Dollnstein
Zwischen Himmel und Erde

Helikopter im Dauereinsatz: Bergwacht übt am Burgsteinfelsen Höhenrettung

21.06.2013 | Stand 03.12.2020, 0:00 Uhr

 

Dollnstein (EK) Lärmend rauscht der Hubschrauber das Tal entlang, beschreibt eine weite Kurve und steuert die senkrechte Wand des Burgsteinfelsens an. An beiden Kufen stehen Männer, die konzentriert nach unten blicken. Der Hubschrauber hat seine Position gefunden. Die eigentliche Aktion kann beginnen.

Die Bergwachten der Regionen Franken-Jura und Rhön-Spessart führte am Freitag bei Dollnstein einen Trainingstag zum Thema Luftrettung durch: Da reihten sich spektakuläre Szenen aneinander, die von vielen Zaungästen verfolgt wurden. Das Ab- und Aufwinschen von Personen in unmittelbarer Nähe zu Steilwänden lässt sich nicht jeden Tag beobachten. Insgesamt nahmen 16 Retter, drei Ausbilder sowie zwei Piloten und drei Techniker der Polizeihubschrauberstaffel vom Standort Roth daran teil. „Wir üben nicht nur mit der Polizei, sondern auch mit der Bundeswehr und mit der Deutschen Rettungsflugwacht“, erklärt Stephan Kraus von der Bergwacht Bamberg. Er ist stellvertretender Leiter der Bergwachtregion Franken-Jura, verantwortlicher Ausbilder für die Luftrettung und an diesem Tag für den gesamten Ablauf zuständig.


Für „Rettung aus unwegsamem Gelände“ ist grundsätzlich die Bergwacht zuständig. Damit im Ernstfall alles wie am Schnürchen klappt, wird viermal im Jahr geübt. Der erfahrene Ausbilder weiß: „Luftrettung ist nicht ohne.“ Die Verletzungsgefahr ist groß. Umso stolzer ist Kraus, dass in den vergangenen Jahren nie etwas passiert ist. Nun sieht er sich in Dollnstein um. Dieser Ort wurde bewusst gewählt, um das Engagement der hiesigen Kameraden zu würdigen. Noch jung ist diese Bergwacht, die jetzt nach langer und intensiver Ausbildung voll einsatzfähig ist.

Am Burgsteinfelsen wurden drei Stationen eingerichtet: eine im Steilgelände, die zweite am großen und die dritte am kleinen Felsenkopf etwas abseits. Diese drei Stellen fliegt der Hubschrauber immer wieder an, um Retter abzuseilen oder „Verletzte“ zu bergen. Da ist volle Konzentration gefordert. Dominik Menz erklärt den Ablauf: Zuerst gilt es, den Verletzten zu lokalisieren – etwa per Handyortung oder mit Wärmebildkamera. Dann lässt sich ein Retter mit der Seilwinde ab.

Höhenangst oder Schwindelgefühle darf da keiner haben. Jemand wie Dominik Menz genießt dieses Schweben zwischen Himmel und Erde sogar. „Das ist ein angenehmes, gutes Gefühl. Und ich weiß, ich bin gut gesichert.“ Kaum auf dem Boden, kümmert sich der Retter um den Patienten. Währenddessen kommt sein Kollege nach; er bringt ein wichtiges Utensil mit, den Luftrettungssack. „Darin wird der Patient fixiert und demobilisiert“, erklärt der 30-Jährige.

Nun kommt ein heikler Moment: Die Retter am Boden und die Besatzung verständigen sich per Funk und per Handzeichen. Eine markante Bewegung heißt „Gefesselt“. Der Verletzte und ein Retter werden eingeklinkt. Solange muss der Helikopter absolut still auf seinem Platz stehen. Bei Windböen etwa eine Herausforderung für den Piloten. Der Helfer lässt sich mit dem Verletzten hochwinschen. Dabei beruhigt er den Verunglückten, der womöglich Angst hat, ins Bodenlose zu fallen. Der zweite Bergretter fixiert die Antirotationsleine. Durch den Abwind des Luftgefährts, der durchaus Sturmstärke erreichen kann, würde der Rettungssack hoffnungslos ins Pendeln geraten. Sind Helfer und Verletzter an der offenen Tür angekommen, heißt es: „Seil frei.“ Fast zögernd tastet sich der Hubschrauber ein paar Meter zurück; der Pilot muss sich erst einmal einen Überblick verschaffen. Denn zieht er seine Maschine vom Felsen weg und fliegt ins Tal.

Eine Wiese, nur wenige hundert Meter vom Burgstein entfernt, ist als Landeplatz hergerichtet. Alles geht professionell vor sich, und mit der Zeit spielen sich die Handgriffe ein. Im Ernstfall müssen die Männer und Frauen der Bergwacht nicht nur verunglückte Kletterer bergen, sondern auch Gleitschirmflieger, die sich in Bäumen verfangen haben, Mountainbiker, die sich überschätzt haben, und relativ häufig Waldarbeiter.

Die erfahrene Helikopter-Besatzung hat den Einsatz ebenfalls im Griff. Diese Polizisten suchen Vermisste im Gebirge, machen Löschwassereinsätze, transportieren Sandsäcke, etwa bei der Hochwasserkatastrophe in Deggendorf, fliegen Politiker, übernehmen Rettungstransporte, wenn der ADAC-Hubschrauber gebunden ist, sind in der Wasserrettung tätig und praktizieren Dokumentationen aus der Luft – zum Beispiel bei Unfällen.

Dennoch: Einfach ist der Job bei dieser Bergrettung nicht. Ingo Wolkenhaar, Polizeihauptmeister und Flugtechniker, beschreibt die Schwierigkeit: „Da die Bergwachtler ihre Position nicht ändern können, muss der Hubschrauber im Schwebeflug gehalten werden. Aber der Pilot kann nicht senkrecht nach unten sehen. Er fliegt ,blind’.“ Sein Auge ist der Flugtechniker. Ingo Wolkenhaar koordiniert den Schwebeflug, er gibt den Piloten Anweisungen und muss ihn korrigieren, wenn Winde den Hubschrauber abzutreiben drohen. Dann sind alle an Bord ,und der Heli steuert wieder die Wiese an. Dort warten schon die nächsten Bergretter auf ihren Einsatz.