Eichstätt
Große Themen auf kleiner Bühne

"Vom großen und kleinen Widerstand" - Heribert Prantl stellt in Eichstätt sein aktuelles Buch vor

10.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:36 Uhr
Zwischen den Rubriken Lebensfragen und Gesundheit war die kleine Bühne in der Buchhandlung aufgebaut, auf der Heribert Prantl Platz nahm. Bei der Lesung stellte er nicht nur sein aktuelles Buch "Vom großen und kleinen Widerstand" vor, sondern erzählte vor vollem Haus auch einige Anekdoten aus der großen Welt der Politik. −Foto: Meßner

Eichstätt (EK) Die Buchhandlung Rupprecht war rappelvoll, als der bekannte Journalist Heribert Prantl am Mittwochabend sein aktuelles Buch präsentiert hat. Er zog die Zuhörer nicht nur mit der Lesung in seinen Bann, sondern auch durch zahlreiche Anekdoten mit prominenten Politikern wie Helmut Kohl.

Heribert Prantl hat seinen Zug verpasst. Er wollte sich eigentlich um kurz vor 22 Uhr wieder auf den Heimweg nach München machen. Aber er redet eben gerne und die Leute hören ihm mindestens genauso gerne zu. "Dann fahre ich eben eine Stunde später und wir haben noch länger Zeit", sagte Prantl.

Der Journalist fühlte sich offensichtlich wohl in Eichstätt, das lag wohl nicht zuletzt auch an der herzlichen Begrüßung durch die Veranstalterin Maria Rupprecht. Sie bezeichnete ihn - Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung - als einen der "wortgewaltigsten Journalisten" der Gegenwart, der sich immer wieder mit den "großen Fragen des Lebens" befasse.

"Vom großen und kleinen Widerstand" heißt sein aktuelles Buch, das er auf der kleinen Bühne im Buchladen vorstellte. Die Kernaussage darin lautet: Auch der Widerstand im Kleinen lohnt sich und kann Früchte tragen. In seiner unnachahmlich klaren und strukturierten Sprache skizziert er darin etwa den Widerstand der Weißen Rose gegen das NS-Regime. Er erinnert an Fritz Bauer, den Generalstaatsanwalt im Frankfurter Auschwitz-Prozess. Prantl bezeichnet Bauer als "Missionar des Rechtsstaats". Der SZ-Journalist las auch eine Stelle aus dem Buch vor, in der es um Elisabeth Selbert geht. Sie war 1948 eine von vier Frauen unter mehr als 60 Männern, die über das neu zu schaffende Grundgesetz diskutierten. Dank Selbert heißt es in Artikel 3: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Die Herren hatten in ihren Vorberatungen das Thema Gleichberechtigung offenbar nicht auf der Agenda. Wie Prantl ausführte, war es dem unermüdlichen Einsatz Selberts zu verdanken, dass dieser Satz - letztlich einstimmig - verabschiedet wurde.

Schließlich stellte Autor Prantl noch den Abschnitt über Whistleblower vor. Das Schlechteste daran sei der Name, begann er. Denn Whistleblower seien keine Pfeifen. "Sie decken Missstände auf." Ihnen sei das Gemeinwohl wichtiger als die Loyalität zu ihrem Arbeitgeber, sagte der Autor. Er listete eine ganze Reihe von Skandalen auf, die in den vergangenen Jahren durch Whistleblower ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurden: Krebsmedikamente, die verdünnt wurden; Missstände in Altenheimen; Gammelfleisch. Prantl, studierter Jurist, forderte bei dieser Gelegenheit gleich ein Whistleblower-Gesetz, das die Tippgeber vor den arbeitsrechtlichen Konsequenzen schützt, aber auch die Unternehmen vor haltlosen Anschuldigungen.

Prantl las mal laut, mal leise, mal schnell und dann wieder langsam - aber niemals langweilig. Zwischendurch immer wieder und vor allem am Ende der Lesung gewährte er den Zuhörern einen Blick ins Nähkästchen der großen Politik. Etwa wie ihn der damalige Bundespräsident Johannes Rau wegen eines Artikels angerufen und kritisiert hatte. Ausführlich erzählte er über sein Verhältnis zum früheren Bundeskanzler Helmut Kohl. Erst nach dessen Abwahl und mehreren negativen Prantl-Kommentaren zu Kohls Nachfolger Gerhard Schröder sei das Verhältnis besser geworden, ehe es im Zuge des CDU-Spendenskandals wieder erkaltete.

Auf eine Frage aus den Zuschauerreihen erzählte Prantl von seiner Zeit als Staatsanwalt am Landgericht Regensburg. Als überzeugtem Kernkraftgegner wurden ihm Demonstranten aus Wackersdorf vorgeführt, die gegen die dort geplante Wiederaufbereitungsanlage protestierten. Prantl habe eine 75-jährige Bäuerin anklagen müssen, die zum ersten Mal in ihrem Leben demonstriert habe. Sie habe sich an einem Baum festgehalten, als sie von der Polizei abtransportiert werden sollte - "Widerstand gegen die Staatsgewalt". Er hätte das Verfahren am liebsten eingestellt, erzählte er. Aber als Staatsanwalt sei er weisungsgebunden gewesen und habe das nicht entscheiden können. Letztlich musste das Justizministerium eingeschaltet werden, das die Weisung vorgab: keine Einstellung des Verfahrens. Also forderte Staatsanwalt Prantl eine geringe Geldstrafe. Er habe in dieser Zeit einiges über das Zusammenspiel zwischen Politik und Justiz gelernt, resümierte er. Sein Fazit: "Ich bin als Journalist mindestens genauso unabhängig wie als Jurist."

Prantl erzählte, plauderte, ließ an seinen Erlebnissen teilhaben. Zu vorgerückter Stunde meinte Veranstalterin Maria Rupprecht mit Blick auf die Uhr: "Herr Prantl, ich muss mich um sie kümmern - wir müssen bald los." Sonst hätte Prantl wohl auch den letzten Zug verpasst. Die Besucher hätten ihm sicher noch länger zugehört.

Markus Meßner