Hainsberg
Reich an Geschichte

Einst war der Dietfurter Ortsteil Hainsberg landwirtschaftlich geprägt - Nun hat er sich zum Wohndorf entwickelt

19.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:44 Uhr
Am Weg zum Sportplatz befindet sich die 2,5 Meter hohe Martersäule aus Kalkstein (links). Der Backofen ist der Stolz der Hainsberger Dorfbewohner. Zusammen mit dem Feuerwehrhaus bildet das Backhäuschen ein gelungenes Ensemble (Mitte). Das große Altarbild zeigt den Kirchenpatron, den heiligen Leodegar. −Foto: Patzelt

Hainsberg - Der Dietfurter Ortsteil Hainsberg hat sich vom Bauerndorf zum Wohndorf entwickelt.

Lediglich einen Landwirt zählt Martha Thumann noch in ihrem Heimatort. "Aber auch gegenüber den Neubürgern herrscht unter den Dorfbewohnern eine große Akzeptanz. Sie sind immer da, wenn wir sie brauchen, und stets gerne bereit, sich einzubringen", sagt die Hainsberger Stadträtin. Und der Zusammenhalt ist für Thumann hinsichtlich eines gut funktionierenden Dorflebens "ein äußerst wertvolles Gut". In Hainsberg hatten am Anfang diesen Jahres 123 Einwohner ihren Hauptwohnsitz und fünf ihren Nebenwohnsitz.

Der Dietfurter Ortsteil wird erstmals im Pontifikale Gundekarium erwähnt. In die Amtszeit von Bischof Gundekar (1057 bis 1075) fällt eine Kirchenweihe in "Hagenesberc". In der Nähe des Dorfes befindet sich eine Burgruine. Die Ödenburg, der heutige Name der Ruine, weist auf den verfallenen Zustand hin.

1422 erfolgte durch Weihbischof Albert die Rekonzilation der Hainsberger Kirche. 35 Jahre später bestätigte Bischof Wilhelm mit Zustimmung des Pfarrers von Kottingwörth eine gestiftete Frühmesse. 1576 wird mit der Martersäule eines der ältesten Flurdenkmäler der Großgemeinde errichtet. Der Grund für die Errichtung ist unbekannt.

Am 2. September 1997 verabschiedete sich mit Pfarrer Schmidtner der letzte Hainsberger Geistliche in den Ruhestand. Die Pfarrei bildet heute mit Dietfurt eine Seelsorgegemeinschaft. 1998 erfolgte in Hainsberg der Bau der Abwasserkanalisation und vor 20 Jahren wurde erstmals ein Zunftbaum aufgestellt. Um das Auffinden der einzelnen Häuser zu erleichtern, erhielt die Ortschaft im Jahr 2004 Straßennamen. Vier Jahre später bekam der Kirchturm ein neues Dach und die Außenwände des Gotteshauses erhielten einen neuen Anstrich. Und am 17. Mai 2012 feierte die gesamte Pfarrei 950 Jahre Kirchenweihe.

Die schmucke Kirche ist dem heiligen Leodegar von Autun geweiht. Der Kirchenpatron war von vornehmer, fränkischer Herkunft und gilt als Märtyrer. 1736 begann mit Baumeister Dominikus Barbieri der Bau der heutigen Kirche. Der Domkapitelmaurermeister Barbieri leitete auch den Bau der Kottingwörther Wehrkirche. 1752 wurde das Gotteshaus eingeweiht. Renovierungen sind in der Pfarrchronik für die Jahre 1844, 1894, 1947, 1971, 1991 und 2008 festgehalten. Als kunsthistorisch wertvoll gilt ein romanisches Taufbecken. Die Austattung der Kirche stammt zum großen Teil aus der Erbauungszeit. Das Bild über dem Hochaltar zeigt den Empfang des heiligen Leodegar im Himmel. Die gleiche Thematik findet sich im prunkvollen Deckengemälde. Besonders zu beachten ist auf dem Kunstwerk eine historische Ortsansicht von Hainsberg. Stolz sind die Pfarrangehörigen auf ihr Glockengeläute - im Turm rufen vier bronzene Stimmen Gottes zum Gebet.

Mit der Feuerwehr Hainsberg/Mitteldorf, dem Dorfverein Hainsberg/Mitteldorf, der Katholischen Landjugend Hainsberg/Mallerstetten, dem Kriegerverein und dem Frauenkreis sorgen fünf Vereine für das gesellschaftliche Leben im Dorf. Die Feuerwehr kann heuer bereits auf eine 120-jährige Geschichte zurückblicken. Gegründet wurde sie am 14. August 1900 als Pflichtfeuerwehr. Acht Jahre später erfolgt die Umwandlung in eine freiwillige Feuerwehr. Die Wehr legte schon von Beginn an großen Wert auf den vollen Einsatz der aktiven Mitglieder, denn im Gründungsprotokoll ist vermerkt: "Wer unentschuldigt bei einer Übung ausbleibt, der zahlt einmalig 20 Pfennig, jedes weitere Mal 50 Pfennig Strafe. " Jedes Jahr wurden zwei Übungen abgehalten. Eher zum Schmunzeln regt dieser Protokolleintrag an: "Die Verabreichung von Freibier hat sich auf das wenige Maß zu beschränken, welches zur Stärkung und Belebung der verbrauchten Kräfte notwendig ist. " Das Freibier bezahlte übrigens die Gemeinde.

Im März 1956 hatte die Wehr beim Hochwasser, das sich durch die große Schneeschmelze bildete, alle Hände voll zu tun. Geplant ist gegenwärtig eine Ausrückegemeinschaft der Hainsberger Wehr mit Mallerstetten und Oberbürg. Aufgrund der unzureichenden Erreichbarkeit von Staadorf ist die neue Organisation erforderlich. In Hebersdorf soll ein neues Gerätehaus mit einem wasserführenden Fahrzeug und einem Mannschaftstransporter errichtet werden.

Glockenverein Kreuzberg-Hainsberg-Mitteldorf nannte sich ein Verein, der im Februar 1974 ins Leben gerufen wurde. Er sollte Dorffeste und Familienausflüge organisieren. Auf fünf Mark belief sich der Jahresbeitrag. "Jedes Mitglied aus der Jugend ist verpflichtet, beim Betreten und Verlassen der Gastwirtschaft die Glocke zu läuten", heißt es in den Statuten. Nichtmitglieder, die an der Glocke läuten, mussten einen Strafbeitrag von einer Mark entrichten. Im Gründungsjahr stand Wendelin Karg an der Spitze des Vereins. Vertreten wurde er durch Herrmann Dietz. Am 29. Dezember 2011 wurde der Glockenverein in den Dorfverein Hainsberg/Mitteldorf umgewandelt und ins Vereinsregister eingetragen.

Als Krieger- und Veteranenverein der Pfarrei Hainsberg wurde im März 1962 der heutige Kriegerverein gegründet. Nachforschungen des Ruhestandsgeistlichen Pfarrer Markus Harrer ergaben, dass kein Vorgängerverein in Hainsberg nachzuweisen ist. Lediglich eine Ehrentafel bezeugt, dass vier Dorfbewohner am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 teilgenommen hatten. Wie aus dem Protokoll zu entnehmen ist, ließen sich Xaver Thumann als Gründungsvorsitzender und Josef Christoph als sein Stellvertreter eintragen. Dem Verein traten spontan 70 Mitglieder bei. Bereits zwei Jahre nach der Gründung wurde für 1600 Mark eine Vereinsfahne angeschafft und von Pater Werinhard am 10. Mai 1964 gesegnet. Alljährlich findet am Volkstrauertag eine Gedenkfeier für die gefallenen, vermissten und gestorbenen Kameraden statt.

Das Kreuz als Zeichen des christlichen Glaubens, der Pflug als Hinweis auf den ländlichen Lebensraum und der Ackerboden als Sinnbild der Landwirtschaft ist auf der Fahne der Katholischen Landjugend Hainsberg-Mallerstetten zu finden, die seit 1959 im Dorf aktiv ist. Unter Aufsicht des Pfarrers Drescher wurden in den ersten Jahren unter anderem Singabende und Versammlungen mit verschiedenen Vorträgen abgehalten. Am 21. April 1961 ging Xaver Gehr als Sieger eines Leistungspflüge-Wettbewerbs hervor. Am 20. Oktober 1968 nahmen die Mitglieder an der Hainsberger Glockenweihe und am 25. Juni 1972 an der Primiz von Leodegar Karg teil. "Das Lied der Heimat", "Die optische Täuschung" und "Der Gemeinderat auf Urlaubsreise" heißen nur einige der Theaterstücke, die von der Landjugend ab 1972 im Mallerstettener Freihart-Saal auf die Bühne gebracht wurden.

Ein wichtiges Element in der Pfarrei Hainsberg ist der Frauenkreis. Als Initiator für die Gründung im März 1983 erweist sich der bereits gestorbene Pfarrer Michael Schmidtner. Ziele der Vereinigung sind die Pflege der Kameradschaft, der gegenseitige Erfahrungsaustausch und das Einbringen zum Wohle der Allgemeinheit. Bei der Gründung bildeten Anneliese Igl, Rita Obermeier und und Anni Zach den Vorstand. Der Erlös aus den verschiedenen Aktivitäten und Veranstaltungen des Frauenkreises kommt stets sozialen und kirchlichen Einrichtungen zugute.

Nicht nur optischer, sondern auch kulinarischer Mittelpunkt des Dorfes ist der neben dem Feuerwehrhaus errichtete Backofen. Im März 2010 beschloss der damalige Glockenverein den Bau des Dorf-Backhäuschens. Der Ofen soll der gesamten Dorfgemeinschaft für das Backen von Brot und Pizza, aber auch zum Braten aller Arten von Fleisch zur Verfügung stehen. Durch den unermüdlichen Einsatz vieler Helfer wurde der Backofen im Hainsberger Jubiläumsjahr 2012 wie geplant vollendet. "Wir schüren ihn drei- bis viermal im Jahr an und haben schon alle möglichen Gerichte ausprobiert - und sie sind stets gelungen", freut sich Thumann. Zum letzten Mal im Jahr wird er beim großen Rama-Dama im Dorf angefeuert. "Das ist dann meist im November, wenn schon die Blätter gefallen sind. Und nach getaner Arbeit schmecken Pizza und Co. natürlich besonders gut", so die Hainsberger Stadträtin.

Im Projekt "Kulturelles Erbe Hainsberg" haben die beiden Dietfurter Ortsteile Hainsberg und Mitteldorf Geschichte und Gegenwart erlebbar gemacht. Ausgangspunkt war die Änderung der Dorfstruktur von landwirtschaftlichen Betrieben hin zu einem reinen Wohndorf. Die Bevölkerungszahl ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, mit einer gesunden Mischung, in der alle Altersstufen vertreten sind. Die Aufarbeitung der Ortsgeschichte fand vor acht Jahren einen Höhepunkt in der Herausgabe eines Heimatbuches durch den örtlichen Kriegerverein. "Rund drei Jahre haben die Nachforschungen und das Zusammentragen der einzelnen Kapitel des Buches gebraucht", ist im Vorwort von Johann Dietz zu lesen. Laut Dietz war das Arbeiten im Autorenteam "von einem Geist des Miteinanders, aber auch vom Ehrgeiz jedes Einzelnen geprägt".

DK