Eichstätt
Wenn die Stimmen im Kopf nicht verstummen

51 Teilnehmer beim Erlebnisprojekt Voiceover - Zweiter Termin am Samstag

12.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:16 Uhr
Mit Kopfhörern ausgestattet konnten die Teilnehmer des Erlebnisprojekts Voiceover nachempfinden, wie sich Menschen mit psychischen Erkranken im Alltag fühlen. Am kommenden Samstag hat man nochmals Gelegenheit dazu. −Foto: Rank

Eichstätt (EK) Auf dem Zettel stehen Ingwer-Honig-Tee, neue Staubsaugerbeutel und drei weitere Produkte. Der Einkaufskorb ist an diesem Samstagnachmittag noch leer. Die Frau im grauen Mantel setzt die Kopfhörer auf ihre kurzen, schwarzen Haare. Ihr Blick wird durchdringender, die Augen schweifen fokussiert ab. Sie steuert auf die Schwingklappen zu, die sie von der Obst- und Gemüseabteilung eines Eichstätter Supermarktes trennen. Die Frau dreht den Kopf nach links und rechts. Sie scheint, als würde sie ihre Umgebung auf eine veränderte Weise wahrnehmen. Sie ist Teilnehmerin bei dem Erlebnisprojekt Voiceover der Katholisch Studierenden Jugend (KSJ) Eichstätt in Zusammenarbeit mit dem Gemeindepsychiatrischen Verbund Eichstätt.

In den nächsten zehn Minuten wird die Frau nun versuchen, die Einkaufsliste abzuarbeiten, während fünf Stimmen eindringlich auf sie einwirken. "Du bist wertlos", giftet eine junge Frauenstimme. "Vergiss die Nudeln nicht schon wieder!", drängt eine ältere Männerstimme. Eine alte Dame, die aus den Kopfhörern tönt, ist schon wieder einmal maßlos enttäuscht - nie bekomme die Frau etwas auf die Reihe. Es geht durcheinander, die Stimmen hören nicht auf. Unter das Gewirr mischt sich das Piepsen der Kasse und das Gemurmel der anderen Supermarktkunden. Wie soll man sich da auf so etwas Alltägliches wie Einkaufen konzentrieren? Mit Voiceover sollen die Teilnehmer verstehen, was es bedeutet, an einer Psychose zu leiden. Psychotische Erkrankungen werden nachvollziehbar und mit allen Sinnen erlebbar gemacht.

51 Menschen starteten am vergangenen Samstag über den Tag verteilt im E-Center in der Industriestraße einen Durchgang mit den Kopfhörern. Jeder Teilnehmer wurde am Ende bei den Kassen von Ehrenamtlichen der KSJ empfangen. Im Anschluss an den Einkauf konnten sich die Teilnehmer in einer Nachbesprechung mit Experten des Gemeindepsychiatrischen Verbunds austauschen.

Julia Frey vom Zentrum für psychische Gesundheit am Klinikum Ingolstadt, die das Projekt fachlich beratend begleitet, hat es selbst ausprobiert: "Das ist eine wirklich sehr eindrückliche Erfahrung." Auch die anderen Teilnehmer lobten das Projekt als spannendes Erlebnis - und alle waren froh, nach den zehn Minuten zwischen den Regalen die Kopfhörer bei den Kassen wieder abnehmen zu können und damit die "Stimmen im Kopf" wieder loszuwerden .

Am kommenden Samstag, 17. November, besteht noch einmal die Möglichkeit, an dem Projekt teilzunehmen. Anmelden kann man sich über die E-Mail-Adresse info@ksj-eichstaett.de unter Angaben der Personenanzahl und der Wunschzeit zwischen zehn und 16 Uhr. Für die Teilnahme an Voiceover sollte insgesamt circa eine Stunde eingerechnet werden.