Eichstätt
Home-Office-Kolumne Teil 12

Der Gatte, der Teenager und Ich - CORONotizen aus der Kleinstadt

08.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:35 Uhr
DER GATTE, DER TEENAGER UND ICH - CORONotizen AUS DER KLEINSTADT. −Foto: Privat

Eichstätt - Jede Lage, so ernst sie auch sein mag, wird leichter, wenn wir uns unseren Humor bewahren - gerade auch, wenn man plötzlich viel mehr Zeit mit der eigenen Familie verbringt, als man vielleicht jemals wollte. Deshalb erzählt Autorin Elisabeth Wein in unserer Kolumne "CORONotizen aus der Kleinstadt", wie eine Familie, bestehend aus Mutter, Vater und Teenager-Sohn, ihren Corona-Alltag meistert. Und auch wenn es diese Eichstätter Familie tatsächlich geben und sich darin durchaus ein wahrer Kern finden sollte, sind doch alle Begebenheiten frei erfunden. Sie wollen vor allem eines: Sie in dieser schwierigen Zeit zum Lachen bringen.

Wenn man viel mehr Zeit zu Hause verbringt als sonst, dann fallen Dinge ins Auge, die das Bewusstsein sonst gekonnt ausblendet. Das beginnt bei dreckigen Fenstern (Ach, draußen ist es hell?!), setzt sich fort über Wiederbelebungsmaßnahmen bei verkrüppelten Zimmerpflanzen und endet bei verwahrlosten Schubladen, die man schnell mal aufräumen will und sich zwei Tage später immer noch fragt, zu welch antikem Gerät dieses Ladekabel wohl gehört.

Solch eine häusliche Baustelle wandert bei uns von einer To-Do-Liste auf die nächste: das Ausmisten und Abtauen der Tiefkühltruhe. Das für diese aber jetzt die Zeit gekommen ist, belegte kürzlich ein Abendessen. Schon am Nachmittag stand der Gatte wie ein stolzer Kapitän auf unserer Terrasse und hielt die Nase in den Wind: "In 76,38 Metern Entfernung wird gegrillt!", erschnupperte er fachmännisch und nahm sofort Kurs auf in Richtung Outdoor-Abendessen.

Beim Thema Grillen hat die Gleichberechtigung bei uns zu Hause total versagt. Nach wie vor erlegt der Gatte als familiäres Alpha-Männchen beim Metzger so manches Teil von Schwein und Rind, nach wie vor sammle ich in einem Weidenkörbchen Tomate-Mozzarella und Kräuterbaguette. Vergangenen Sommer wurde auch der Teenager in einem feierlichen Initiationsritus in die Kunst des Grillens eingeführt. Dafür musste er zusammen mit Vatern und einem Rudel befreundeter Grill-Männchen eine Nacht lang zu Trommelklang um den Smoker tanzen - eingerieben mit extra scharfer Marinade und mit einer Kriegsbemalung aus Grillkohle.

Doch zurück zum Abendessen. Da man ja derzeit nicht jedem Einkaufseinfall nachgeben soll, bestückte der Gatte den Grill mit Vorräten aus der Tiefkühltruhe. Auf meine Frage, was er da grille und von wann das sei, konnte er mir keine Auskunft geben. Dafür durfte ich es vorkosten, mein Gaumen sei schließlich der Feinere. Der erste Bissen war zunächst vielversprechend, doch den köstlichen Röstaromen folgte ein geschmacklicher Reigen der Widerlichkeiten. Während ich das an Gefrierbrand verendete Fleisch auswürgte und meinen Gaumen mit Hochprozentigem desinfizierte, markierte der Gatte das Ausmisten der Tiefkühltruhe mit Priorität eins.

Am nächsten Morgen ist es so weit. Im Keller errichte ich ein einfaches Expeditionszelt, um die archäologischen Funde aus unserer Tiefkühltruhe besser untersuchen zu können. Schutzanzüge und Behälter für biologisch kontaminierten Abfall stehen bereit. Der Gatte seilt sich derweil ab ins ewige Eis und pickelt sich durch die verschiedenen Zeitalter unserer Vorratshaltung.

Er gräbt sich durch die eisige Kirschernte eines längt vergangenen Sommers, im Licht seiner Stirnlampe taucht fossiles Suppengemüse auf und zwischen blauen Eisschichten krümmt sich ein Schnitzel in bizarren Formen. Wenn mich nicht alles täuscht, zeugen Hieroglyphen, die in seine 3000 Jahre alte Tupper-Dose gemeißelt sind, vom Nil-Delta als Herkunftsort.
Ganz unten in dieser magischen Eiswelt findet der Gatte dann auch unser Abendessen für morgen. Es gibt gegrillten Yeti. Mit Tomate-Mozarella.

EK

(Fortsetzung folgt...)