Zwischen Kochtopf und Kindergarten

08.04.2009 | Stand 03.12.2020, 5:03 Uhr

Um Paula und ihre Familie dreht sich alles im Buch "Der Kurschatten". Die Ingolstädter Autorin Astrid Hess las daraus kürzlich im Herzogskasten. - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Sie selbst, behauptet sie von sich, sei das glatte Gegenteil ihrer Romanfigur Paula. Astrid Hess steht mit beiden Beinen im Leben. Sagt, anders als Paula, immer offen und ehrlich, was sie denkt. Mit ihrem Debutroman "Der Kurschatten" hat sich die Ingolstädterin einen Traum erfüllt.

"Eigentlich wollte ich das gar nicht groß veröffentlichen", sagt die Autorin, die im Mai ihren 45. Geburtstag feiert. An 30 bis 50 Exemplare hatte sie gedacht. Heute sind es "ein paar mehr", Astrid Hess, die hauptberuflich bei der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt als Verwaltungsangestellte tätig ist, kurvt in ihrer Freizeit von Lesung zu Lesung. Auch in ihrer Heimatstadt Ingolstadt las sie bereits zwei Mal aus ihrem Erstlingswerk vor: in der Buchhandlung Thalia, die, weil die Nachfrage so groß war, noch Bücher nachbestellen musste, und vor wenigen Tagen bei der Stadtbücherei im Herzogskasten. Am Dienstag fuhr Hess nach Wilhelmshaven, zu einer Lesung beim Friesischen Rundfunk – ihr zehnjähriger Sohn und die siebenjährige Tochter durften mit.

"Ohne meine Familie hätte ich das nie gepackt", ist sie überzeugt. Die Unterstützung kam vor allem von ihrer 23-jährigen Tochter Rebecca, die nicht nur ihre Füße fürs Titelfoto zur Verfügung stellte, und ihrem Mann Rudi, der so ganz anders sei als Franz, der Macho-Ehemann Paulas in ihrem Buch. Ihre Familie, betont Hess im Gespräch mit dem DONAUKURIER, habe ihr stets Mut gemacht, an ihrem Werk weiterzuarbeiten.

Um die Familienbande dreht sich auch alles bei Paula, ihren zwei Nerven aufreibenden Kindern, Ehemann Franz, der seine Frau nur zum Putzen, Waschen, Hemden bügeln und Kinderhüten zu gebrauchen scheint, und Schwiegermutter Lore, die der ohnehin nervlich überstrapazierten Paula den Rest gibt. Kein Wunder, dass Paula geradewegs auf einen Zusammenbruch zusteuert. Ein ausgeprägtes Burn-out-Syndrom ist die logische Folge – und bringt Paula schließlich in eine Mutter-Kind-Kur. Mit allem, was dazu gehört. . .

"Der Kurschatten" führt den Leser dennoch schnell auf eine falsche Fährte. Denn auf den Kurschatten im sprichwörtlichen Sinne, soviel darf schon mal verraten werden, wartet man vergeblich. "Der Titel beschreibt eher den geistigen Verwirrungszustand, der bei den Kurgästen herrscht", erklärt die Autorin. Sie muss es wissen. Sie war selbst schon zweimal auf Mutter-Kind-Kur. Und hat sich dabei jede Menge Anregungen für ihr Buch geholt.

Mit viel Witz beschreibt Astrid Hess die großen und kleinen Alltagsbegebenheiten, den ganz normalen Wahnsinn, der sich in vielen Familien tagtäglich zwischen Kochtopf und Kindergarten abspielt. Astrid Hess charakterisiert ihre Romanfiguren ehrlich und schonungslos. Ihre Sprache ist klar und einfach, und genau dass macht das Lesen zu einem Vergnügen. In der Geschichte findet sich jeder in irgendeiner Weise wieder. Mimi, die adipöse Tischnachbarin Paulas, begegnet einem schon mal auf dem Ingolstädter Viktualienmarkt. Wenn man Glück hat, auch die sympathische Autorin selbst, denn Astrid Hess ist eine waschechte Schanzerin, auch wenn sie seit sieben Jahren mit ihrer Familie in Geisenfeld wohnt.

Aufgewachsen im Piusviertel (Hess: "Damals hat es da noch keine Hochhäuser gegeben, überall waren Felder") hat sie bei Salamander in der Ludwigstraße ihre Lehre als Einzelhandelskauffrau gemacht. Zehn Jahre arbeitete sie beim Drogeriemarkt Müller, 1994 wechselte sie in die Verwaltung der Universität Eichstätt-Ingolstadt. Zehn Jahre hat sich Astrid Hess während der Elternzeit von der Uni freistellen lassen. In dieser Zeit arbeitete sie auf 400-Euro-Basis als Aushilfe bei der Firma Misslbeck, wo ihr Mann als EDV-Leiter tätig ist. Jetzt ist sie wieder als Verwaltungsangestellte bei der Uni. Mit 40 hat sie erst die Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht. Am Burn-out-Syndrom litt sie übrigens nie.

Auch, wenn sie im Leben schon einiges durchgemacht hat. Astrid Hess ist zum zweiten Mal verheiratet. Als ihre mittlerweile erwachsene Tochter vier Jahre alt war, "sind wir bei Nacht und Nebel ausgezogen". Für Astrid Hess war das "eine ganz schlimme Zeit". Nicht zuletzt daher rührt auch ihr soziales Engagement für den Münchener Verein "Horizont", der obdachlose Kinder und deren Mütter unterstützt. Ein Teil des Bucherlöses kommt dem Verein zugute.

Wenn sie nicht gerade eine Lesung hält, in der Uni arbeitet, für ihre Familie da ist oder durch Ingolstadt schlendert, sitzt Astrid Hess übrigens schon wieder am Computer. Sie arbeitet an einem Fortsetzungsroman. Die ersten drei Kapitel sind schon fertig. Man darf gespannt sein, wie es mit Paula und ihrer Familie weitergeht.

Astrid Hess "Der Kurschatten", 244 Seiten, erschienen im Spielberg Verlag Regensburg, 12,90 Euro.