Zum Fisch gibt es Erbsen

01.07.2011 | Stand 03.12.2020, 2:40 Uhr

Der Biologe Jens Bohn beobachtet ganz genau, wie es seinen Schützlingen im Sealife-Aquarium geht. Das Futter wird vor Ort gemischt: Meeresfrüchte oder Fisch mit Erbsen aus dem Glas - Foto: Nachtmann

München (DK) Ob Haie, Meeresschildkröten oder Tintenfische wie die WM-Orakel-Krake Lola – das Sealife-Aquarium in München beherbergt knapp 8000 Tiere in 34 Süß- und Salzwasserbecken. Nun können Besucher bei speziellen Führungen auch hinter die Kulissen der Wasserwelt schauen.

Gonzales lässt sich nicht blicken – egal, wie sehr Jens Bohn auch mit den Kohlblättern im Wasser wedelt. Einige Fische hingegen stürzen sich darauf und spritzen dabei die Besucher nass. Immer wieder flitzen Ammenhaie vorbei. Doch Gonzales, die acht Jahre alte Grüne Meeresschildkröte, taucht nicht auf. Dabei haben sich die Teilnehmer zum Schluss der Backstage-Tour im Sealife-Aquarium extra in dem nach Chlor und Fisch riechenden Raum eine schmale Treppe hinaufgezwängt, um Gonzales von oben Futter in das 400 000 Liter fassende Ozeanbecken zu reichen und seinen Panzer zu berühren.

Doch nicht nur Gonzales wird bei der Backstage-Tour gefüttert, die das Sealife seit einiger Zeit für Interessierte anbietet. Auch Meereschen, Anemonen und Rochen hat Jens Bohn, biologischer Leiter im Sealife, der die Gruppe an diesem Abend herumführt, schon mit Essen versorgt und gestreichelt. Und er verrät einige Geheimnisse auf dem Weg durch die Unterwasserwelt. Zum Beispiel, wie die Aquarien geputzt werden, dass Gonzales nur von der Zuchtstation geliehen ist, weil Grüne Meeresschildkröten unter Naturschutz stehen und deshalb nicht mehr gehandelt werden dürfen, dass die Raubfische wie etwa Zander einzeln gefüttert werden, „weil die träge sind und sonst nix abkriegen würden“.

An vielen Orten können die Besucher hinter die Kulissen schauen. Immer wieder biegt Jens Bohn mit ihnen vom Weg ab und öffnet Türen, die normalerweise verschlossen bleiben. So etwa die, hinter der sich der Zugang zum Becken von Oktopus Otto befindet, durch den Bohn eine Holzstange steckt, um die er kurz mit Otto kämpft. Oder die zur Quarantäne-Station. In unterschiedlich großen Behältern tummeln sich hier kranke, neue oder zu kleine Tiere, bis sie in die großen Becken kommen, die von den Besucherräumen aus zu sehen sind.

Da schwimmen beispielsweise Haibabys in verschiedenen Entwicklungsstadien. 15 neu eingetroffene Krebse warten darauf, in das „Mittelmeerhafen“-Becken ein-ziehen zu dürfen. Zwei Wochen müssen sie in Quarantäne verbringen, bis sicher ist, dass sie keine Krankheiten haben. Manchmal landen hier auch Fische, die nicht richtig fressen. Sie werden aus den großen Becken herausgefangen und in der Quarantänestation aufgepäppelt.

So war das zum Beispiel mit den Kuhnasenrochen, wie Jens Bohn erzählt. „Das sind wahnsinnige Schisser“, sagt er. Sie lebten im Ozeanbecken, fraßen dort aber vor lauter Angst vor den Haien überhaupt nichts. Dann kamen sie in Quarantäne, wo ihnen das Futter wieder schmeckte, und nun leben sie bei den Mittelmeertieren. Dort ist es zwar fast zu kalt für sie, aber sie fühlen sich trotzdem wohler. Solche Probleme treten öfter in Aquarien auf. „Das ist immer so ein Experiment“, sagt Bohn. „Was machen Sie mit einem Fisch, wenn sie ihn in ein bestimmtes Becken nicht setzen können, aus welchem Grund auch immer . . “

Die Tour führt weiter durch das Wasserchemielabor in die Futterküche. In großen Tiefkühltruhen lagern hier raue Mengen an Fisch, Muscheln und Shrimps. Auf Regalen stehen viele, viele Gläser mit Erbsen. Zusammen mit dem kleingeschnittenem Fisch wird daraus Fischfutter. Auch das Meerwasser wird im Sealife selbst hergestellt, „nämlich aus Münchner Trinkwasser“, wie Bohn erklärt. Dazu kommt künstliches Spezialsalz für Meeresaquarien. Das wird einfach in das Leitungswasser geworfen und einen Tag lang aufgelöst. Fünf Tonnen Salz verbraucht das Sealife in drei Monaten. Die stehen auf Paletten zu je einer Tonne in dem Raum, der zu Gonzales führt.

Die Meeresschildkröte kommt nach einigen Minuten des Wartens doch noch angeschwommen und trägt ihren Teil zur Tour bei: Sie verputzt zwei Kohlköpfe, die die Besucher ihr blätterweise mit der Hand oder einer Futterzange hinhalten.