Ingolstadt
Zurück nach 66 Jahren

Die Absolventen des Abiturjahrgangs 1952 am Reuchlin-Gymnasium besuchten ihre alte Schule

13.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:54 Uhr
Ein Wiedersehen in der Frühlingssonne: Die Absolventen des Jahrgangs 1952 sind an der Entwicklung ihres damaligen humanistischen Gymnasiums ? erst seit 1965 trägt es den Namen des Humanisten Johannes Reuchlin ? sehr interessiert. −Foto: Hauch

Ingolstadt (DK) Vor 66 Jahren haben sie am Reuchlin-Gymnasium Abitur gemacht, jetzt kehrten sie für einen Vormittag an ihre alte Schule zurück: Zwölf ehemalige Gymnasiasten besuchten ihre einstige Wirkungsstätte. Bei einem Rundgang wurden viele Erinnerungen wach. Auch wenn die Schule bis auf das gelbe Hauptgebäude heute kaum mehr wiederzuerkennen ist.

Pünktlich als die Uhr 10.30 schlägt, stehen sie bereit: 12 der 31 Abiturienten des Jahrgangs 1952. Vier von ihnen haben ihre Frauen mitgebracht. Die früheren Reuchliner möchten wissen, wie sich ihr altes humanistische Gymnasium - das älteste in Ingolstadt - entwickelt hat. Empfangen von Oberstudiendirektorin Edith Philipp-Rasch, der Schulleiterin, begeben sich die rüstigen Herren auf eine Zeitreise in die Vergangenheit.

Bestanden habe die damals neunte Klasse des humanistischen Gymnasiums ausschließlich aus jungen Männern, erklärt Reinhold von Großmann, der ehemalige Klassensprecher und Organisator des Treffens. Zunächst habe sich der Jahrgang alle fünf Jahre getroffen. Erst nach dem Ruhestand der Absolventen wurde daraus dann ein Zwei-Jahres-Rhythmus. "Irgendwann haben wir gemerkt, dass wir uns wohl nicht mehr oft sehen werden, wenn wir das Treffen nur alle fünf Jahre veranstalten", so von Großmann.

Verändert hat sich die vergangenen Jahrzehnte viel. Sowohl gesellschaftlich als auch, was die Ausstattung und die Unterrichtsmaterialien des heutigen Reuchlin-Gymnasiums betrifft. Von Großmann und seine ehemaligen Klassenkameraden haben daher viele Fragen an Schulleiterin Philipp-Rasch. Vor allem, dass das Fach Altgriechisch in der heutigen Zeit immer mehr an Bedeutung verliert, finden die alten Humanisten äußerst schade. "Wir versuchen jedoch einen Spagat zwischen Tradition und dem Blick in die Zukunft herzustellen", erklärt die Oberstudiendirektorin. Immerhin hätten sich für das kommende Schuljahr zwölf zukünftige Achtklässler des Reuchlins bei ihrer Zweigwahl dazu entschieden, Altgriechisch zu lernen. Zur weiteren Auswahl stehen an der Schule ein neusprachlicher und ein naturwissenschaftlich-technologischer Zweig. Vom Fach Chemie allerdings waren die versammelten Herren nie wirklich begeistert: "Einmal wollte uns unser Lehrer einen Versuch zeigen, dabei ist dann das Gemisch explodiert. Seitdem war Chemie für uns gestorben", berichten sie. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Jahrgang 1952 keine Naturwissenschaftler hervorgebracht hat. Hans-Peter Merz, von seinen Klassenkameraden liebevoll "Hansipeter" genannt, hat schon früh seine Liebe zur Physik entdeckt. Die Besichtigung des Physik-Raums lässt ihn daher besonders in Nostalgie schwelgen.

Das Hauptgebäude des Reuchlins, das unter Denkmalschutz steht, wurde während der langen Zeit um einige Anbauten erweitert. Derzeit ziert das Gymnasium ein Anbau auf der rechten Seite, eine Pausenhalle, sowie der moderne Erweiterungsbau, welcher vor knapp sechs Jahren fertiggestellt wurde. Ein Blick in die Inneneinrichtung der Schule verrät den alten Absolventen ebenfalls: Es ist viel Zeit vergangen. In jedem Klassenzimmer findet sich ein sogenanntes Active-Board, eine Tafel, die wie ein Computer funktioniert und mit der Hand oder einem Stift zu bedienen ist. Auch sind die Kassenzimmer mit neuen Stühlen und Tischen ausgestattet - anders als im Jahre 1952, als sich die Schüler mit einer einfachen Tafel und Klappbänken aus Holz zufrieden geben mussten. Selbst an Heizungen war damals nicht zu denken. "Wenn uns im Unterricht kalt war, mussten wir den Kachelofen anmachen. Eine Heizung hatten wir hier nicht", berichtet Ernst Buchberger. "Es war vieles anders. Wir hatten auch finanziell und familiär oftmals nicht viele Möglichkeiten."

Nach seinem Abitur vor 66 Jahren glaubte Buchberger zunächst, ein Studium sei ihm aufgrund der finanziellen Situation nicht möglich. "Da habe ich das einmal nebenbei meinem Hausarzt erzählt, und der brachte mich sofort nach Erlangen. Dort sagte man mir, dass laut einem Gesetz Kinder von Kriegsgefallenen einen Anspruch auf Ausbildung haben. Das hat mir nicht einmal der Berufsberater mitgeteilt. Ich dachte zunächst, ich werde nicht studieren können." Doch immerhin 27 der 31 Abiturienten von 1952 absolvierten ein Hochschulstudium: "Es gibt keinen von uns, aus dem nichts geworden ist." Selbst eine größere Bekanntheit brachte der Jahrang hervor. Fritz Wittmann, ehemaliger CSU-Politiker und Abgeordneter im Deutschen Bundestag, war von 1994 bis 1998 Präsident des Bundes der Vertriebenen in Deutschland. "Dass man ihn in der Liste bekannter Reuchlin-Absolventen im Wikipedia-Eintrag der Schule nicht findet, ist wirklich bedauerlich", so Reinhold von Großmann.

Beendet wurde das Wiedersehen im kleinen Kreis mit einem Eintrag in das Goldene Buch des Reuchlin-Gymnasiums. "Wer unserer Schule nach so langer Zeit immer noch treu bleibt, für den ist der Eintrag ins Goldene Buch unerlässlich", beteuert Edith Philipp-Rasch und überreicht Reinhold von Goßmann das dicke Buch, das auf der Vorderseite vom aktuellen Logo der Schule geschmückt wird. Die Absolventengruppe ließ den Nachmittag später entspannt im Café Moritz am Rathausplatz ausklingen und lachte vermutlich noch lange über alte Geschichten aus der Schulzeit.

Belina Hauch