Dollnstein
Zwei Herzen in einer Brust

Die "Reds" oder der FC Bayern? Der in Dollnstein lebende Liverpooler John Campbell drückt heute beiden Teams die Daumen

18.02.2019 | Stand 23.09.2023, 6:00 Uhr
Die "Hall of Fame" in seiner Wohnung: Der gebürtige Liverpooler John Campbell ist heute Abend hin und her gerissen, wenn die "Reds", das Fußballteam seiner Jugend, gegen den FC Bayern München antreten. Der in Dollnstein lebende Engländer ist seit langem auch Bayern-Fan. −Foto: Richter

Dollnstein (DK) Er sieht sich durch und durch als "Roter". John Campbell, in Liverpool geboren und seit seiner Kindheit ein glühender Fan des Fußballklubs der englischen Stadt, hat die "Reds" nie aus den Augen verloren, obwohl er schon lange im Kreis Eichstätt lebt. Er ist aber zugleich FC-Bayern-Anhänger und zittert bei der heutigen Begegnung der Teams mit beiden Seiten.

"Sie betreten nun heiligen Boden", heißt es auf einem Fußabstreifer mit FC-Bayern-Wappen in der Wohnung des 58-Jährigen - die Fronten scheinen auf den ersten Blick geklärt. Doch in der Küche zeigt sich dann das ganze Dilemma, zumindest für den heutigen Abend und ein zweites Mal für das Rückspiel am 13. März: "Liverpool FC - You'll never walk alone" steht auf einem Schal an der Wand. Die Stadion-Hymne der "Reds", ein Lied wie ein Gebet und voller Gefühle: "Du wirst niemals alleine gehen", lautet die Botschaft.

John Campbell hat es unzählige Male gesungen, wenn er drüben im Stadion stand. Geboren und aufgewachsen in der Hafenstadt im Nordwesten Englands, hatte er schon als kleiner Bub die "Roten" unterstützt. "50 Pence hat damals der Eintritt gekostet, das waren noch Zeiten." Neun britische Pfund, etwas über zehn Euro, kostet es heute für Kinder. Der Vater hatte einmal versucht, seinen John zum Konkurrenzverein, den "Blues" vom FC Everton in derselben Stadt, zu konvertieren. "Er hat mir einfach ein Trikot von den ,Blauen' gekauft, aber mein Opa - selber ein überzeugter "Roter" - hat es gleich verbrannt", erzählt der 58-Jährige und lacht. Wenn es um Fußball geht, können Engländer ganz schön verbissen sein, selbst innerhalb der eigenen Familie.

John Campbell verließ seine Heimatstadt mit 16 Jahren, auf einem Schiff der Handelsmarine erlernte er den Beruf des Kochs. "Wir sind immer an den Küsten entlang geschippert, meistens rauf nach Norwegen oder runter nach Gibraltar, den Schiffsbauch voller Container." Mit 20 strandete er in Deutschland, der Liebe wegen, eine Frau aus dem Kreis Eichstätt hatte es ihm angetan. Zunächst arbeitete er aber in Reit im Winkl in einem Restaurant, bis das Paar 1984 nach Mühlheim bei Mörnsheim im Landkreis Eichstätt wechselte. Später ging die Ehe auseinander, John zog um nach Haunsfeld. "In all den Jahren habe ich meine "Reds" nie aus den Augen verloren", sagt er. "Denn das darf man nicht!"

Zugleich erwachte aber auch seine Liebe zum FC Bayern München, der Mann aus Liverpool blieb der Farbe Rot also treu. Das erste Mal hatte er die Münchner 1981 im Olympiastadion gegen seine "Reds" spielen sehen, es ging um den Europapokal der Landesmeister, wie es seinerzeit noch hieß. Damals endete es unentschieden, beide Teams hatten je ein Tor erzielt. Die Engländer kamen wegen ihres Auswärtstreffers weiter, nachdem das Hinspiel torlos ausgegangen war, und gewannen später gegen Real Madrid den Titel. "Aber trotzdem bin ich damals an den Bayern hängengeblieben."

Als dann 1999 in Dollnstein die Gründung eines FC-Bayern-Fanklubs anstand, war John Campbell von der ersten Stunde an mit dabei. Und er fand zugleich sein neues Glück, weil er bei dieser Gelegenheit seine zweite Frau Evi kennenlernte. Rasch wurden sie ein Paar, er zog bei ihr ein. "Sie ist mindestens genauso narrisch wie ich, wenn es um die Bayern geht", sagt er. Zusammen fahren sie oft zu Heimspielen der Münchner, für diesen Samstag gegen Hertha BSC haben sie bereits Karten.

Aber erst steht das Weiterkommen in der Champions League an. Und da kann der 58-Jährige seine Wurzeln nicht abschütteln, weshalb er den Fußballern aus Liverpool ein klein wenig mehr die Daumen drückt. "Das Ganze bereitet mir aber große Schmerzen", räumt er ein. Denn egal, wie es ausgeht, er wird euphorisch und gleichermaßen traurig sein.

John hatte schon bei der Auslosung geahnt, dass es so kommen würde, und tatsächlich treffen "seine" Teams nun aufeinander. "Gleich als es bekannt war, hat mein Bruder aus Liverpool angerufen, er ist ein ,Blauer", also für Everton. Er hat gelästert: Da kriegt ihr ,Reds' mal richtig die Hucke voll." John Campbell mag es nicht glauben, "dafür ist die Abwehr der Bayern im Moment zu schwach. Jürgen Klopp hat den FC Liverpool super eingestellt. Wenn er sagt, seine Spieler sollen voll draufhalten, dann geht das 3:0 für die ,Reds' aus."

Anderseits: "Liverpool muss am Sonntag gegen Manchester United ran, die Premier League ist Klopp sehr wichtig. Vielleicht lässt er doch nicht Vollgas geben." Unruhig rutscht John auf dem Stuhl herum, wenn er an heute denkt. "Spätestens mittags werde ich sehr nervös sein und Bauchweh kriegen." Am Abend will er dann mit seinen Freunden vom FC-Bayern-Fanklub Dollnstein in den Gasthof Zur Post ziehen, um das Spiel gemeinsam zu sehen. John wird sein Liverpool-Trikot tragen, klare Sache. Ob er mit seinem Tipp richtig liegt, wird sich zeigen. Aber es gibt ja auch noch ein Rückspiel.

Horst Richter