Rebdorf
Reise in die Vergangenheit

Eine Lettin auf Spurensuche in Rebdorf und Eichstätt

20.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:50 Uhr
Alexandra Henriksson und ihr Mann (rechts) sowie ihr Sohn (links oben), ihre Tochter (Mitte oben) und deren Ehemann (links unten) sowie zwei Enkelkinder. Das Foto entstand an genau derselben Stelle, an der 1945 Henrikssons Mutter ein Foto mit anderen Flüchtlingen machen ließ (unten). −Foto: Fotos: Schiavone/privat

Rebdorf (EK) Mit ihrem Besuch in Eichstätt kehrt die 70-jährige Lettin Alexandra Henriksson nicht nur an ihren Geburtsort zurück, sondern lässt auch ein Stück Eichstätter Nachkriegsgeschichte aufleben.

Dass man seinen siebzigsten Geburtstag auch anders feiern kann, zeigt der dreitägige Besuch der Alexandra Henriksson samt Familie in Eichstätt: Es ist kein gewöhnlicher Urlaub, der die Lettin gemeinsam mit ihrem Mann, ihrem Sohn sowie ihrer Tochter samt Ehemann und deren Kinder in die Domstadt verschlägt. Vielmehr ist es eine Reise in die eigene Vergangenheit, an der sie ihre Familie teilhaben lässt.

Es ist Punkt zehn Uhr morgens. Sonnenschein und ein strahlend blauer Himmel begrüßen Alexandra Henriksson und ihre Familie an diesem Dienstagmorgen vor der Rebdorfer Klosterkirche. Hier verbrachte sie, drei Jahre nach Kriegsende, ihre ersten Lebenswochen. Nach dem Krieg wurde das Kloster von den amerikanischen Militärbehörden beschlagnahmt und zur Unterbringung von sogenannten "Displaced Persons" genutzt.

Es diente Tausenden Vertriebenen als Flüchtlingsunterkunft und neue Heimat. In Rebdorf fanden sich vor allem Menschen aus den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. Auch den späteren litauischen Präsidenten Valdas Adamkus verschlug es nach dem Krieg nach Rebdorf - er legte dort 1946 das Abitur ab und studierte später in München.

Vor dem Einmarsch der Roten Armee flohen nach dem Krieg Tausende Menschen aus Angst gen Süden, so auch Alexandra Henrikssons Eltern, wie sie erzählt. Ihre Mutter habe sich 1945 von Lettland aus auf den Weg ins weit entfernte Eichstätt gemacht - ausgestattet mit einem Foto des Rebdorfer Pfarrhauses. In Deutschland heiratete sie ihren Mann, einen vertriebenen Estländer, der allerdings im mittelfränkischen Fürth lebte. 1948 folgte die Geburt der heute siebzigjährigen Alexandra im damaligen Eichstätter Hospital, bevor die junge Familie wenige Wochen später nach Schweden auswanderte. Die Orte ihrer frühen Vergangenheit ausfindig zu machen, war für Alexandra Henriksson ebenso schwierig, wie die Geschichte ihrer Eltern vollends nachzuvollziehen. So wusste kaum einer, wo sich das alte Eichstätter Hospital befand oder ob es heute noch steht. Erst auf einer alten Postkarte hat Alexandra Henriksson ihre Geburtsstätte wiedererkannt: die Jugendherberge in Eichstätt.

An ihre Zeit in Eichstätt kann sich die 70-Jährige zwar nicht mehr erinnern, doch die Bindung zur Region ist geblieben. Bereits zum vierten Mal ist Alexandra Henriksson in Eichstätt auf Spurensuche. Vor zwei Jahren lernte sie auf dem Rebdorfer Pfarrfest zufällig den geschichtsbegeisterten Willi Pfaller kennen, der ihr seitdem bei ihren Recherchen hilft.

So auch bei diesem ganz besonderen Besuch anlässlich ihres Geburtstages: Pfaller führte Alexandra und ihre Familie nicht nur durch die Klosterkirche und erzählte aus der Geschichte, sondern zeigte der Familie auch die Zusammenhänge zwischen Eichstätts Nachkriegsgeschichte und Alexandra Henrikksons persönlichem Schicksal auf. So erinnert in der Klosterkirche heute noch eine lateinische Gedenktafel an die tausenden, vor allem litauischen Kriegsflüchtlinge, die hier einstmals Schutz und Frieden suchten und fanden.