Eichstätt
Steckenpferd Bürgerbeteiligung

Eichstätter SPD testet digitale Abstimmung und will sie in Zukunft in der Kommunalpolitik einsetzen

11.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:46 Uhr
  −Foto: Poese

Eichstätt - Ihre Vorstellung von einer modernen Bürgerversammlung demonstrieren und die Kandidaten auf den Wahlkampfendspurt einschwören: Das wollte die Eichstätter SPD mit ihrer Veranstaltung am Dienstagabend im Gutmann erreichen.

 

Erschienen sind jedoch - vielleicht wegen Angst vor dem Coronavirus, vielleicht wegen Wahlkampfmüdigkeit - nur wenige Interessierte.

Dennoch nutzte das Kandidaten-Team um OB-Bewerber Christian Alberter den Abend, um ein Stück "gelebte Demokratie" vorzuführen, wie Moderator Stefan Straßer sagte. Dazu hatte die SPD Plakate mit ihrem Wahlprogramm vorbereitet, auf denen alle Anwesenden beim Betreten des Saales mit drei grünen Klebepunkten über die drängendsten Themen abstimmen konnten.

Wie Stadtratskandidat Wilhelm Schütz erklärte, entschied sich das Plenum für Aspekte aus den Bereichen Klima, Bürgerbeteiligung und Innenstadt. Nun kamen digitale Helfer zum Einsatz: Jede und jeder Abstimmungswillige erhielt eine kleine Fernbedienung, mit der man anonym seine Meinung kundtun konnte. Wie bei einem Quiz konnte man Tasten von A bis D (auch mehr oder weniger Optionen sind möglich) drücken, eine Software erfasste die Anzahl der Stimmen. "Das soll die Bürgerbeteiligung der Zukunft werden", sagte Schütz. Die Methode könne auf zukünftigen Bürgerversammlungen dazu dienen, dass alle Meinungen einfließen - nicht nur die der Menschen, die vor allen sprechen wollen.

Das System "Ombea Response" mit den Fernbedienungen und dazugehöriger Auswertungssoftware hatte die SPD von der Katholischen Universität ausgeliehen. Dort benutzt Stefan Schieren - Stadtratskandidat und Professor für Politikwissenschaft - die Geräte für interaktive Elemente in seinen Lehrveranstaltungen. Bei Abstimmungen oder Lernkontrollfragen bekomme er immer gute Ergebnisse, "weil jeder sich ungehemmt beteiligt", berichtete er.

Im Gutmann-Saal machten jeweils um die 30 Personen mit: Auf die von der SPD ausgewählte Frage "Soll die Haifischbar gebaut werden? " antworteten 20 Anwesende mit "Ja, repräsentativer", sieben mit "Ja, so wie entschieden" und drei mit "Ja, verkleinert". Nach einem Austausch von Argumenten zu allen Positionen rund um den Kiosk mit Biergarten und WC am Altmühlufer ließ die SPD erneut abstimmen. Hatte sich vielleicht jemand im Laufe der Diskussion umentschieden? Und tatsächlich entfielen bei der zweiten Runde nun auch einige Stimmen auf "Gar nicht" (2) und "nur WC-Anlage" (1), jedoch unverändert 20 Stimmen auf "repräsentativer".

 

OB-Kandidat Alberter erklärte, es müsse sich etwas am politischen System ändern: Im Stadtgespräch würden Themen meist erst dann diskutiert, wenn über Beschlüsse des Stadtrates in der Zeitung berichtet worden sei. Er wolle sich dafür einsetzen, Bürgermeinungen vorher in den Entscheidungsprozess einzubringen.

Bei den drei vom Plenum gewählten Themen ergab sich folgendes Meinungsbild: Zur These "Bei sämtlichen Maßnahmen und Anschaffungen der Stadt müssen ökologische Alternativen bevorzugt werden" äußerten sich die Anwesenden in der Mehrheit mit "in jedem Fall" (17), fast gleichauf mit "ja, wenn es kostenneutral ist" (13) und dreimal mit "nein". Dieses Thema werde auf den Stadtrat bald zukommen, stellte Alberter in Aussicht. Ein klares Meinungsbild - nach vorheriger Diskussion zum Kommunalrecht und verschiedenen Argumenten - ergab sich beim Punkt Bürgerbeteiligung. 25 stimmten mit "ja" zu "Anträge in Bürgerversammlungen müssen innerhalb von drei Monaten im Stadtrat vorgestellt/behandelt werden", vier mit "nein" und drei mit "weiß nicht".

Zur Innenstadtbelebung konnten die Gäste entscheiden, welche Maßnahme die wichtigste sei. Zehn wählten Begrünung und Bäume in der Altstadt, neun sprachen sich für Wasserspielplätze, sieben für einen autofreien Domplatz und fünf für mehr Sitzgruppen aus. Man könne erreichen, dass es in einer Bürgerversammlung zukünftig zu einem klaren Meinungsbild komme, indem man nun die am wenigsten unterstützte Option herausnehme und noch einmal abstimmen lasse, erläuterte Stefan Schieren. So könne man aus solchen Versammlungen zukünftig ein Stimmungsbild mit in den Stadtrat nehmen.

Landratskandidat Bernd Weber betonte, dass für ihn solche Meinungsbilder aus der Bevölkerung auch auf Kreisebene wichtig seien - er wolle sie beispielsweise bei der Planung von Anlagen für regenerative Energien einsetzen. OB-Kandidat Alberter: "Ich glaube, dass gelebte Bürgerbeteiligung das Steckenpferd der SPD-Bürgerliste ist. " Er schwor sein Team auf den Wahlkampfendspurt ein, bevor die Rock-Band Scream, die bereits zur Auflockerung zwischendurch einige Songs gespielt hatte, noch einmal die Bühne übernahm.

EK