Roth
Zurück in die Regimenter

16.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:02 Uhr
Robben durch den Matsch: Reservisten sind eben auch Idealisten. −Foto: Bundeswehr

Neue Bedrohungen, neue Aufgaben: Die Bundeswehr will vor dem Hintergrund wachsender Unsicherheiten und des Personalmangels beim Heimatschutz wieder stärker auf Reservisten zurückgreifen. Morgen wird in Roth das deutschlandweit erste Landesregiment in Dienst gestellt.

Roth (DK) Mit einem Traum hat alles begonnen. "Ich träume davon, dass 2026 in jedem Bundesland ein Landesregiment mit einem charismatischen Kommandeur, einer Truppenfahne und einem Verband zwischen 800 und 2000 Reservisten zur Unterstützung von Polizei und Bundeswehr in Notlagen vorhanden ist", hat Oswin Veith, Präsident des Reservistenverbandes, im Herbst 2016 gesagt. Drei Jahre später wird Veiths Vision bereits Realität - ausgerechnet in Franken, und Bayern übernimmt bei den neuen Reservisten-Regimentern bundesweit die Vorreiterrolle: Das deutschlandweit erste Landesregiment wird am Samstag in Roth offiziell in Dienst gestellt. Im Stadtpark der mittelfränkischen Kleinstadt erhält das neue Landesregiment die eigene Fahne.

Solche Symbole sind für die Truppe keine Kleinigkeit. Genauso wichtig sind viele Ehrengäste auf der Ehrentribüne. Zu dem feierlichen Fahnenappell des bayerischen Reservisten-Regimentes wird die Bundesministerin der Verteidigung, Ursula von der Leyen (CDU), genauso wie der Ministerpräsident des Freistaates Bayern, Markus Söder (CSU), erwartet. Selbstverständlich wird bei der feierlichen Indienststellung des neuen Landesregiments auch Brigadegeneral Helmut Dotzler, Kommandeur im Landeskommando Bayern, dabei sein. Mehr Prominenz auf der Ehrentribüne geht fast nicht.

Für die Reservisten sind nicht nur die Fahne und das neue Regiment eine große Sache. Die Zeit des Däumchendrehens soll für die Reservisten der Vergangenheit angehören. Endlich bekommen sie wieder eine wirkliche Aufgabe. Danach haben sich die Ex-Soldaten seit Jahren gesehnt. Menschen robben nicht für ein noch so großzügiges Taschengeld in Tarnwesten durch den Matsch. Viele Reservisten sind Idealisten. Durch die Sparrunden und Rosskuren der letzten Haushaltsdekaden kamen sich immer mehr Reservisten immer überflüssiger in ihren Uniformen vor. Auslandseinsätze waren in, Reservisten waren out. Zuletzt hatten sich deshalb immer weniger Bundeswehr-Ausscheider bei der Reservetruppe gemeldet.

Ein Reservist will allerdings einen Grund haben, um sich die Militärstiefel für das Manöver zu schnüren anstatt mit der Familie in den Urlaub zu fliegen. Zur Lösung dieser Sinnfrage kommt erneut der "Traum" ins Spiel. Mit seiner Vision von den neuen Landesregimentern will Oswin Veith seine Kameraden über eine "emotionale Bindung" wieder stärker für die Reserve motivieren. Sogar Ungediente sollen neuerdings für die Reserve mobilisiert werden. Nach dem Motto: Wer kämpft nicht gerne für die eigene Heimatregion? Oswin Veith hat dies kürzlich in einem Interview mit seiner Verbandszeitung so formuliert: "Nach meiner Vorstellung sollten die Landesregimenter vor allem den Heimatschutz und die Landesverteidigung sicherstellen, also konkret zuständig für Katastrophenhilfe, Sicherungs-, Schutz- und Unterstützungsaufgaben sein." Mit der Idee von den neuen Landesregimentern, so das weitere Kalkül, käme Veith auch der neuen Ausrichtung der Bundeswehr entgegen, die sich im Hinblick auf wachsende Bedrohungen und bröckelnde Bündnistreue wieder stärker auf die Landesverteidigung konzentrieren will. Verteidigungspolitisch könnte Veith also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Reservisten besser bei Laune halten und die Streitkräftebasis der Bundeswehr mit erfahrenem Personal erhöhen.

Und Veith ist einer, der tatsächlich wissen könnte, wie der Hase sicherheitspolitisch läuft. Denn er ist als Oberst nicht nur vom Fach, sondern kann als CDU-Bundestagsabgeordneter im Verteidigungsausschuss den höchsten Entscheidungsträgern auf die Finger schauen und wenn nötig darauf wohl auch klopfen. Und dies in einer Zeit, da die verantwortlichen Politiker in Berlin ein Problem haben. Seit der Einführung der Freiwilligkeit beziehungsweise Abschaffung der Wehrpflicht hat die Armee ein Fachkräfteproblem. Genau diesen Personalengpass könnte der Abgeordnete aus der Wetterau mithilfe der "stillen Reserve" wenn nicht lösen, dann doch entschärfen. Nach dem Motto "Einmal Soldat, immer Soldat" will Veith die ehemaligen Soldaten mit dem "Heimat-Appell" zurück in die Regimenter bringen.

Ob der Plan funktioniert, will Verteidigungsministerin von der Leyen nun mit dem bundesweit ersten Landesregiment in Bayern in den nächsten zwei Jahren zunächst einmal testen. Die Wahl ist nicht von ungefähr auf den Freistaat gefallen, denn im Bayernland gibt es viele ehemalige Soldaten. Und außerdem wird hier die Tradition noch groß geschrieben, sich nach der aktiven Militärlaufbahn weiterhin in Soldatenvereinen und Kameradschaften zu treffen.

Veith redet etwas eleganter von den "guten strukturellen Bedingungen", die für Bayern als Vorreiter gesprochen hätte. Am Samstag nun sollen die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien (RSU) aus Ober-, Mittel- und Unterfranken im mittelfränkischen Roth im neuen Landesregiment Bayern aufgehen. Eine Vision wird tatsächlich Wirklichkeit. Logisch, dass Veith sich freut. Am Ende der Testphase freilich werden die Reservisten in den Armeestiefeln über den Erfolg des Pilotprojektes mit den Füßen abstimmen.

Nikolas Pelke