Auschwitz/Eichstätt
Zwischen Nachdenken und Kommerz

Schüler des WG auf den Spuren der NS-Verbrechen im Vernichtungslager Auschwitz/Birkenau

04.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:32 Uhr
Im Rahmen eines P-Seminars beschäftigte sich eine Schülergruppe des Willibald-Gymnasiums im Konzentrationslager Auschwitz mit Täterbiographien. Die Exkursion wurde von einem professionellen Filmteam begleitet. −Foto: Schmidkonz

Eichstätt (gfs) Neue Wege bei der Erschließung historischer Inhalte geht das Willibald-Gymnasium: Gemeinsam mit einem Filmteam ging das P-Seminar Geschichte Mitte September in Auschwitz/Birkenau der Frage nach: "Was geht uns Auschwitz eigentlich heute noch an?"

Eingebunden war der Filmdreh in einen Aufenthalt in Krakau: In der Stadt angekommen, begann das Programm dort zunächst mit einer Stadtführung, die sowohl die klassischen Sehenswürdigkeiten wie Kirchen und kulturelle Gebäude abdeckte, sich dann aber speziell dem alten jüdischen Viertel widmete. Dabei sammelte die Schülergruppe dank des historisch erhaltenen Stadtkerns viele Eindrücke über das Leben der jüdischen Bevölkerung im 17. Jahrhundert. Aber auch das Wissen über den jüdischen Glauben im Allgemeinen wurde erweitert.

Nach den vielen positiven und lebensfrohen Eindrücken begann mit der Besichtigung der ehemaligen Fabrik Oskar Schindlers, die als Museum zum Thema "Krakau in der Zeit des Nationalsozialismus" genutzt wird, der emotional sehr bewegende Teil der Seminarfahrt. "Während man in Deutschland in Ausstellungen über den Nationalsozialismus eher dezent mit der NS-Symbolik umgeht, wurden wir alle in der Ausstellung mit zahlreichen spannenden, jedoch auch schockierenden Inszenierungen konfrontiert", berichtet Geschichtslehrerin Anna Wenzl. So hinterließen zum Beispiel originale Hakenkreuzflaggen oder ein Fußboden mit Hakenkreuzfliesen und nicht zuletzt die Waffen-SS-Uniformen und Originalaufnahmen aus den Tagen des NS-Terrors in Krakau oftmals ein mehr als nur mulmiges Gefühl.

Am zweiten Tag brachen die Schüler auf nach Auschwitz/Birkenau. "Nach der Fahrt durch einige polnische Dörfer stand nach gut einer Stunde Fahrt jedoch kein abgeschottetes Gebiet vor uns, sondern eine belebte, am Tourismus orientierte Stadt", bemerkten Tina Heigl und Antonia Funk. Dort angekommen, stellten alle überrascht fest, aus wie vielen Nationalitäten sich die Besuchermassen zusammensetzten. Der Gang durch die Räume einer noch erhaltenen Gaskammer in Auschwitz I und noch mehr der durch die Ruinen der gesprengten Gaskammern in Auschwitz II Birkenau gaben allen tiefgründige Einblicke in die Vernichtungsindustrie der Nazis.

Die Frage nach dem "warum" stand allen mehr als einmal in den Augen. Im Angesicht der grausamen Ereignisse der Vergangenheit schockierte die Schüler umso mehr das Verhalten mancher Besucher, die sich nicht dabei stören ließen, im Sonnenuntergang noch schnell ein Selfie auf den Gleisen vor den Gaskammern und Aschefeldern zu machen. Die Frage "Was geht Auschwitz uns heute noch an" stellte sich hier umso dringlicher.

Am darauf folgenden Tag fand sich die P-Seminar-Gruppe noch einmal auf dem Gelände der Gedenkstätte ein, um an einem Workshop zur Thematik "Einblick in die Biografien der Täter" teilzunehmen. Dabei hatten alle die einzigartige Möglichkeit, zahlreiche Originaldokumente unter fachwissenschaftlicher Betreuung einer Historikerin zu lesen und daraus Rückschlüsse über den Alltag der SS-Wachmänner, deren Einstellungen und Beziehung zu den Häftlingen zu ziehen. Eine schockierende Erkenntnis lautete immer wieder: "Es waren meistens normale Menschen wie du und ich, nur die wenigsten Täter waren Psychopathen."

Begleitet wurde die Studienfahrt von der österreichischen Produktionsfirma edufilm. Die Autorin Sandra Walkshofer und der Filmemacher Erik Dobat haben sich auf die Produktion von Bildungs-, Reise- und historischen Filmproduktionen spezialisiert und filmten zusammen mit den Schülern an den verschiedenen Exkursionsorten. "Über die mediale Aufarbeitung bekommt man einen komplett anderen Blickwinkel vermittelt. Wir überlegen uns bei jeder Aufnahme, was das Bild für eine Funktion hat, welche Inhalte und auch Emotionen es zum Ausdruck bringen soll. Die Filmarbeit bringt einem neben den Quellenrecherchen nochmal auf eine ganz andere Art und Weise Geschichte näher", sagte Anna Wenzl, die gemeinsam mit Johannes Schmidkonz die Schülergruppe begleitete.

Der entstandene Film wird bei AmazonPrime zu sehen sein. Außerdem wird er Teil der Ausstellung sein, die das P-Seminar als Ergebnis der zweijährigen Kursphase Ende Januar 2019 am Willibald-Gymnasium eröffnen will.