Eichstätt
Das Leben eines geistlichen Reichsfürsten

27.04.2010 | Stand 03.12.2020, 4:04 Uhr

Eichstätt (buk) Er gilt als Vater des "Hortus Eystettensis", war einer der bedeutendsten Fürstbischöfe hier und als humanistisch gebildeter Kunstmäzen auch für den Neubau der Willibaldsburg verantwortlich: Johann Konrad von Gemmingen, von 1593/95 bis 1612 Fürstbischof von Eichstätt und Territorialfürst im Frühabsolutismus. Brandneu erschien soeben über ihn bei Pustet eine opulente Studie, eine überarbeitete Dissertation aus dem Wintersemester 2008/09 – die aber nicht etwa in Eichstätt eingereicht wurde, sondern an der LMU München entstand. Verfasst wurde sie von Irene Reithmeier.

Reithmeier, Jahrgang 1981, studierte bayerische Landesgeschichte, mittelalterliche Geschichte und bayerische Kirchengeschichte an der LMU München. Ihre Arbeit geht von einem biografischen Ansatz aus. Ihr Ziel ist es, im Gegensatz zur eher bescheidenen bisherigen Literatur über den Fürstbischof, "die komplette Bandbreite der Regierungstätigkeit eines geistlichen Reichsfürsten dieser Zeit zu behandeln". Zunächst stellt sie die Entwicklungsgeschichte des geistlichen Bistums wie des weltlichen Hochstifts dar, um dann Familie und Herkunft Johann Konrads zu beleuchten.

Unter anderem kann man erfahren, dass von ihrem Protagonisten, einer Familie aus dem schwäbischen Uradel des Kraichgaus entstammend, weder Geburtstag noch Ort (vermutlich Tiefenbronn) bekannt sind. Er wurde 1578 Kanoniker des Chorherrenstifts Ellwangen und 1579 Augsburger Domizellar, 1591 in Eichstätt stimmberechtigter Domherr – wie auch viele seiner Vettern und Neffen aus dem Geschlecht derer von Gemmingen in Eichstätt wie in Augsburg bepfründet waren. In den 1580-er Jahren befand er sich auf mehreren Studienreisen, die ihn etwa nach Freiburg, Paris, Bologna – wo ihm aber "die Luft nicht gut bekam", wie er seine Chorbrüder wissen ließ-, Siena und Perugia führten: Er "bereiste während seiner Studienjahre fast ganz Europa", bilanziert Reitmeier.

Nach dem Tod des Eichstätter Fürstbischofs Martin von Schaumberg im Juli 1590 wurde im August Kaspar von Seckendorff dessen Nachfolger, der freilich bald in Verruf geriet, im Konkubinat zu leben. Ihm wurde daher Johann Konrad als "Koadjutor" ("Helfer, Mitarbeiter") zur Seite gestellt, der nach Seckendorffs Tod im April 1595 dessen Nachfolger wurde. Detailliert zeichnet Reithmeier Wirren und Verwicklungen nach, die dem vorangingen – zahlreiche weitere Konflikte mit dem Domkapitel folgten, etwa in Fragen der Jurisdiktion; insbesondere geriet Gemmingen mit Domdekan Philipp von Adelzhausen in scharfen Streit.

Die Arbeit stellt ausführlich Johann Konrads Regierung und Verwaltung, seine Finanz- und Wirtschaftspolitik wie auch sein geistliches Wirken in Eichstätt dar, der sich zwar aufgeschlossen gegenüber notwendigen Reformen im Klerus zeigte, aber das Collegium Willibaldinum nur wenig unterstützte und der aktiven Gegenreformation reserviert gegenüberstand.

Etwas befremdlich ist an der Arbeit die Eigenart, dass Quellen-Verzeichnis und Bibliografie bereits zu Beginn zu finden sind, der eigentliche Text somit erst nach 30 Seiten beginnt.

Irene Reithmeier: Johann Konrad von Gemmingen, Fürstbischof von Eichstätt (1593/95-1612). Landesherr und Diözesanvorstand ll im Späthumanismus. Friedrich Pustet Verlag Regensburg 2010 (Eichstätter Studien Band 63) 354 Seiten, Preis 39,90 Euro.