Eichstätt
Zurückgeschaut: Heiße Phase der Gemeindereform

Vor 50 Jahren erste Fusionen besiegelt - Staatliche Millionenzuschüsse für freiwillige Zusammenschlüsse

21.04.2021 | Stand 25.04.2021, 3:33 Uhr
Stabwechsel im Landratsamt 1970: Landrat Hans Pappenberger (links) gab sein Amt vor der großen bayerischen Gebietsreform ab. An seine Stelle wählten die Bürger Konrad Regler. −Foto: Ettle, Archiv

Eichstätt - "Die ersten Gemeindefusionen sind perfekt." So titelte die Heimatzeitung zum Jahreswechsel 1971 einen Beitrag über den Beginn eines gewaltigen bayerischen Reformwerks, das im Jahr 1978 abgeschlossen wurde, abgesehen von verschiedenen Nachkorrekturen. Das Ergebnis war ein großer Landkreis Eichstätt mit Orten aus vier Regierungsbezirken: Schwaben, Mittelfranken, Oberpfalz und Oberbayern. Ferner kam es zur Bildung von 30 Kommunen aus bisher 143 Gemeinden und zur Umgliederung nach Oberbayern.

Die freiwilligen Zusammenschlüsse von Gemeinden fielen nicht immer leicht, wurden jedoch staatlicherseits mit Millionenbeträgen für Straßenbau und die Modernisierung von Abwasseranlagen, für den Feuerschutz, die Wasserversorgung, den Umweltschutz, für Freizeit und Erholung sowie andere Förderungen öffentlicher Vorhaben "angeschoben und versüßt". Architekt der neuen großen Gemeinden und des neuen Landkreises war Landrat Konrad Regler, der seit Mai 1970 im Amt war und Landrat Hans Pappenberger abgelöst hatte.

Vorreiter der Fusionen waren: Schernfeld, Sappenfeld, Schönau und Schönfeld, dann Kipfenberg mit Grösdorf, ferner Hitzhofen und Oberzell, weiter Dollnstein und Ried sowie Mörnsheim und Haunsfeld, schließlich Wellheim, Gammersfeld mit Hard (zunächst ohne Konstein). Damit hat die Zahl der Gemeinden im alten Landkreis Eichstätt zu schrumpfen begonnen, von 77 auf dann 69.

Die heiße Phase der Fusionen war angelaufen. Weitere Gemeinden folgten schon im zweiten Quartal 1971, sie können also bereits das "50-Jährige" feiern. Diese sind allein im "alten Eichstätter Bereich": Kinding mit Enkering, Badanhausen, Unteremmendorf, Haunstetten und Erlingshofen. Buxheim und Tauberfeld schlossen sich auch zu dem Zeitpunkt zusammen. Der neue Kreis reicht bis zur Donau und bei Großmehring und Pförring sogar darüber hinaus.
Landrat Regler übte auf die Bürgermeister, Gemeinderäte und Bürger keinen Druck aus, Fusionen zu beschließen. Er hielt aber zusammen mit Regierungsrat Hofbeck Bürgerversammlungen und rechnete dabei vor, was bei solchen "Gemeinde-Ehen" an erheblichen Geldmitteln herausspringen kann.

Das Beispiel des Verlaufs einer freiwilligen Fusion soll die heutige Gemeinde Adelschlag sein, zu der vor einem halben Jahrhundert Ochsenfeld, Pietenfeld und Möckenlohe kamen. Dieser Zusammenschluss wurde mit 1,84 Millionen Mark schmackhaft gemacht. Dabei wurde festgelegt, welche Beträge in den einzelnen Gemeindeteilen ausgegeben werden müssen.

Geldzusage der Regierungan Fristen gebunden

Wie sah die Bürgerbeteiligung der Möckenloher am Fusionsverfahren aus? Anfang Februar 1971 wurde eine Versammlung angesetzt, bei der Landrat Regler Rede und Antwort stand. Dazu kamen 64 stimmberechtigte Bürger. 48 votierten für das Zusammengehen, 15 waren dagegen und ein Stimmzettel war ungültig. Gleich im Anschluss tagte der Gemeinderat unter Vorsitz von Bürgermeister Wendelin Funk und votierte mit 7:0 Stimmen für das Projekt Großgemeinde. Es pressierte deshalb, weil die Geldzusage der Regierung an Fristen gebunden war.

Im Winter 1971 hatte auch das Basteln an den bayerischen Landkreisen mächtig Fahrt aufgenommen, mit dem Ziel deren spürbare Verringerung zu erreichen. Zur Ordnung der Kreise um das Oberzentrum Ingolstadt wurden verschiedene Modelle diskutiert, etwa ein großer Landkreis Ingolstadt, in dem Eichstätt aufgehen sollte oder eine Fusion Eichstätt mit Neuburg. Der heutige Zuschnitt der Region setzte sich als praktikabel durch. Überliefert ist der Satz von Landrat Konrad Regler gegenüber dem Regierungspräsidenten von Mittelfranken, wozu Eichstätt noch gehörte: "Ich geh' nach Oberbayern". Die "Verpflanzung" in den altbayerischen Bezirk wurde schon in den ersten Februartagen 1971 besiegelt, rechtskräftig wurde sie ab 1. Juli 1972.

Der Rat der kreisfreien Stadt von Eichstätt befasste sich im Frühjahr 1971 mit der Eingliederung in den Landkreis unter Vorsitz von Oberbürgermeister Hans Hutter. Wie dieser sagte, sollen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen als Mittelzentren ein Gegengewicht zur Großstadt Ingolstadt bilden. Als Arbeitstitel wurde für Eichstätt "Altmühlkreis" verwendet. Die Pläne fanden am Ende die Zustimmung der Stadträte.

Heftige Protesteaus Eichstätt

Wie eine Bombe hat am 18. März 1971 die Nachricht in Eichstätt eingeschlagen, dass ein Landkreis "Donau-Altmühl" mit der Kreisstadt Ingolstadt angedacht ist. Das löste postwendend geharnischten Protest von Landrat Regler, Alt-Landrat Hans Pappenberger und anderen aus. Oberbürgermeister Hutter schrieb dem Innenministerium: "Die Stadt Eichstätt widersetzt sich mit allen ihr gebotenen Mitteln". Mit Erfolg, wie die Geschichte schließlich lehrt. In die Waagschale geworfen wurde auch, dass Eichstätt einmal Hauptstadt eines Fürstbistums sowie des "Altmühlkreises" und des "Ober-Donau-Kreises" war, vergleichbar immerhin mit den heutigen Regierungsbezirken.

Mächtig viel Ärger gab es im Schuttertal. Dort sahen Regierung und Landkreis eine Gemeinde Nassenfels vor mit Wolkertshofen, Meilenhofen, Zell an der Speck sowie Egweil und wollten den Plan mit einem Scheck über 2,055 Millionen Mark "vergolden". In der entscheidenden Sitzung aller Gemeinderäte "flogen die Fetzen": Zwei Wolkertshofener Räte stimmten der Fusion zu, fünf waren dagegen. Wegen des drohenden Verlusts hoher Fördermittel kündigte daraufhin Bürgermeister Andreas Husterer senior den Rücktritt an.

Zu dem Zeitpunkt waren die Egweiler Räte noch für das Zusammengehen mit Nassenfels. Nach Abschluss der ganzen Prozedur aber kam alles ganz anders: Wolkertshofen, Meilenhofen und Zell wurden Ortsteile von Nassenfels, Egweil blieb selbstständige Gemeinde.

Im Oktober 1971 stand bei der Gemeinde Pollenfeld mit Seuversholz, Sornhüll und Weigersdorf nur noch Wachenzell abseits. Doch bei dem entscheidenden Bürgertreffen in Wachenzell lautete das Ergebnis 37 zu 11 Stimmen für den Zusammenschluss.

Im Bereich um Eichstätt wurden in der Bevölkerung verschiedene Modelle für eine Gemeindefusion diskutiert. Dazu gehörte eine Einheitsgemeinde mit Marienstein, Rebdorf, Blumenberg, Wasserzell und Obereichstätt. Daraus wurde nichts. In Obereichstätt entstand eine Bürgerinitiative, die den Ort bei Eichstätt haben wollte. Er kam zu Dollnstein. Und so verlief die Reform schließlich: Am 1. Juli 1972 wurden Landershofen und Wasserzell in die Stadt eingemeindet, am 1. Januar 1974 kam Marienstein dazu. Buchenhüll, Wintershof und Pietenfeld an der Leithen ließen sich bis zum 1. Mai 1978 Zeit.

Große Kreisstadtund Mittelzentrum

Übrigens hat die Gemeinde Marienstein mit Rebdorf und Blumenberg bereits 1939 und 1956 Anträge auf Eingemeindung in die Stadt gestellt, erfolglos. Aber 1951 wurde eine kleine Gebietsreform rechtskräftig: Die Gemeinde Sornhüll kam vom Landkreis Hilpoltstein zu Eichstätt; sie gehört heute zu Pollenfeld. Sornhüll war in einem Zeitungsbeitrag "als Blinddarm auf der Landkarte" bezeichnet worden.

Für die Stadt stand vor 50 Jahren noch eine wichtige Weichenstellung an: Die verwaltungsmäßige Rückkehr in den Landkreis. Diese wurde im Frühjahr 1971 mit 11 gegen 7 Stimmen beschlossen. Bedingung der Stadträte war der Rechtsstatus "Große Kreisstadt" und die Einstufung als "Mittelzentrum". Der Zuschnitt des Landkreises, wie er vor einem halben Jahrhundert vorgenommen wurde, barg damals wohl Zündstoff. Heute kann von einem gedeihlichen Miteinander der Gemeinden und ihrer Bürger gesprochen werden.

EK