Nürnberg
"Abstraktion in Nürnberg"

Mit einer Retrospektive erinnert die Kunstvilla an den Maler Ernst Weil -

07.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:13 Uhr
Die Ausstellung "Ernst Weil - Abstraktion in Nürnberg" stellt anhand von rund 80 vielfach noch nie gezeigten Werken Weils fulminante künstlerische Entwicklung vor. −Foto: Kunstvilla

Nürnberg - Die Ausstellung "Ernst Weil - Abstraktion in Nürnberg" zeigt die Kunstvilla im KunstKulturQuartier noch bis Sonntag, 13. September.

Die erste museale Retrospektive seit fast 40 Jahren stellt anhand von rund 80 vielfach noch nie gezeigten Werken Weils fulminante künstlerische Entwicklung vor. Im November 2019 hätte der 1919 in Frankfurt geborene Künstler seinen 100. Geburtstag gefeiert - die Kunstvilla gratuliert nachträglich.

Mit der Retrospektive erinnert die Kunstvilla an einen Maler, der gemeinsam mit dem neun Jahre älteren, aus Hannover stammenden Künstler Gerhard Wendland (1910-1986) die malerische Abstraktion in Nürnberg vertrat und vermittelte. Im Jahr 1965 übernahm Ernst Weil eine Professur für Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, die er bis zu seinem plötzlichen Tod 1981 innehatte. Die Berufung krönte ein früh anerkanntes künstlerisches Schaffen, das in einem charakteristischen Spätwerk gipfelte. Die Ausstellung blättert das Schaffen von Ernst Weil in insgesamt fünf Kapiteln auf und rekapituliert sein Oeuvre über eine Zeitspanne von 35 Jahren von 1946 bis 1981.

Weils künstlerische Anfänge als Maler liegen in München, wo er von 1946 bis 1950 an der späteren Akademie der Bildenden Künste bei Willi Geiger (1878-1971) studierte. Im Brotberuf arbeitete Weil als Illustrator für Buch-und Zeitungsveröffentlichungen und schuf Wandgestaltungen sowie Messestände. Daneben etablierte er sich rasch als Maler und wurde bereits ab 1947 von namhaften Institutionen öffentlich ausgestellt. Seine in den 1940er-Jahren entstandenen Werke belegen seine Rezeption der Klassischen Moderne, deren verschiedene Stile er sich im Schnelldurchlauf aneignete.

1947 sah Weil im Münchner Haus der Kunst die Ausstellung "Moderne französische Malerei", der er wesentliche Impulse verdankte. Die im Rahmen des deutsch-französischen Kunsttransfers organisierte Ausstellung entwarf eine Genealogie der französischen Kunst vom Impressionismus über den Kubismus bis zur École de Paris. Dieser Stammbaum wurde stilbildend für eine ganze Generation an Kunstschaffenden, darunter Ernst Weil. Weils Weg in die Abstraktion folgte der französischen Tradition, für die das Naturvorbild der Maßstab blieb. Tektonisch gebaute Landschaften prägen diese Werkphase, deren Arbeiten Weil teilweise in den 1970er-Jahren überarbeitete.

Wie für zahlreiche Künstler seiner Generation stellte Frankreich ein Sehnsuchtsland und die französische Kunst das erstrebenswerte Ziel dar. 1953 reiste Weil mit seiner zweiten Frau, der Künstlerin Marie-Luise Heller, nach Südfrankreich, wo sie in Vallauris den dort seit 1947 lebenden Pablo Picasso trafen. Picasso gab schließlich ein Autogramm auf eine von Weil angefertigte Zeichnung, die die Töpferei Madoura darstellt, in der Picasso seine Keramiken schuf. Heller durfte den Jahrhundertkünstler bei der Ausmalung der Kapelle zum Thema "Krieg und Frieden" fotografieren. Auf Empfehlung Picassos zog Weil 1957 nach Paris, wo er im Künstlerviertel Montparnasse eine Boxerhalle als Atelier nutzen konnte.

Nachdem Weil 1965 den Ruf an die Nürnberger Kunstakademie erhalten hatte, stellte er mit der Reihe der Zahlenbilder seine Malerei auf ein theoretisches Fundament. Seine Farbtheorie, die er auch schriftlich niederlegte, beruhte auf einem dreiteiligen numerischen System, das Pläne, Schichten und die Anzahl der Buntfarben beschreibt. Weils ausgestellter Farbkasten belegt seine damalige Arbeit mit Schablonen und Prismen. In den Gemälden, die konstruktive wie informelle Elemente verbinden, wird die Vielschichtigkeit zum Prinzip.

In seiner späteren Nürnberger Zeit schuf Weil schließlich abstrahierte Landschaften, die als Verstrebungen von Farbflächen im Raum aufgebaut sind und poetische wie technoide Züge zeigen können. In seiner allerletzten Werkgruppe wandte sich Weil wieder der Figur zu. Weils in kräftigen Farben verfasste Figuren kämpfen rotierend gegen die Verspannung im Raum. Sie erscheinen als Sinnbild einer persönlich wie allgemein verfassten existenziellen Fragestellung. In seinem in Nürnberg entstandenen Spätwerk zog Ernst Weil damit nicht nur ein Resümee der Klassischen Moderne, sondern fand zugleich Anschluss an die Malerei der sogenannten "Jungen Wilden" der 1980er Jahre.

Seinen künstlerischen Ansatz gab Ernst Weil an rund 120 Künstler weiter. In der Dauerausstellung ist eine "Hommage an Ernst Weil" mit Werken der Schülerinnen und Schüler Hubert Baumann, Gabriela Dauerer, Gregor Hiltner, Udo Kaller, Gertrude Lang, Ortwin Michl, Joachim Kersten und Fred Ziegler sowie mit Werken von Weils Akademiekollegen Gerhard Wendland zu sehen.

HK