Ingolstadt
Zwölf Tenöre und eine Überraschung

Die Sänger begeistern das Publikum mit einer Mischung aus Pop, Musical und Klassik

02.02.2012 | Stand 03.12.2020, 1:52 Uhr

Ingolstadt (DK) Überraschung! Die „Twelve Tenors“ sind zu zehnt, tragen feuerrote, bodenlange Abendkleider und könnten einer Misswahl-Veranstaltung entstammen. Das Publikum im ausverkauften Festsaal wundert sich. Dann ertönt von den mehrheitlich blonden Damen passenderweise „Es grünt so grün“ aus „My fair Lady“. Sogleich wird das Rätsel durch eine der Sängerinnen gelüftet: Die „10 Sopranos“ haben sich als „Special Guests“ zu den zwölf Tenören gesellt.

Erstaunlich authentisch erklingt „Adiemus“ von Enya. Das im Original bereits stark chorisch angelegte Stück scheint den zehn Sopranos auf den Leib geschneidert zu sein. Auch die begleitende Band, bestehend aus Schlagzeug und zwei Keyboards, ist diesem Song mit seinen Liegestreichern und durchlaufender Perkussion bestens gewachsen. Dieser Eindruck ändert sich allerdings, als die Soprane stilistisch einen riesigen Sprung wagen und sich musikalisch an Bord des Missisippi-Dampfers „Proud Mary“ begeben. Rockende Gitarren lassen sich bekanntlich nur schwerlich auf schwarze und weiße Tasten übersetzen. Genauso fehlt eben Ike Turners kehlig-markanter Bass-Einwurf „rolling, rolling. . . , auf den jeder instinktiv bei diesem Song wartet. So gesehen sind die Damen mit „Proud Mary“ auf dem falschen „Dampfer“. Zwölf smarte Herren stürmen jetzt im dunklen Anzug die Bühne: Es sind die „12 Tenöre“. Diese international besetzte Formation ist seit Jahren weltweit erfolgreich unterwegs. Dem Ingolstädter Publikum präsentieren sie ihre neue Show. Folgt das Konzept logisch der Linie – ein Tenor, drei Tenöre, 12 Tenöre –, sozusagen musikalischer Lustgewinn durch Quantität? Als das Tenor-Triumvirat der Herren Pavarotti, Carreras und Domingo die Welt begeisterte, war das zweifellos so.

Allerdings unter völlig anderen Vorzeichen. Jedoch lassen sich weder Akteure, noch Konzept auch nur annähernd vergleichen. Die „12 Tenöre“ beginnen ihr Konzert mit dem italienischen Kleinod „Funiculi, Funicula“, welches zur Eröffnung der Vesuv-Seilbahn 1880 von Luigi Denza komponiert wurde. Gemeinsam mit dem später im Programm dargebotenen „O Sole mio“ stellt das Lied so etwas wie das musikalisch-folkloristische Rückgrat Italiens dar. Die Tenöre vermitteln die Freude und den Stolz des Lieds unverfälscht, der Funke springt bereits bei diesem ersten Stück des Programms auf das begeisterte Publikum über.

Der weitere Verlauf des Konzertabends präsentiert einen bunten Reigen aus Oper, Musical und Popmusik. Allein die Breite des Spektrums lässt bereits ahnen, dass man mit einem Kriterium wie Werktreue völlig fehl am Platz ist. Die 12 Tenöre präsentieren dagegen eine geschickt choreografierte Revue: frech, charmant und in jedem Falle höchst unterhaltsam. Nicht alle Stimmen entsprechen den Standards des Fachs „ausgebildeten Kunststimme Tenor“. Und das ist gut so. Denn so entsteht die Ausdrucksvielfalt und Klangvariabilität, die ein so weit gefächertes Programm erst möglich macht. Tatsächlich erreichen die „12 Tenöre“ mit ihrem Konzept ein breites Publikum.

Die Begleitung von Gesangsensembles ist keineswegs schmückendes Beiwerk, sondern vielmehr Fundament. Das wird bei verschiedenen Stücken des Abends durch die Überforderung der dreiköpfigen Begleitband klar. Ob im emphatischen Mittelteil von John Miles’ „Music“, wo zwei Keyboards und ein Schlagzeug niemals den nötigen Druck aufbauen können oder in Puccinis „Nessum dorma“, wo das Umarrangieren des Klavierauszugs (Klavierfassung zu Übungszwecken) keine tragfähige Basis ergab.

Die Stimmgewalt des Gesangsensembles konnte diesen Mangel jedoch teilweise kaschieren. Ein absolutes Highlight war die Interpretation von „Now we are free“. Die Titelmusik von „Gladiator“, aus der Feder von Hans Zimmer beleuchtete in der Version der „12 Tenöre“ ganz neue Facetten, einfühlsam gesungen und perfekt arrangiert entstand etwas ganz Neues, Frisches und bewies damit, welches Potenzial grundsätzlich in solch einem Ensemble steckt. Dem tobenden Publikum im Festsaal wurde eine Zugabe geschenkt.