiert mit Kennerblick den Preis der historischen Schätzchen.

"Die eine Esso-Dose kostet auf dem Flohmarkt bestimmt schon allein 50 bis 100 Euro", sagt Winfried und schiebt die Lesebrille auf die Nase, um den kleingedruckten Auktionskatalog besser studieren zu können. Unter der Nummer 317 werden die schönen Motoröl-Dosen gleich im Konvolut zum Startpreis von schlappen fünf Euro angeboten. Das alte Holzregal gibt es unter der Überschrift "Regal mit Inhalt, Vintage" praktisch gratis obendrauf dazu. Winfried macht mit dem Kugelschreiber ein Ausrufezeichen hinter die Auktionsnummer mit den Motoröl-Dosen.

Was hat Motoröl überhaupt in einer historischen Brauerei-Gaststätte zu suchen, könnten genauso kritische Zeitgenossen an dieser Stelle durchaus zurecht fragen. Das hat mit Christian Lederer zu tun, der 1814 die Nürnberger Lederer-Brauerei begründete. Der aus Thalmässing stammende Brauer hat praktisch selbst Öl im Blut gehabt. Als erster Nürnberger Brauer hat Lederer bereits um 1850 nach englischem Vorbild auf Dampfmaschinen zur Bierherstellung gesetzt.

Seine Fortschrittlichkeit ist sogar so weit gegangen, dass Christian Lederer für die erste Fahrt des legendären Adler von Nürnberg nach Fürth als Frachtgut zwei Lederer-Fässer spendierte und damit am 11. Juli 1836 die nationale Eisenbahngeschichte um ein entscheidendes Bier-Kapitel bereicherte. Die alte Technik-Begeisterung des Lederer-Gründers kommt jetzt ebenfalls unter den Hammer. Als Startpreis für die alte Dampfmaschine aus dem Jahr 1911, die bis zuletzt im Gastraum der Lederer-Kulturbrauerei an die glorreiche Vergangenheit erinnert hat, sind schlappe 240 Euro aufgerufen.

"Wir haben sogar einen Interessenten aus Südamerika", freut sich Altrichter und zeigt auf die alte Dampfmaschine, die mit einem Zylinder und einem Kolbenhub von 550 Millimeter bei der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) hergestellt worden ist.

Einen Haken hat das alte Dampfschätzchen allerdings, den potenzielle Bieter beachten sollten. Und damit mein Altrichter nicht den obligatorischen Auktionsaufschlag in Höhe von 18 Prozent, von dem seine "Restlos"-Industrieverwertungsgesellschaft in der Nürnberger Kilianstraße lebt. Auch nicht die gesetzliche Mehrwertsteuer in Höhe von 16 Prozent, die selbstverständlich ebenfalls nach dem Zuschlag auf den Nettopreis hinzukommt. "Vor der Zuschlagerteilung muss ein Demontageplan vorgelegt werden", sagt Altrichter und deutet mit einem leichten Lächeln an, dass der Abbau nicht ganz billig werden könnte. Eine Spezialfirma würde für die Demontage per Kran und den Abtransport per Lkw rund 15320 Euro verlangen. Netto - versteht sich.

Winfried interessiert sich sowieso mehr für die kleineren und weniger schwergewichtigen Objekte aus der Inventarliste. "Die Eisenbahn ist ganz schön", sagt der Sammler und zeigt auf die Modelleisenbahn, die auf Schienen unter der Decke durch die Gasträume rattert. Mit der Nummer 304 sind für die Eisenbahn inklusive Schienen und Deckenhalterung 25 Euro als Anfangsgebot aufgerufen.

Nebenan rund um die alten Wirtshaustische tummeln sich derweil viele Profis aus dem Gastgewerbe. "Ich könnte für meinen Biergarten ein paar schöne Holzstühle gebrauchen", sagt David Hertl von der gleichnamigen Biermanufaktur in Schlüsselfeld im schönen Steigerwald.

"Wir wollen unsere Grillhütte perfekt ausstatten", sagen Christian und Alfons und schauen sich hinter der Theke mit den großen Zapfanlagen um. Sogar um die alte Sudpfanne aus Kupfer wird fleißig gefachsimpelt. Gerade wird überlegt, wie viel der Abtransport des verführerisch funkelnden, aber tonnenschweren Braukessel zum Startpreis von 1850 Euro wohl kosten würde.

Bis zum Ende des Monats haben die Bieter noch Zeit, sich ihre Gebote genau zu überlegen. Am Samstag, 15. August, können die Objekte noch einmal von 11 bis 13 Uhr persönlich in Augenschein genommen werden (Anmeldung bis 12. August unter info@restlos. com). Die Zuschläge werden wie die gesamte Auktion im Internet bekannt gegeben. Die Abholtermine finden im September statt. Auf dem Gelände der Kulturbrauerei sollen Wohnungen entstehen. Die Bäume im schönen Biergarten würde die Stadt gerne als Park erhalten.

HK

Nikolas Pelke