Eitensheim
Schaffe, schaffe, Häusle baue...

Eitensheimer Ziegelei Ernst nutzt Ton aus dem Bahnprojekt Stuttgart 21 - Anwohner klagen über Dreck und Lärm

01.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:07 Uhr
Ein Berg aus rotem Lehm und schwarzem Ton türmt sich auf dem Gelände der Ziegelei Ernst in Eitensheim. Der Ton stammt aus einer Tunnelbaustelle bei Ulm und wird von rund 50 Lkw pro Tag angeliefert. Was bei Nachbarn für Unmut sorgt, sehen Seniorchef Sebastian Ernst und sein Sohn als Beitrag zur nachhaltigen Ziegelproduktion. −Foto: Kügel

Eitensheim (EK) Rund 40000 Tonnen Ton von einer Tunnelbaustelle des Projekts Stuttgart 21 wurden in den vergangenen Wochen bei der Ziegelei Ernst angeliefert. In der Bevölkerung gibt es Unmut wegen des damit verbundenen Lkw-Verkehrs. Die Gemeinde bemüht sich um eine einvernehmliche Lösung.

35000 Tonnen Ziegel produziert das Eitensheimer Ziegelwerk pro Jahr. Damit kann man 300 Einfamilienhäuser bauen, heißt es auf der Firmen-Website. "Wie der Bäcker verschiedene Mehlsorten braucht, so brauchen wir Lehm und Ton", sagt Sebastian Ernst. 1960 habe die Ziegelei vier Sorten Ziegel produziert, heute sind es 200, so der Seniorchef. Die Ansprüche an das Baumaterial würden immer höher. Um eine bessere Wärmedämmung zu erzielen, würden die Ziegel für die Außenwände immer poröser und die Stege zwischen den Luftkammern immer dünner. Gleichzeitig müsse die Festigkeit der Mittelwandziegel im höher werden, weil man immer höher bauen will, beschreibt Sebastian Ernst junior die Situation. "Um die Anforderungen zu erfüllen, müssen wir 10 bis 20 Prozent Ton beimischen", erklärt der Juniorchef.

Der Grundstoff Lößlehm kommt aus Gruben in einem Umkreis von drei bis fünf Kilometern. Der Ton wird normalerweise aus Regensburg oder Passau herangefahren. "Wir nehmen aber auch Baugrubenaushub, wenn sich das Material für uns eignet", sagt der 43-Jährige. So spare sich die Ziegelei die Rohstoffkosten und der Bauherr die Entsorgung. "Das ist nicht nur eine Win-Win-Situation, sondern auch nachhaltig, weil dann weniger Fläche für den Abbau des Rohmaterials gebraucht wird", so der Familienvater. An der Baugrube stellt er deswegen auch gerne ein Transparent mit dem Firmenslogan auf: "Wir brennen Ziegel nachhaltig."

Dieselben Überlegungen stehen für Vater und Sohn Ernst auch hinter der laufenden Großanlieferung von Ton aus einer Tunnelbaustelle zwischen Ulm und Stuttgart, die zum Bahnprojekt Stuttgart 21 gehört. Dort fallen insgesamt 25 Millionen Tonnen Aushub an. "Mindestens 50 Prozent der keramisch anfallenden Stoffe wären für die Ziegelindustrie geeignet", weiß Anton Grehl, Chef der Lieferfirma SGWM Umwelt, die mit Rohstoffen für die Ziegelindustrie handelt. Er bedauert sehr, dass der Großteil des Aushubs als Auffüllmaterial endet. Immerhin dreieinhalb Millionen Tonnen werden in der Ziegelindustrie verwertet, das meiste davon in Bayern und davon wiederum "ein relativ kleiner Teil", wie Grehl meint, in Eitensheim bei der Firma Ernst.

Severin Hoffmann ist jeden Tag auf der Tunnelbaustelle und prüft das Material. Der "Schwarze Jura" bekomme seine s Farbe durch den Kohlenstoffanteil, sagt der Geologe. Da der beim Brennvorgang verbrennt, sind die Ziegel dennoch "richtig schön rot", freut sich Ernst. Dem Ziegler in vierter Generation ist bewusst, dass das Lkw-Aufkommen - pro Tag werden rund 50 Fuhren herangekarrt - bei der Bevölkerung für Ärger sorgt. Ständig lässt er deshalb von einem Hausmeisterservice die Zufahrtstraße kehren. Und die Lkw werden mit Rücksicht auf die Anwohner nur montags bis freitags von 7 Uhr bis 17 Uhr abgefertigt. Die Folge ist ein Lkw-Stau, der morgens ab fünf Uhr bis auf die Ingolstädter Straße reicht. "Es gibt eine schriftliche Anweisung für die Spediteure, aber gegen die Rudelbildung bei den Lkw-Fahrern sind wir machtlos", gesteht Ernst junior.

"Der Unmut in der Bevölkerung wächst", sagt Bürgermeister Michael Stampfer. Die Angst, dass es sich bei dem schwarzen Material um Klärschlamm handeln könnte, habe das Landratsamt schnell ausgeräumt. Und Anwohner, die durch den Lärm der schlagenden Bordwände aufgeschreckt würden, nähmen das nur hin, weil es sich um eine zeitlich begrenzte Aktion handelt. Bei den Nachbarn sorgten Dreck und Staub vor der Haustür für ständigen Unfrieden. Beschwerden kämen aber auch von den Eitensheimern, die nach Ingolstadt pendeln, weil der Dreck bis auf die Ingolstädter Straße rausgezogen werde.

Deshalb habe er alte Pläne für eine zweite Zufahrt zum Ziegeleigelände aus der Schublade geholt. Das Vorhaben sei lange nicht weiterverfolgt worden, weil es auch Überlegungen gegeben habe, zwischen Ortsende und Ziegelei Wohn- und Gewerbeflächen auszuweisen. Inzwischen fahre die Ziegelei aber ihre Kapazität wieder hoch. Deshalb ist der Rathauschef überzeugt: "Auf lange Sicht muss was geschehen." Nach ersten Gesprächen ist Stampfer zuversichtlich: "Ich habe den Eindruck, dass auch der Familie Ernst an einer Lösung gelegen ist."

Sebastian Kügel