Denkendorf
"Madonna von Stalingrad" – Symbol der Freundschaft

05.07.2010 | Stand 03.12.2020, 3:53 Uhr

Tatjana Schipkowa, die Direktorin der Moskauer Schule 1240, der Partnerschule von Denkendorf (2. von rechts), hatte einen Schutzengel als Gastgeschenk dabei. Im Beisein von Generalkonsul Andreij Grozov (rechts) und dem ehemaligen OB von Wolgograd, Jurij Starowatych (2. von links), überreichte sie die Figur an den Bürgermeister von Denkendorf, Jürgen Hauke (links).

Denkendorf (EK) Auf den ersten Blick ist es eine einfache, anrührende Kohlezeichnung: Die Muttergottes, die ihr Kind in den Armen hält und es liebevoll anblickt. Durch Marias Mantel wirken beide geborgen. Ihre wahre Symbolik entfaltet die Zeichnung durch den Ort, an dem sie entstand: in Stalingrad.

Gefertigt hat sie der Arzt, evangelische Pfarrer und Künstler Dr. Kurt Reuber Ende 1942 – auf der Rückseite einer russischen Landkarte. Reuber starb 1944 in russischer Kriegsgefangenschaft. Seine "Madonna von Stalingrad" hat ihn überdauert. Das Original befindet sich in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin; Kopien gibt es in Coventry in England, in Stalingrad, dem heutigen Wolgograd, und seit Sonntag auch in Denkendorf.

Im Rahmen der großen Festlichkeiten in Denkendorf wurde ein Stein mit der Madonnen-Zeichnung beim Kriegerdenkmal enthüllt. Viel Prominenz gekommen, von deutscher wie von russischer Seite. Ein besonderer Gast war Vera Petrowna Schelesnikowa aus Moskau. Sie ist 85 Jahre alt und Veteranin. Gemeinsam mit deutschen Veteranen unterzeichnete sie einen Aufruf gegen Krieg und für Frieden, der, geborgen in einem Stahlzylinder, ins Fundament des Steins mit der "Madonna von Stalingrad" eingemauert wurde.

Die Zeremonie stand unter dem Zeichen von Versöhnung und Partnerschaft und gerade im überschaubaren Denkendorf wurden an diesem Tag Akzente in Sachen Völkerverständigung gesetzt, die sich nicht in Worthülsen erschöpften. Die Übernahme der Schirmherrschaft spiegele seine "tiefe Verbundenheit mit den Veteranen des Krieges wie mit den Soldaten und Reservisten der Bundeswehr" wider, betonte Minister Siegfried Schneider. Kriegervereine seien Friedensbewahrer und Friedensmahner. Die Hoffnung von Kurt Reuber habe sich 65 Jahre nach Kriegsende erfüllt. "Dass wir heute gemeinsam mit Delegationen aus Moskau und Wolgograd gedenken können", sei auch Verdienst und Belohnung für das Engagement des Denkendorfer Kriegervereins.

"Katastrophen wie der Zweite Weltkrieg dürfen sich nie wiederholen", beschwor Andreij Grozov, der russische Generalkonsul in München, die Anwesenden. "Diese Feier hier ist ein wesentlicher Schritt dafür. Wir gedenken der Opfer beider Seiten. Die meisten Opfer haben wir, hat Russland gebracht, aber das Hitlerregime hat auch auf Deutschland zurückgeschlagen. Wir müssen aus diesen Katastrophen lernen", sagte Grozov.

"Heute ist ein besonderes Datum in der Geschichte Denkendorfs", fand auch Professor Volker Hannemann, der Vizepräsident des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge. Immer wieder müsse man sich verdeutlichen, dass der Frieden in Europa kein Normalfall sei. Das Gemeinsame zwischen beiden Völkern betonte die Bürgermeisterin des Moskauer Partnerbezirks Presnaja, Galina Borjutinskaja. Sie erinnerte an den 9. Mai in Moskau, an dem mit einer großen Parade auf dem Roten Platz der Sieg über die Nazis gefeiert wird. Der russischen Präsident Medwedew und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hätten zusammen gefeiert und "haben uns ein schönes Beispiel gegeben”.

Die eindrucksvollsten Worte fanden zwei Russen, die selbst den Krieg erlebt haben. "Ich will, dass niemand niemals Krieg sehen muss", rief der ehemalige Oberbürgermeister Wolgograds, Jurij Starowatych, in die Menge. Er habe als Kind den Schrecken des Krieges in Stalingrad erlebt und er sei überzeugt, dass es "nur zwei große Dinge gibt: Leben und Frieden". Die Menschen sollten auf die schönen Dinge achten, die der liebe Gott ihnen gebe und sich nicht durch Zäune aus Raketen trennen lassen. Er wünsche sich, "dass unsere Kinder ohne Schrecken leben können". Starowatych dankte der Gemeinde Denkendorf und allen Einwohner, vor allem Christian Holtz für ihr Engagement. Vor allem an die deutschen Veteranen wandte sich Vera Petrowna Schelesnikowa, die sie ihre "Brüder" nannte. "Ich bin mir sicher, dass meine Kriegskameraden, die gefallen sind, sich freuen würden, wenn sie sehen könnten, wie wir gemeinsam feiern."