Schrobenhausen
Zwischen Astronomie und Philosophie

Toni Hirschberger erzählt im Sonntagsforum über die Himmelsscheibe von Nebra

03.03.2019 | Stand 02.12.2020, 14:31 Uhr
Gefüllt wie lange nicht war der Spiegelsaal der Sparkasse beim Vortrag von Anton Hirschberger; Verkehrsvereinsvorsitzende Manuela Kreitmair dankte mit gutem Wein. −Foto: mbs

Schrobenhausen (mbs) Was hat es mit der "Himmelsscheibe von Nebra" auf sich? Und wie spielen die naturwissenschaftlichen Fragen der Astronomie in die Philosophie hinüber? Diesen Rätseln ging Anton Hirschberger gestern im Sonntagsforum des Verkehrsvereins nach.

Der Blick zum Sternenhimmel berührt jeden Menschen, meinte Verkehrsvereinsvorsitzende Manuela Kreitmair zur Begrüßung. Vielleicht liege darin schon die Antwort auf die Frage, warum gut hundert Besucher in den Spiegelsaal der Sparkasse gekommen waren, so viele wie lange nicht mehr.

Zum Einstieg suchte Anton Hirschberger eine kurze Legitimation, warum er mit seinem beruflichen Hintergrund als Banker und Mann der Wirtschaft sich ans Thema Himmelskörper wagt. Abgesehen von Lektüre und Interesse an der Astronomie verwies er darauf, wie das Berufsleben vielfach Entscheidungen verlangt, die ohne Bezug zu uralten Werten, niedergeschrieben in der Antike und hergeleitet aus der Lebensphilosophie und der Naturbetrachtung, nicht gerecht zu fällen seien.

Objekt des Themas ist die fast kreisrunde Scheibe von 32 Zentimetern Durchmesser aus der Bronzezeit, 2,3 Kilogramm schwer, gut 3600 Jahre alt. Gefunden wurde diese einmalige Darstellung der Himmelskörper von zwei Raubgräbern im Sommer 1999 am Fuß des Mittlebergs im Raum Nebra südlich von Halle. Seit 2007 ist die Fundstelle mit dem Museum "Arche Nebra" als Gedenkort ausgewiesen.

Doch ehe all dies möglich wurde, entwickelte sich um den Besitz der Scheibe eine regelrechte Kriminalgeschichte. Die zwei Raubgräber umgingen das Gesetz, das derartige Funde dem Land Sachsen-Anhalt zuschreibt und boten sie per Internet zum Verkauf. Über mehrere Stationen - und der Schatz war nach Gesetzeslage nichts andres als Hehlerware - konstruierten Wissenschaftler zusammen mit der Polizei einen Deal. Als die Scheibe in Basel wieder zum Verkauf stand, inszenierte ein amtlicher Lockvogel eine Kaufabsicht und sorgte dabei für den Zugriff durch die Polizei. Der Archäologe Harald Meller, der dann mit Kai Michel das Buch über die Himmelsscheibe verfasste, hatte seine ganz Kraft eingesetzt, um den unschätzbaren Gegenstand sicherzustellen, der heute dem Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle gehört.

Nun war die Frage nach der Echtheit zu klären. Mit allen Mitteln der Wissenschaft wurden die Gegenstände untersucht, die zusammen mit der Scheibe zutage gefördert wurden. Auch das Material konnte bestimmten Vorkommen zugeordnet werden. Die Interpretation der Symbole auf der Himmelsscheibe vollzog sich dann in mehreren Phasen. Was erst eindeutig als Sonne gesehen wurde, erkannten andere Experten als Mond. Auch die Bezugspunkte des Fundortes in Richtung Brocken wurden untersucht, und schließlich kam man im Planetarium Hamburg auf eine Harmonisierung von Mond- und Sonnenjahr. Wie sehr die Himmelsscheibe von Nebra die Menschen bewegt, zeigen zahllose Zuschriften mit Erklärungsversuchen und Analysen, die nach wie vor die Wissenschaftler in Halle erreichen.

In der Schlusspassage ging Hirschberger auf die Unendlichkeit des Universums ein, auf immer noch ungeklärte Rätsel und kaum fassbare Dimensionen. Er erinnerte daran, wie zu Beginn der Neuzeit sich die großen Astronomen dem bestimmenden Weltbild der katholischen Kirche beugen mussten. Weder konnte Nikolaus Kopernikus (1473 bis 1543) mit seinen Erkenntnissen durchdringen, noch war Galileo Galilei (1564 bis 1641) die Möglichkeit gegeben, seine Einsichten publik zu machen; in Lebensklugheit verzichtete er darauf, seine Lehre öffentlich zu verfechten und nahm den Hausarrest hin anstatt sich als Ketzer zu opfern. In der Betrachtung über die Himmelsscheibe von Nebra war zu ahnen, welche Beziehungen sich zwischen Wissenschaft und Glaube auftun, zwischen Astronomie und Mythologie, zwischen Geschichte und Philosophie. Auch die Raumfahrt kämpft weiter um Klärung, wie Hirschberger anhand der Voyager-Expeditionen von 1977 darstellte.