Beilngries
Als die Geschäftsleute auf die Barrikaden gingen

Ein Blick ins DK-Archiv liefert so manche Anekdote rund um den Ausbau des Paulushofener Bergs vor 50 Jahren

21.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:37 Uhr
Viele Paulushofener Bauern hatten früher ihre Felder und Wiesen im Tal und mussten, wie dieser Landwirt, ihr Heu und ihre Ernte über die Bergstraße nach oben bringen. Als die Gerätschaften immer schwerer und der Verkehr immer zahlreicher wurden, reagierte man darauf mit dem Ausbau der Straße. −Foto: Patzelt (Repro)

Beilngries/Paulushofen (pa) Das Mammutprojekt Umgehungsstraße, der Kreisel bei Wiesenhofen, eine geplante Ampelanlage an der Brand-Kreuzung - und der Landkreis baut für rund eine Million Euro die Kreisstraße EI 22 zwischen Arnbuch und Aschbuch aus.

Auch vor 50 Jahren gab es im Bereich Beilngries eine Großbaustelle. Damals war es der Ausbau des Paulushofener Berges, der die Finanzen und auch so manche Nerven arg strapazierte. Laut Meldungen im DONAUKURIER vom 7. August 1968 klagten die Beilngrieser Geschäftsleute über finanzielle Einbußen durch das Ausbleiben von Kundschaft, bedingt durch die langwierigen Baumaßnahmen.

Bereits im Herbst 1967 wollte man mit dem Ausbau der Bundesstraße 299 im Bereich des Paulushofener Berges beginnen. Aber die Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern zogen sich in die Länge und gelangten erst ein Jahr später zum Abschluss. Die Bergstraße, die 1889 gebaut wurde, hatte sich durch den Schwerverkehr im Laufe der Jahre immer mehr gesenkt, wie Messungen und Beobachtungen ergaben. "Auch ist sie an manchen Stellen für den heutigen Verkehr zu unübersichtlich und zu eng geworden", hieß es im DONAUKURIER vom 17. Juli 1968. Bei einer Verkehrszählung im Jahr 1965 wurden in einem Zeitraum von 24 Stunden 1047 Autos und 419 Lastwagen notiert, die sich den Berg hinauf und hinunter quälten. Seit die Raffinerien in Ingolstadt ihre Arbeit aufgenommen hatten, war die Belastung der Bundesstraße sprunghaft angestiegen. Der damalige Beilngrieser Landrat Hans Pröll bezeichnete die Trasse daher süffisant als "Ölstraße". Aber auch Kiesfahrzeuge und die immer größer werdenden landwirtschaftlichen Maschinen hatten den Paulushofener Berg starken Belastungen ausgesetzt. "Nicht selten müssen lange Autoschlangen im Schneckentempo den Berg hinaufkriechen. So mancher Autofahrer wird dabei nervös und zum riskanten Überholen auf der total unübersichtlichen Strecke gezwungen", hieß es damals in unserer Zeitung. Mit dem Ausbau der B299 über die Strecke von 390 Metern sollte demnach eines der vordringlichsten Verkehrsprobleme im damaligen Landkreis Beilngries behoben werden. Allerdings wurden zum Schluss 680 Meter ausgebaut. 18000 Kubikmeter Erde mussten bewegt werden und die ursprünglich geplanten Kosten von 130000 Mark stiegen um mehr als das Doppelte.
Das äußerst schwierige Gelände ließ eine völlige Verlegung der Straße nicht zu. Nach langen Voruntersuchung kamen die Planer aus Regensburg zu dem Ergebnis, dass nur ein Ausbau in den Berg hinein in Frage komme. So war der Zukauf von etwa einem Tagwerk Wald nötig, das den Bauarbeiten zum Opfer fiel.

"Umleitung verdirbt das Saisongeschäft? lautete die Überschrift des DONAUKURIER am 7. August 1968. Die "Straßenbaugeschädigten" beklagten einen Umsatzrückgang um bis zu 60 Prozent. Viele stellten sich die Frage, wie lange das noch dauern solle und bezeichneten die Äußerungen der Bayerischen Staatsregierung zum Fertigstellungstermin als "reine Illusion". In einer Umfrage unserer Tageszeitung zeigten sich einige Geschädigte äußerst entrüstet. Der damalige Tankstellenbesitzer Hans Sillner war "stocksauer", als er auf die Umleitung durch den Ausbau des Paulushofener Berges angesprochen wurde. "Die Umleitungsschilder weisen mit dem Autostrom auch an meiner Kasse vorbei. So bleiben nur die Beilngrieser Stammkunden. Ein paar dicke Hunderter gleiten mir schon durch die Finger. Ich glaub fast, es geht in die Tausend pro Monat", ärgerte sich der damals 60-jährige Beilngrieser.

Der Beilngrieser Tankstellenbetreiber Georg Nuber setzte ebenfalls nur auf ein kleines Klientel: "Viele verfahren sich und fragen dann bei uns nach Auskunft. Und manche davon tanken dann auch gleich. "

Walburga Rabl vom Unteren Wirt (Gasthof zum Hirschen) in Paulushofen sah sich ebenfalls als Geschädigte. Auch für sie war die Urlaubssaison 1968 "bereits gestorben", bevor sie so richtig begonnen hatte. "Seit Wochen stehen unsere Zimmer leer. Ausgerechnet in der Hochsaison hat man uns die Straße vor der Nase zugemacht. "

Auch die damals 70-jährige Anna Pollinger, die in der Paulushofener Hauptstraße ein Lebensmittelgeschäft unterhielt, beklagte sich über Einbußen: "Die Fernfahrer und Touristen kommen jetzt gar nicht mehr vorbei zum Einkaufen. Sogar das Bier bleibt in den Kästen stehen. "

Friedrich Kratzer von der Autowerkstätte an der Ingolstädter Straße fühlte sich ebenfalls als Geschädigter: "Früher sind jeden Tag mindestens drei Fremde vorbeigekommen, bei denen mal ein Auspuff, mal eine Wasserpumpe oder irgend etwas anderes zu richten oder zu erneuern war. Dieses Geschäft fehlt durch die Umleitung zu hundert Prozent. "

Abgesehen von den Geschäftsleuten und Wirten traf die Umleitung auch alle Bauern auf dem Berg, die im Altmühlgrund Felder und Wiesen bewirtschafteten. Der Umweg von etwa neun Kilometern machte mit dem Traktor eine halbe Stunde mehr aus. Und mehr Treibstoff fraß das landwirtschaftliche Gefährt obendrein.

Andere, ja fast gegenteilige Sorgen hatten durch die Umleitung einige Kottingwörther Mütter, die sich ebenfalls äußerten: "Wir müssen auf unsere Kinder mehr aufpassen denn je. Die Kleinen sind einen solchen Verkehr nicht gewöhnt, wie er jetzt Tag und Nacht durch das Dorf rollt. " Und ein Kottingwörther Landwirt fügte hinzu: "Wäre tagsüber nicht so viel auf den Feldern zu tun und wir abends nicht so müde, hätten wir schlaflose Nächte, weil uns der viele Verkehr nicht zur Ruhe kommen lassen würde. "

Die Regierung der Oberpfalz hatte in einem Schreiben an das Landratsamt Beilngries von einer Bauzeit von zwei Monaten gesprochen. Doch daran glaubte kaum jemand der Geschädigten. "Die in Regensburg am Schreibtisch haben leicht reden. Die sollen einmal selbst rauskommen und sich den Berg ansehen. Und dann können sie urteilen", äußerte sich ein Beilngrieser verärgert. Und mehr als fünf Wochen nach Baubeginn waren Arbeiter tatsächlich immer noch dabei, Bäume zu fällen.

Die Arbeiten dauerten schließlich rund sechs Monate, von Mitte Juni bis kurz vor dem Weihnachtsfest des Jahres 1968.
Ab Mitte Juli 1969 ging es dann mit dem Ausbau der B299 zwischen Paulushofen und Amtmannsdorf weiter. Und die Umleitung führte wieder über Kottingwörth.