Pfaffenhofen
Zwischen Aufbruch und Armut

Die Pfaffenhofenerin Leonore Küster arbeitet im Südsudan für die Lepra- und Tuberkulosehilfe

05.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:20 Uhr

Leonore Küster besucht die Leprakolonie so oft es geht. - Fotos: Enric Boixadós.

Pfaffenhofen (DK) Joseph hat trotz Behinderung einen wichtigen Job: Er leitet eine Gesundheitsstation im Südsudan. Dort lebt auch die Pfaffenhofenerin Leonore Küster, die immer wieder die Leprakolonie besucht, in der Joseph arbeitet.

Leonore Küster lebt und arbeitet schon lange in dem ostafrikanischen Land. Heute ist sie Repräsentantin der DAHW (Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe) in dem jüngsten Staat der Welt. Der Unabhängigkeit vom großen Bruder Sudan vorausgegangen waren ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg und die Zerstörung fast der gesamten Infrastruktur. Als der Südsudan im Juli 2011 endlich selbstständig wurde, war Küster zur Stelle. „Eigentlich hätte vieles hier Priorität: die Etablierung eines Gesundheitssystems, die Ernährungssicherung, eine einigermaßen funktionierende Infrastruktur“, sagt die Endfünfzigerin auf dem Weg in die Leprakolonie Luri Rokwe, rund eine Autostunde von der Hauptstadt Juba entfernt. Ihr Blick schweift über das karge Land. Vereinzelt stehen Hütten am Straßenrand. Sie erzählt von der Aufbruchstimmung, die überall im Land herrsche, aber auch von Not, Armut und Kriminalität.

Begleitet wird sie von Dr. James Wani Tom. Er ist der Lepra- und Tuberkulose-Koordinator des Nationalprogramms. „Die Zusammenarbeit mit der DAHW funktioniert reibungslos“, lobt er. „Dank der Unterstützung des Würzburger Hilfswerkes wird das Gesundheitspersonal der Kolonie regelmäßig geschult. Meine Aufgabe ist es, alle Aktivitäten im Bereich der Lepravorsorge zu überwachen.“ Dazu gehören Planung und Ausbildung. „Die DAHW ist im Bereich Lepra unser Hauptpartner.“ Joseph Klani Cirillo erwartet die beiden schon. James kennt den Chef des Gesundheitspostens gut, denn er nimmt regelmäßig an seinen Schulungen teil. Mit seinen 67 Jahren ist Joseph alt, zumindest in Afrika. Nicht viele ehemalige Leprapatienten haben so ein langes Leben. Bürgerkrieg, Mangelernährung, Behinderung, Krankheiten – viele Menschen erreichen hier nicht einmal das 50. Lebensjahr.

Doch Joseph ist mit seinem Leben zufrieden. Er hat als Leiter der Gesundheitsstation seinen Traumberuf gefunden, trotz der Verstümmelungen, die er seit vielen Jahren hat. Schuld daran ist die Lepra, eine Krankheit, die ihn geschädigt hat, als er noch ein ganz junger Mann war. Die später noch einmal wiedergekehrte und ihn in Verzweiflung gestürzt hat. Doch der Südsudanese denkt heute noch wie damals: Sich nicht unterkriegen lassen. Als kleiner Junge betrachtete Joseph die Lepra als Fluch. Seine Eltern wussten nicht allzu viel von der Krankheit und bis sie behandelt wurde, hatte er schon Gliedmaßen verloren. Doch lernte er bald, mit den Fingern, die anders waren, als die seiner Freunde, irgendwie zurechtzukommen. Etwas später war die Seuche wieder da, schrecklich und unerbittlich. In Uganda wurde er für immer geheilt. Er blieb im Nachbarland und machte eine Ausbildung zum Krankenpfleger, um am 1. Mai 1974 zurückzukehren: Joseph Klani Cirillo hatte das Diplom des Krankenpflegers in der Tasche. „Ich war so unglaublich stolz, es meinen Eltern zeigen zu können“, sagt er.

Er erfuhr, dass in der Leprakolonie Luri Rokwe ein Posten in der Gesundheitsstation frei war. „Ich bewarb mich. Warum nicht? Schließlich gehörte ich als ehemaliger Leprakranker ja auch zu diesen Menschen.“ Er erfuhr, dass das Würzburger Hilfswerk diesen Gesundheitsposten finanziell unterstützt. „Mit der DAHW hatte ich bereits im Saint Joseph Leprosy Center in Uganda gute Erfahrungen gemacht, denn dort wurde ich geheilt.“ Er bekam den Job. Das ist nun rund 37 Jahre her, und Joseph lebt noch heute als Chef des Gesundheitspostens in Luri Rokwe, inmitten 300 anderer ehemaliger Leprapatienten. „Ich bin sehr dankbar, ich habe eine Arbeit, die es mir ermöglicht, anderen zu helfen.“ Heute ist er mehrfacher Familienvater. Zwei seiner Kinder bekamen auch Lepra, doch aufgrund von Vaters Kenntnissen wurden sie umgehend behandelt und geheilt. „Sie sehen heute sehr gut aus“, sagt er stolz.