Eichstätt
Kliniken am Tropf

Verdi-Diskussionsabend "Erhalt der kleinen Krankenhäuser" - Landrat Knapp: Defizit bei 7 Millionen Euro

08.10.2019 | Stand 23.09.2023, 8:53 Uhr
Eindringlich schilderte Landrat Anton Knapp (CSU, rechts) die schwierige Situation der Kliniken im Naturpark Altmühltal. Arina Wolf (von links) von Verdi und Bundestagsmitglied Harald Weinberg (Linke) hörten aufmerksam zu. −Foto: Meßner

Eichstätt (EK) Landrat Anton Knapp (CSU) erwartet in diesem Jahr für die Kliniken im Naturpark Altmühltal ein Defizit von rund sieben Millionen Euro.

Als er das bei der Veranstaltung im Klinikcafé am Montagabend gesagt hatte, ging ein Raunen durch die Zuhörerschar. Denn bisher waren lediglich vier bis fünf Millionen Euro bekannt gewesen.

Die Kliniken in Eichstätt und Kösching sind kein Einzelfall. Bundesweit schreiben kleine Krankenhäuser tiefrote Zahlen. Deshalb hat die Gewerkschaft Verdi einen Diskussionsabend organisiert. Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, berichtete zunächst zum Thema "Erhalt der kleinen Krankenhäuser".

Der Titel des Vortrags klingt positiv, doch die Worte des Experten waren es nicht. Weinberg beschäftigt sich seit zehn Jahren mit dem Thema. Sein Fazit: "Komplettes Systemversagen". Obwohl die Kliniken genau so arbeiten, wie es die Gesetze vorsehen, sei das Ergebnis katastrophal.

Weinberg zeichnete kurz die Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten nach, die zu der Misere geführt haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollten bestimmte Gesellschaftsbereiche dem Markt entzogen bleiben, etwa Rente, Bahn, Telekommunikation und eben auch die Gesundheitspolitik. Doch in den 1980er-Jahren hat sich nach Weinbergs Einschätzung die Denkweise verändert. Immer mehr Bereiche wurden für Investoren geöffnet in dem Glauben, dass private Anbieter eine höhere Qualität gewährleisten könnten. Schritt für Schritt wurde die Wettbewerbsschraube angezogen und der Druck erhöht.

Weinberg sprach von einer "offen-geheimen Agenda", die da lautet: "Es gibt zu viele Krankenhäuser. " Einerseits soll also die Zahl der Krankenhäuser - derzeit knapp 2000, Tendenz sinkend - reduziert werden, andererseits sollen die bestehenden Einrichtungen immer größer werden. Die Gleichung lautet: größer gleich besser. "Ich glaube nicht, dass das stimmt", sagte Weinberg.

Im Gesundheitswesen ist viel Geld im Umlauf, laut Weinberg waren es 2018 rund 350 Milliarden Euro. Die privaten Träger wollen von diesem Kuchen etwas haben. Ihr Anteil stieg von 22 Prozent in 2006 auf 37 Prozent in 2018. Laut Prognosen soll 2025 beinahe jedes zweite Krankenhaus (47 Prozent) in privater Hand sein - "wenn nichts dagegen unternommen wird", schränkte Weinberg ein. Danach sieht es nicht aus.

Warum erwirtschaften private Krankenhäuser Gewinn, während öffentliche Verluste schreiben? Auch diese Frage beantwortete Weinberg. "Sie drücken die Kosten", sagte er. Etwa 70 bis 75 Prozent der Ausgaben beziehen sich auf das Personal. Einzelne Bereiche in privaten Krankenhäusern würden deshalb ausgelagert, sagte Weinberg, und die Angestellten schlechter bezahlt. Küche, Labor, Wäsche sind demnach typische Arbeitsfelder, in denen bis zu 30 Prozent unter Tarif bezahlt werde.

Private Anbieter sind außerdem "Rosinenpicker". Das heißt, sie bieten in der Regel keine Vollversorgung, sondern suchen sich Gesundheitsfelder aus, die gut vergütet werden.

Etwas zynisch spricht Weinberg von einer "Zweck-Mittel-Umkehr". Früher ist ein Krankenhaus das Mittel gewesen, um einen kranken Menschen gesund zu machen. Heute geht es zu oft darum, dass die Patienten den Kliniken Geld bringen. Die Heilung der Menschen stünde zu oft nicht mehr an erster Stelle, meinte Weinberg. Als Beleg verwies er auf die seltsame Häufung von lukrativen Eingriffen, die medizinisch nicht zu erklären ist.

Ein Grundübel des Systems und damit Teil der Lösung sind für Weinberg die sogenannten DRG, also diagnoseorientierte Fallpauschalen. Dahinter verbirgt sich ein Hunderte Seiten dicker Katalog, der die Krankenhäuser in ein starres Abrechnungskorsett zwingt, das vor allem kleinere Einrichtungen benachteiligt.

Weinbergs Hoffnung ist, dass in dieses feste System Bewegung kommt. Ab 2020 werden die Pflegekosten aus dem Katalog herausgenommen. Geht es nach Weinberg, ist das erst der Anfang. Aber als Mitglied einer Oppositionsfraktion sei sein Einfluss begrenzt, schränkte er ein. Er wolle den Zuhörern nicht zu viel Hoffnung machen, dass sich auf die Schnelle etwas ändern werde.

 

„Keine Zukunftsperspektive“

Eichstätt (mms) Zum Verdi-Diskussionsabend „Erhalt der kleinen Krankenhäuser“ waren rund 40 Gäste ins Klinikcafé gekommen. Darunter waren einige Beschäftigte und viele Zuhörer aus der Kommunalpolitik. Der Kreistag, an der Spitze mit Landrat Anton Knapp (CSU), war zahlreich vertreten, gerade  mit mehreren Bürgermeistern der Landkreisgemeinden.
Nach den einführenden Worten von Verdi-Mitarbeiterin Arina Wolf („Wir hoffen, dass Sie unsere Sorgen und Ängste mit nach Berlin nehmen.“) und dem Bericht des Bundestagsabgeordneten Harald Weinberg (Linke) meldete sich Landrat Knapp ausführlich zu Wort. Der Landkreis Eichstätt ist eine wachsende und strukturstarke Region, der die Investitions- kosten für die Kliniken Eichstätt und Kösching stemmen könne. „Aber das Defizit bei den Betriebskosten tut uns richtig weh“, sagte er. 2017 lag das Minus bei 1,5 Millionen Euro, 2018 waren es schon 3,5 Millionen Euro und in diesem Jahr rechnet Knapp mit rund 7 Millionen Euro. „Das ist keine Zukunftsperspektive“, stellte er klar. Der Kreistag werde bei seiner Sitzung am 14. Oktober rund 10 Millionen Euro zuschießen, kündigte Knapp an. Er lobte das überparteiliche Bekenntnis zu den beiden Kliniken. Harsche Kritik übte er dagegen an der Bundespolitik, die sich mit den Sorgen und Nöten kleiner Häuser nicht befassen wolle. 
Knapp berichtete von einer Konferenz mit Kommunalpolitikern aus Baden-Württemberg. Auch dort ist die Lage besorgniserregend. Jedes dritte Krankenhaus sei von der Pleite bedroht, sagte er. Und auch die Kollegen in Baden-Württemberg hätten ihm seinen Eindruck bestätigt, dass Berlin sich nicht um die kleinen Krankenhäuser kümmere. „Wir tun im Kreistag unser möglichstes“, sagte er in Richtung Weinberg, „aber die Bundespolitik muss sich fundamental ändern“. 
Bundestagsmitglied Weinberg wollte Knapp da nicht widersprechen. Er verwies lediglich darauf, dass sein Einfluss auf die Entscheidungen gering sei. „Die Regierung hat seit zehn Jahren geschlafen“, stellte er fest. Sein Rat an Politiker und Beschäftigte: Druck ausüben. „Wenn sich etwas ändern soll, geht das nur über Druck von der Basis.“

 

Markus Meßner