Zweite Chance

Von Johannes Greiner

13.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:46 Uhr

Jeder hat eine zweite Chance verdient, da hat Karl-Theodor zu Guttenberg wirklich recht.

Der einstige Hoffnungsträger der CSU war es wohl seinem Ego schuldig, die Scharte des harten öffentlichen Absturzes nach den Plagiatsvorwürfen und dem Verlust des Doktortitels wieder auszuwetzen. Das kann man verstehen. Und er hat sich die wissenschaftliche Rehabilitierung mit knapp 500 Seiten Text zu einem doch eher spröden historischen Thema wohl wirklich hart erarbeitet.

Jenseits dieser individuellen Vergangenheitsbewältigung bleibt aber das sehr deutsche Problem mit dem Doktortitel. Immer noch gilt der "Dr." auf der Visitenkarte als begehrtes Statussymbol, als eine Art gesellschaftliche Rangerhebung. Dabei bescheinigt eine Promotion lediglich die Fähigkeit zum selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten. Nicht mehr und nicht weniger.

Ohne diese unglückliche Doppelrolle des Doktortitels wäre die ganze Welle der Plagiatsvorwürfe, die auch Guttenberg seine politische Karriere kostete, kaum vorstellbar gewesen. Vielleicht sollten wir uns doch den entspannten Umgang mit Promotionen in den USA zum Vorbild nehmen. Dort spielen außerhalb des medizinischen Bereichs Doktortitel im Alltag keine große Rolle.