Dietfurt
Faszinierende Reise in die Unterwelt

Höhlenkundlicher Tag der Karstgruppe Mühlbach - Bericht über Hochwasser von 1909

21.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:25 Uhr
Im Donnerdom der Mühlbachquellhöhle rauscht ein Wasserfall in die Tiefe. Die Wanderung leitete Christa Locke von der Mühlbacher Karstgruppe (v.l.). Auf großes Interesse stieß die 3D-Kamera. Christian Schöffel berichtete über die Erforschung der gigantischen Mühlbachquellhöhle. −Foto: Patzelt/KarstgruppeMühlbach,A.Schnobrich

Mühlbach (pa) Ein interessantes Programm hat der höhlenkundliche Tag der Karstgruppe Mühlbach geboten. Bei einer Tageswanderung oberhalb des Höhlensystems und einer Multimedia- Schau am Samstagabend erfuhren die Teilnehmer viel über die Mühlbachquellhöhle.

Vor mittlerweile 17 Jahren war den Mitgliedern des Höhlenvereins nach langjähriger Vorarbeit der Durchbruch in das Höhlensystem gelungen. Sie entdeckten die erste Flusshöhle der Fränkischen Alb.

Bei Spätsommerwetter brach nun eine große Zahl an Interessenten zur höhlenkundlichen Wanderung auf. Treffpunkt war der Kirchenvorplatz in Mühlbach. Nach einer kurzen Begrüßung durch den Vorsitzenden der Karstgruppe, Dieter Gebelein, übernahm das Vereinsmitglied Christa Locke die Führung. "Ich bin hobbymäßig mehr im Bereich der Biologie unterwegs. Aber wir haben heute reichlich Sachverständige dabei, die ein großes Spektrum an Fragen abdecken", sagte Locke. Sie meinte damit die Höhlenfreunde aus Bamberg, die Chiemgauer Höhlenbären und Forscher aus dem Bereich Baden-Württemberg.

Aber auch die Geschäftsführerin des Verbands der deutscher Höhlen- und Karstforscher (VdHK), Leona Lober aus Pettstadt, verfügte über ein entsprechendes Grundwissen und gab dies den Teilnehmern gerne weiter. Der VdHK ist als Dachverband der in Deutschland organisierten Karst- und Höhlenforscher der kompetenteste Ansprechpartner in Sachen Höhle und Karst. Über 100 regionale Vereine und Gruppen sowie sieben Landesverbände und über 500 Einzelmitglieder finden sich unter einem Dach zusammen. Der Verband arbeitet im Bereich Datenerhebung, Datenarchivierung und Katalogisierung, sowohl mit Höhlenvereinen als auch mit dem Höhlenklimakataster zusammen.
 

Der Weg ist als Lehrpfad mit höhlenkundlichen Erlebniselementen gestaltet und wartete mit allerhand wissenswerten Details zur Mühlbachquellhöhle und zu den Themen Geologie, Höhlenkunde und Geomorphologie auf. Auf ungefährliche Weise ermöglichte die Wanderung interessante Einblicke über die rund 100 Meter unter der Oberfläche gelegenen Karsthöhle.

Wer noch mehr über die Mühlbachquellhöhle erfahren wollte, besuchte die Dauerausstellung Stein.Wasser.Höhle im Mühlbacher Steinstadel des Jurahausanwesens Obermühle oder beteiligte sich am Abend in der Aula der Kaminkehrerschule am Höhlenvortrag mit einer grandiosen und beeindruckenden Multimedia-Schau. Die Aula der Schule hatte sich sehr gut gefüllt, als der Vorsitzende der Karstgruppe, Dieter Gebelein, die Multimedia-Schau, die jährlich stattfindet, eröffnete. Danach berichtete Christian Schöffel, Schriftführer und Höhlenforscher der Karstgruppe, über die Entdeckung der Höhle und nahm die vielen Besucher auf eine visuell faszinierende Reise in die Unterwelt mit.

Nach seinen Worten findet man in der Fränkischen Alb das größte zusammenhängende Karstgebiet Deutschlands. Zur Einführung zeigte der Höhlenforscher beeindruckende Naturaufnahmen von der mit Nebelschwaden verhangenen Landschaft rund um Mühlbach. "Die ersten Karst-Spuren entdeckt man auf der Hochfläche - für das Wasser muss man allerdings in den Talgrund gehen", erläuterte der Referent. Hier findet man auch den Mühlbach-Quelltopf mit einer Schüttung von 300 Litern Wasser pro Sekunde.
 

Als Wegweiser für die Forschungen im Untergrund nannte das Mitglied der Karstgruppe Archivstudien, vor allem der Hochwasser-Katastrophe im Altmühltal im Jahre 1909. "Damals durchflossen innerhalb von 30 Stunden rund sechs Millionen Kubikmeter Wasser die Mühlbachquellhöhle, um an der Quelle im Ort wieder auszutreten. Ein extremer Temperaturanstieg im Januar hatte eine Jahrhundert-Schneeschmelze verursacht", berichtete Schöffel. Riesige Wassermassen sammelten sich in der Polje, einer großen abflusslosen Bodensenke rund um Eutenhofen, zu einem sechs Quadratkilometer großen See. Noch in der gleichen Nacht waren die zugefrorenen Dolinen in der Senke aufgebrochen und hatten den See in einem gigantischen Sturzbach durch die darunterliegenden Höhlengänge in Richtung Mühlbach entleert und als Hochwasser verheerenden Schäden angerichtet. Im Jahr 1914 habe man den Ablauf der Katastrophe noch einmal nachvollzogen. Schöffel zeigte eine historische Karte, in der ein unterirdischer Durchbruch eingezeichnet war.

Im Juli 1998 hatte die Karstgruppe mit Grabungen angefangen. "Wir benötigten zweieinhalb Jahre, um uns durchzukämpfen. Es waren durchschnittlich acht Personen im Einsatz, die rund 8000 Arbeitsstunden leisteten", sagte der Referent. Die Höhlenforscher zündeten Rauchbomben und gruben dem Luftzug hinterher. Auf den Spuren dieses Luftzugs wurden 60 Meter Stollen angelegt, um in die Schlüssellochkammer zu gelangen. "Wir waren in eine Höhle gekommen, die selbst die größten Optimisten nicht erwartet hatten", erinnerte sich Schöffel immer noch tief beeindruckt.

Danach nahm der Referent die Besucher anhand von Standbildern und beeindruckenden Videos mit in das gigantische Höhlenreich. Visuell öffnete sich dem Zuschauer ein Wunderland mit herrlichen Tropfsteingebilden. "Das ist der absolute Wahnsinn - einfach faszinierend", äußerte sich eine begeisterte Besucherin, die aus Regensburg angereist war.
 

Schöffel zeigte aber auch die andere Seite der Höhlenforschung. Schlammverschmierte Forscher kämpfen sich Meter um Meter durch die teilweise engen Gänge. "Manche Passagen waren ungemein kräftezehrend. Beim Einstieg in die sogenannten Kamine, um eine Etage höher zu gelangen, half oft nur klettern. Auch die langen Tauchgänge durch die sehr engen und völlig eingetrübten Siphons waren alles andere als einfach und durchaus eine sportliche Herausforderung", berichtete Schöffel. Die Höhlenforscher setzten immer wieder Sicherungsanker und zogen eine Leine, um auch bei schlechten Sichtverhältnissen wieder heraus zu kommen.

Um mit den Kräften haushalten zu können, richtete das Team Biwaks ein. Dazu musste von mehreren Personen erst einmal das benötigte Material in die Höhle gebracht werden. Um miteinander Kontakt zu halten, wurden über und unter der Erde einzelne Antennen verlegt. "So entstand eine Telefonanlage,die es nirgends zu kaufen gibt. Für uns ist sie allerdings eine Lebensversicherung", äußerte sich Schöffel.

Um ein Grundrissskelett der Höhle zu erstellen, werden an verschiedenen Stellen Messpunkte gesetzt. So können Neigung, Länge und Richtung bestimmt werden. Verschiedene Techniken erzeugen später ein komplettes Raummodell der gigantischen und beeindruckenden Mühlbachquellhöhle. "Nun sind wir an einem gewaltigen Versturzberg angelangt, hinter dem das Wasser verschwindet. Er versperrt uns momentan den Weg. Aber wir sind zuversichtlich, weiterzukommen", so der Höhlenforscher abschließend.

Nach einer kurzen Pause übernahm Stefan Glaser, Geologe aus München, den wissenschaftlichen Teil des Abends. Danach folgte der Teil der Veranstaltung, auf den alle bereits gewartet hatten. Die Besucher durften ihre 3D-Brillen aufsetzen und wurden so visuell auf eine besondere Weise mitgenommen in die unterirdische Wunderwelt der Mühlbachquellhöhle.