Schöpfer von Schutzengelbildchen

11.04.2008 | Stand 03.12.2020, 6:00 Uhr

Vignette als Buchschmuck für das Sammelblatt des Historischen Vereins.

Eichstätt (EK) Seit nicht ganz 200 Jahren wird an den Eichstätter Schulen auch Unterricht im Zeichnen erteilt. Einer der ersten Lehrer in diesem Fach war der Maler und Bildhauer Ignaz Alexander Breitenauer. Zu seinen Nachfolgern zählte der 1918 verstorbene Gymnasialprofessor Joseph Kiener.

Bei seiner Beerdigung am Samstag, 9. Februar 1918, "nahm eine unabsehbare Schar von Leidtragenden aus allen Ständen der hiesigen Bevölkerung teil", wie es im Bericht dazu in der Heimatzeitung heißt. Unter den Trauergästen waren neben seinem Sohn, dem Studenten Hans Kiener, Bischof Johannes Leo von Mergel, Pädagogen aller Schulen, Politiker und Militärangehörige. Die Frau des Zeichenlehrers, Tochter des berühmten Künstlers Aloys Süßmayer, war acht Tage vor ihm gestorben.

ANNO DAZUMAL

Von Grabrednern wurde Joseph Kiener als "pflichttreuer, äußerst gewissenhafter Lehrer und aufrichtiger treuer und wohlmeinender Berater der Schüler" bezeichnet, der sie für alles Edle und Schöne zu begeistern versuchte.

Joseph Kiener stammte aus der Oberpfalz und war am 21. Juli 1856 in Schwarzenfeld geboren worden. Sein Vater war gräflich-holnsteinischer Gutsverwalter. Der Sohn wurde Pädagoge; 1875 hatte er die Eichstätter Lehrerbildungsanstalt absolviert. Er arbeitete einige Jahre als Hilfslehrer, ehe er an der Kunstgewerbeschule und Technischen Hochschule in München studierte. 1882 bestand er die Prüfung als Zeichenlehrer.

Ehe Joseph Kiener Anstellung am königlichen Gymnasium und an der Lehrerbildungsanstalt in Eichstätt fand, arbeitete er erfolgreich als freier Künstler. Vor allem für den Auer-Verlag in Donauwörth schuf er Kinderzeichnungen und Schutzengelbilder für Kalender, Zeitschriften und Bücher. Aus seiner Hand stammen Aquarelle und Vignetten für den Historischen Verein und Buchschmuck, Siegel und Stempel, Glasmalerei und Vorlagen für die Fahnenstickerei. Er hinterließ ein einziges größeres Altargemälde, nämlich in der Pfarrkirche Sankt Andreas in Adelschlag, das 1893 entstand. Die Vereinigung der Kunstfreunde Eichstätt hatte 1913 und 1914 Ausstellungen mit Werken von Joseph Kiener ausgerichtet. Wie dem Beitrag über den Künstler im Sammelblatt des Historischen Vereins von 1918 von Dr. Oskar Freiherr Lochner von Hüttenbach, zu entnehmen ist wurden von 39 seiner ausgestellten Werke 34 verkauft.

Der Katalog der Kiener-Ausstellung vom 12. Mai 1918 umfasste 155 Nummern. 14 Ölgemälde, 59 Aquarelle und Pastelle, 51 Zeichnungen und sechs Radierungen wurden gekauft. Der Reingewinn von 800 Mark ging an den Jugendfürsorgeverband Eichstätt.

Der Pädagoge hatte großes Interesse an der Heimatgeschichte und gehörte 30 Jahre dem Historischen Verein an, von 1892 bis 1912 war er Mitglied des Vorstands.

Zeichnungen des Künstlers begegnen heute noch den Eichstättern. Er schmückte die Eichstätter Adressbücher mit dem Stadtwappen, die Sammelblätter des Historischen Vereins mit Sanduhren, alten Burggemäuern oder der Eule als Symbol der Weisheit. Nicht zu vergessen sind die so ansprechenden Schutzengelzeichnungen zur Freude der Kinder.