Eichstätt
Wenn Gewalt wieder Gewalt erzeugt

18.11.2010 | Stand 03.12.2020, 3:26 Uhr

Das Theaterstück "Elly und Ingo" gegen Rechtsextremismus am Schulzentrum Schottenau: Skinhead Ingo (Daniel Zimpel) versucht, die Zuschauer von seinen Anschauungen zu überzeugen. - Foto: jok

Eichstätt (jok) Veranstaltungen zum Thema Rechtsradikalismus sind immer ein Risiko. Die Gefahr, dass sich der unkritische Zuschauer mit den braunen Parolen identifiziert oder sie irgendwie lustig findet, ist nie auszuschließen.

Seit einem halben Jahr hat am Willibald-Gymnasium das Projektseminar "Rechtsextremismus" verschiedene Aktionen vorbereitet, um die Öffentlichkeit für dieses von vielen unterschätzte Thema zu sensibilisieren. Nach dem Vortrag eines Nazi-Aussteigers (wir berichteten) war nun das uetheater aus Regensburg zu Gast am WG und der Mittelschule Schottenau. Anhand der beiden Figuren Elly und Ingo wird dargestellt, wie zwei Menschen, die in ihren jungen Jahren Gewalt erleiden müssen, diese Erfahrung verarbeiten.

Bei Elly Maldaque handelt es sich um eine historisch verbürgte Person aus Regensburg, deren Kindheit während der Weimarer Republik von einem gewalttätig-autoritären Vater geprägt war. Durch Schulbesuch und Reisen gelingt es ihr allmählich, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Sie wird Volksschullehrerin und nimmt sich vor, die ihr anvertrauten Kinder zu "Liebe und zum Guten" zu erziehen, weil sie ja am eigenen Leib die Erfahrung gemacht hat, dass "Schläge den Menschen klein machen".

Dieser Einsatz für eine gewaltfreie Schule und die Menschenrechte weckt den Argwohn der Schulaufsichtsbehörde. "Hakenkreuzler" denunzieren sie, die Regierung der Oberpfalz spricht die fristlose Kündigung aus. Nach einem Nervenzusammenbruch wird sie im Juli 1930 in eine Heilanstalt eingeliefert, in der sie wenige Tage später unter dubiosen Umständen ums Leben kommt.

Ingo, hinter dem sich eine Art Prototyp des modernen Neonazis verbirgt, hat ähnliche Startbedingungen, reagiert aber auf die Unterdrückung, die er erleidet, zuerst einmal mit Gewalt gegen sich selbst, indem er sich die Unterarme ritzt. Später begehrt er dann gegen die eigene Familie auf und taucht immer mehr in das Gedankengut der Nazis ein, deren Ideale ihm imponieren. Nach wiederholtem Mobbing, dem er als eigentlich ängstlicher und unsicherer Jugendlicher ausgesetzt ist, versteht er bald, dass Hass eine Waffe ist, mit der man sich durchsetzen kann. In der Gruppe seiner "Kameraden" fühlt er eine Art Zuhause, das ihm Sicherheit und Geborgenheit vermittelt. Zweifel an der braunen Ideologie verfliegen schnell, und schließlich kommt es nach einem Fußballspiel zu einer Hatz gegen einen Türken, der von der Gruppe zu Tode getreten wird. Unbelehrbar fristet Ingo nun sein Leben in einer Gefängniszelle.

Auch wenn die zwei Figuren zwei historisch völlig unterschiedlichen Epochen angehören, wird die Entwicklung ihrer Persönlichkeit parallel dargestellt. Beide werden in ein gewalttätiges Milieu hinein geboren. Während sich Elly davon allmählich emanzipieren kann, ist Ingo ein Paradebeispiel dafür, wie Gewalt wieder Gewalt erzeugt.

Die beiden Schauspieler lieferten qualitativ und quantitativ eine beeindruckende Leistung ab. Stefanie Boettger gelang es sehr gut, die Wandlung Ellys vom introvertierten, scheuen Mädchen zur jungen Frau nachzuvollziehen, die sich allmählich in ihrer Persönlichkeit freischwimmt. Daniel Zimpel (Ingo) schlüpfte so authentisch in seine Rolle als Skinhead, dass man ihn bei der anschließenden Diskussion – dieses Mal in "Zivil"– kaum wiedererkannte. Da allen Oberstuflern des WG und allen neunten und zehnten Klassen der Mittelschule Schottenau in gemischten Gruppen die Möglichkeit gegeben werden sollte, eine Aufführung zu verfolgen, wurde das Stück, das eine Stunde dauert, an einem Tag drei Mal gespielt.

Anschließend stellten sich die beiden Schauspieler und Regisseur Kurt Raster, der den Text verfasst und die Inszenierung besorgt hatte, den Fragen der sichtlich beeindruckten Schüler.