Irsching
Zwei Prozent oder 43 000 Tonnen

26.02.2010 | Stand 03.12.2020, 4:13 Uhr

Im Leitsystem können alle Funktionen des Kraftwerks im Betrieb überwacht und gesteuert werden.

Irsching (PK) Die neue Gasturbine von Siemens im Kraftwerk Irsching ist schon zum zweiten Mal ausgezeichnet worden: Nach der Anerkennung beim Wettbewerb "365 Orte im Land der Ideen" bekam sie jetzt den Innovationspreis für Klima- und Umweltschutz des Bundesumweltministeriums.

Groß war die Freude, als vor gut einem Jahr die von Siemens entwickelte Gasturbine bei dem von Bundespräsident Horst Köhler initiierten Wettbewerb "365 Orte im Land der Ideen" mit einem Preis bedacht worden war. Das Ereignis wurde sowohl vom Hersteller, der Firma Siemens, als auch vom Betreiber E.ON gebührend gefeiert. Ingo Luge, Vorsitzender der Geschäftsführung der E.ON Kraftwerke GmbH, sprach von "neuen Maßstäben in der Zukunftssicherung der Energie für Bayern".

Vor wenigen Tagen erhielt Siemens für seine innovative Technik eine weitere Auszeichnung. Die "weltweit effizienteste Gasturbine", so das Unternehmen, bekam den erstmals vergebenen Innovationspreis für Klima und Umwelt des Bundesumweltministeriums und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie in der Kategorie "Umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen". Eine zehnköpfige Jury unter dem Vorsitz des ehemaligen Bundesumweltministers Klaus Töpfer hatte die insgesamt sechs Preisträger aus 145 Bewerbungen ausgewählt. Die wissenschaftliche Bewertung erfolgte durch das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe.

"Bezahlbare Energie"

"Die Auszeichnung beweist, dass Innovationen für den Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften der richtige Weg sind", erklärte dazu Siemens-Vorstandsmitglied Barbara Kux. "So kann elektrische Energie auch in Zukunft bezahlbar angeboten werden", verspricht Michael Süß, Chef des Bereichs "Fossil Power Generation" von Siemens Energy.

Fünf Meter hoch, 13 Meter lang und 444 Tonnen schwer: Die Irschinger Gasturbine ist nach Unternehmensangaben nicht nur die größte weltweit, sondern gleichzeitig die effizienteste. Entwickelt hat sie die Siemens AG für den Einsatz in kombinierten Gas- und Dampfkraftwerken. Dort werden Gas- und Dampfturbinen kombiniert, womit sie einen größeren Wirkungsgrad als im Solobetrieb erreichen. "Hohe Wirkungsgrade sparen Brennstoff und verringern Emissionen", das ist der Grundgedanke hinter der Entwicklung der neuen Gasturbine.

Die Gasturbine für sich allein hat eine Leistung von 375 Megawatt, in Kombination mit einer angeschlossenen Dampfturbine sind 570 Megawatt möglich: eine Leistung, die dem Strombedarf von rund 3,4 Millionen Menschen entspricht, also in etwa der Einwohnerzahl Berlins. Der Wirkungsgrad von 60 Prozent übertreffe bisherige Gas- und Dampfkraftwerke um zwei Prozentpunkte, was nach Angaben von Siemens zu einer Einsparung von CO2-Emissionen von etwa 43 000 Tonnen pro Jahr führt.

Die Idee zur Riesenturbine entstand 2000, ab 2001 arbeiteten 250 Ingenieure in Erlangen, Berlin und Mühlheim sowie in den USA an der Entwicklung. 7000 Einzelteile wurden in 22 Monaten Bauzeit zusammengesetzt, 2007 war der zu 95 Prozent aus Stahl bestehende Prototyp fertig. Er hatte nicht nur ein neues Design, sondern war deutlich größer und schwerer als bisherige Modelle. Die zentralen Neuerungen sind die Steigerung der Brenngaseintrittstemperatur von 1400 auf 1500 Grad Celsius und die größere Menge des Luft-Gas-Gemisches als Brennstoff.

Temperatur bis 1500 Grad

Der kritischste Punkt bei der Neuentwicklung: Der Rotor kommt auf 3000 Umdrehungen pro Minute – hohe Fliehkräfte wirken und Temperaturen von bis zu 1500 Grad entstehen. Deshalb entwickelten die Ingenieure eine besondere Schutzschicht aus Metall und Keramik sowie eine Luftdurchströmung der innen hohlen Schaufeln, die aus einer besonders bruchfesten Nickellegierung gefertigt sind.

Der Prototyp wurde im Kraftwerk Irsching aufgebaut, der Testbetrieb begann im Dezember 2007. Während der folgenden anderthalb Jahre überwachten 3000 Sensoren und 100 per Datenleitung zugeschaltete Ingenieure Temperatur, Druck, Dehnung, Beschleunigung, Abstände, Schwingungen, Durchflussgeschwindigkeiten und Verformungen.

Nach 1500 Betriebsstunden war die Testphase im August 2009 beendet, dann begann der Umbau: Die Gasturbine wurde demontiert, um die Sensoren zu entfernen, anschließend wurde sie wieder zusammengebaut. Gleichzeitig wird die Anlage in Irsching zu einem Gas- und Dampfkraftwerk ausgebaut. Im Frühjahr 2011 wird dieses umweltfreundlichste fossil befeuerte Kraftwerk der Welt den Betrieb aufnehmen.