Eichstätt
Ein „Bitte“ macht den Unterschied

Einigung im Streit um Frauenparkplätze in Eichstätt – Auf blaue folgen weiße Schilder

23.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:44 Uhr
Dominik Bayer klagte gegen die Stadt Eichstätt. Rechts im Bild Hans Bittl, Geschäftsleiter im Eichstätter Rathaus. −Foto: Patrick Stäbler

Eichstätt (DK) Die blauen Schilder werden abgenommen und weiße angebracht – auf diese Formel lässt sich die Lösung im Streit um die Frauenparkplätze am Freiwasser bringen. Ein junger Mann aus Aachen klagte gegen die Stadt, weil er sich durch die Schilder diskriminiert gefühlt hatte. Diese Frage wollte das Gericht nicht diskutieren, es gehe nur um die Gestaltung der Hinweiszeichen, betonte der Richter und kam zu einer salomonischen Lösung: Mit einem „Bitte“ soll deutlich werden, dass die Schilder nur eine Empfehlung sind.

17 Journalisten, zehn Zuhörer: Für den Streit um die 30 Frauenparkplätze am Freiwasser interessieren sich an diesem Mittwochmorgen am Verwaltungsgericht München so viele Medienvertreter, dass der Gerichtsdiener sie nach weiter vorne bittet. Dem Richter Dietmar Wolff gegenüber sitzen dagegen nur drei Personen – Hans Bittl, geschäftsleitender Beamter der Stadt Eichstätt, der Leiter des städtischen Ordnungsamtes, Karl Ziegelmeier, und der Kläger Dominik B. Bayer aus Nordrhein-Westfalen. Dass sich die Stadt Eichstätt vor dem Verwaltungsgericht München wiederfindet, ist eher Zufall: „Weil hier die Schilder stehen“, antwortet der Jurastudent aus dem Landkreis Aachen kurz auf eine Journalistenfrage vor dem Sitzungssaal, warum er sich gerade die Stadt an der Altmühl für seine Klage ausgesucht hat. Zum Jahreswechsel 2018 besuchte Bayer auf der Rückreise von Wien einen Freund und stellte seinen Wagen am Freiwasserparkplatz in Eichstätt ab.

Dabei seien ihm die Schilder aufgefallen, erklärt der 26-Jährige. Er selbst habe natürlich auf einem anderen Stellplatz geparkt, sich aber als Mann in seiner Handlungsfreiheit beschränkt gefühlt. „Gleichberechtigung ist das Ziel, das ich verfolge“, sagt er in die Fernsehkameras, denn die Schilder diskriminierten seiner Ansicht nach auch Frauen: Die Hinweiszeichen erweckten den Eindruck, diese seien schwächer und könnten weniger weit laufen. Von den Frauen in seinem Bekanntenkreis habe er sich das bestätigen lassen. Das kann eine Journalistin nicht ganz glauben: „Wussten ihre Bekannten, dass die Schilder nach einer Vergewaltigung aufgestellt wurden?“ Seit einer Woche sei das allen klar gewesen, antwortet der Kläger. Weder an seiner Ansicht, noch der seiner Freunde, habe das etwas geändert. „Ich finde, dass die Schilder weg sollen“, sagt er vor der Verhandlung. Das will Hans Bittl als Vertreter der Stadt unbedingt verhindern. Die Stellplätze „liegen der Altstadt am nächsten, wir haben nach dem Vorfall 2016 jeweils die ersten Reihen der Dauer- und Kurzparkplätze ausgewiesen.“ Es sei erwiesen, dass Frauen öfter Opfer von Gewalt werden als Männer. Bittl erklärt, hier stellten nun gerne berufstätige Frauen ihren Wagen ab, die gerade bei Dunkelheit auf den Weg in die Arbeit oder von der Arbeit seien. „Auch Schichtarbeiterinnen, wir haben das Altenheim in der Nähe.“ Der geschäftsleitende Beamte gab sich anschließend Mühe, dem Richter den Ort zu beschreiben: „Der Parkplatz an der Altmühl ist sehr langgezogen.“ Diese Punkte wollte der Kläger nicht gelten lassen. „Es gibt auch kleine und zierliche Männer“, erklärt er in einer dreiseitigen, mit juristischen Feinheiten gespickten Rede. Mehr Sicherheit ließe sich durch die Schilder ohnehin nicht erreichen, sie seien nur ein „sicherheitspolitisches Feigenblatt“.

Besser wären ein Ordnungsdienst oder Videoüberwachung. Die Frage der Diskriminierung interessiert Richter Dietmar Wolff allerdings wenig. „Wir sehen das grundsätzlich für nicht diskussionswürdig“, sagt er über die Frauenparkplätze, in diesem Eichstätter Fall gehe es nur um die Gestaltung der Schilder. Die Straßenverkehrsordnung kenne Frauenparkplatzschilder nicht, „auch wenn mit dem Schutz von Frauen ein nachvollziehbarer Grund für eine Ungleichbehandlung vorliegt“. Es handle sich also „um Fantasiezeichen und die gilt es aufzuheben“, in diesem Punkt habe der Kläger recht, so Richter Dietmar Wolff. Das treffe auch zu, wenn den Männern, die dort parken, kein Strafzettel ausgestellt werde. Die blauen Schilder erweckten den Anschein, „dass die gekennzeichneten Parkflächen nur von Frauen genutzt werden dürfen“. Um eine Lösung zu finden, hat man sich im Verwaltungsgericht selbst schon an den Computer gesetzt und recherchiert: „Ein weißes Schild ist unproblematisch“, stellt Wolff fest, außerdem solle es das Wort „Bitte“ enthalten, um den Empfehlungscharakter zu unterstreichen. Dieser Vorschlag findet Zustimmung bei beiden Parteien: Der Vertreter der Stadt erklärt, man habe schon im Vorfeld betont, für Nachbesserungen offen zu sein. „Schilder kann man ändern. Für uns geht es um die Frauenparkplätze“, so Bittl.

Bis Ende Februar sollen die blauen Schilder nun durch neue, weiße Schilder ersetzt werden. Damit zeigt sich auch der Kläger, wie er gegenüber den Journalisten kundtut, zufrieden. Er habe juristisch Recht behalten und könne mit dem „Bitte“ auf den künftigen Schildern leben. Auch Hans Bittl gibt nach der Verhandlung Interviews und erklärt: „Sicherlich hätte man auch ohne Gericht eine Lösung finden können“, einem Hinweis des offensichtlich rechtskundigen Klägers hätte man Gehör geschenkt. Währenddessen wird von den Umstehenden schon mit einem Augenzwinkern überlegt, ob man die alten Schilder nicht versteigern könnte – berühmt genug seien sie jetzt ja.
 

Kommentar

In manchen Momenten scheint es  an so einem kleinen Wort wie „Bitte“ zu liegen, ob ein Fall von Diskriminierung vorliegt. Ein Jurastudent klagte gegen die Stadt  Eichstätt, weil er sich  von Parkplatzschildern an der Altmühl ungerecht behandelt fühlt, wenn sie blau sind und nur das Wort „Frauenparkplätze“ beinhalten. Die vor dem Verwaltungsgericht München erstrittene Lösung: weiße Schilder, die einen Titel tragen wie „Bitte wenn möglich für Frauen freihalten“. Das ist im juristischen Sinne zweifelsfrei in Ordnung,  zeigt aber, dass es  in dem Fall wohl mehr  ums Recht haben als  um eine tatsächliche Gleichbehandlung ging.  Schließlich wird, im konkreten Fall von Eichstätt, der Hintergrund und die Absicht der Aktion völlig vernachlässigt. Immerhin wurden die Sonderparkplätze nach einer vorangegangenen Vergewaltigung am Freiwasser-Parkplatz eingeführt. Es spricht für einen außerordentlichen Mangel an Feingefühl, dass der Kläger  das Argument eines gesteigerten Sicherheitsgefühls für Frauen durch in vorderer Reihe gelegene Parkplätze lapidar vom Tisch wischt und darauf pocht, dass auch Männer Opfer von Gewalttaten werden könnten. Natürlich sollen sich nicht nur Frauen mit größtmöglichem Sicherheitsempfinden durch ihre Heimatstadt bewegen können und sicherlich kommen auch Männer zeitweise in Situationen, in denen sie Hilfe benötigen.
 Aber ist es denn  gleich falsch und diskriminierend, wenn die Stadt nach einer Straftat, die sich  gegen eine Frau gerichtet hat, Konsequenzen zieht,  damit Bürgerinnen ein Stück des Sicherheitsgefühls zurückbekommen, das durch das Verbrechen   erschüttert wurde? Sollte nicht jeder Einzelne daran Interesse haben, dass alle Mitglieder der Bevölkerung mit dem gleichen Sicherheitsgefühl leben können, auch wenn dies unterschiedliche Maßnahmen erfordert?  Schließlich ist es nicht nur die gesetzliche Grundlage, sondern auch ein rücksichtsvoller Umgang miteinander, der das Gefühl von Gleichbehandlung ausmacht. Anna Hecker

Tina Steimle