Eichstätt
Blick auf die Armut und die Region gelenkt

15.03.2013 | Stand 03.12.2020, 0:23 Uhr

Eichstätt (EK) Die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt gehört zu den wenigen Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland, an denen die Beschäftigung mit Lateinamerika einen Studien- und Forschungsschwerpunkt bildet. Das 1985 gegründete Zentralinstitut wird von Professor Thomas Fischer (Foto) geleitet.

Mit ihm sprach EK-Redakteur Hermann Redl nach der Wahl von Papst Franziskus.

 

Herr Fischer, was bedeutet die Wahl für Argentinien, Latein- beziehungsweise Südamerika und die Kirche?

Fischer: In Lateinamerika lebt etwa die Hälfte aller Katholiken; die Armut dort ist das Problem Nummer eins. Die Wahl von Jorge Mario Bergoglio lenkt somit den Blick sowohl auf die Region dort als auch auf die Welt. Mit seinem entschiedenen Eintreten für die Armen wird dieses Problem in den Mittelpunkt gestellt – nicht nur für Lateinamerika, sondern für die Welt.

Argentinien ist, ebenso wie der Kontinent, von Glaubensspaltung bedroht. Kann es Franziskus gelingen, diese Spaltung zu überbrücken?

Fischer: Argentinien nimmt in Lateinamerika/Südamerika eine besondere Rolle ein. Die Argentinier sind „weiß“, wegen der vielen Einwanderer aus Europa und gelten auch in ihrem Kontinent als „etwas überheblich“. Das unterscheidet sie ganz stark vom Rest Lateinamerikas. Hinzukommt die starke Pfingstlerbewegung, die ungeheuere Zuwächse verzeichnet – nicht nur bei den armen Bevölkerungsschichten, sondern auch bereits in der Mittelschicht. Beides, die Sonderrolle Argentiniens und die drohende Glaubensspaltung muss der neue Papst überbrücken. In Deutschland hieß es bei der Wahl Benedikts XVI. „Wir sind Papst“. Wird er das in Argentinien ähnlich einem Messi oder Maradona schaffen? Wird er zudem Papst aller Südamerikaner. Das sind Fragen, die ihn beschäftigen werden – auch im Hinblick auf die Weltkirche. Ich denke aber, dass Franziskus die Kraft und die Persönlichkeit hat, diese Herausforderung zu meistern.

 

Wie stark ist Papst Franziskus durch seine Rolle als Provinzial der Jesuiten während der Militärdiktatur belastet?

Fischer: Es gibt diese Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen, dass er seine Ordensbrüder während der Militärdiktatur nicht genug geschützt habe. Die Aufarbeitung dieser Zeit und die Menschenrechtsverletzungen sind Themen, die die Argentinier seit Jahren beschäftigen. Schade ist, dass Jorge Mario Bergoglio hier nicht eindeutig Position bezogen hat und Übergriffe jeglicher Art scharf verurteilt hat. Das trübt das positive Bild etwas. Denn in anderen Fragen, beispielsweise der Bekämpfung der Armut, hat er ja klare Positionen eingenommen.

 

Wird sich Papst Franziskus als Oberhaupt der Kirche noch seinem Land, seinem Kontinent widmen können?

Fischer: Das lässt sich derzeit noch nicht beantworten. Papst Benedikt hat zwar Deutschland zwei Mal bereist, sich aber dann doch auf seine Aufgaben im Vatikan konzentriert. Ob Papst Franziskus ein Papst aller Argentinier werden wird oder sich ganz aus Argentinien zurückziehen wird, wird sich zeigen.