Pfaffenhofen
Zum Abschied weint nicht nur der Himmel

Pfaffenhofener Schäffler haben ausgetanzt - Nächste Saison erst wieder in sieben Jahren

05.03.2019 | Stand 25.10.2023, 10:28 Uhr
Auf Wiedersehen in sieben Jahren: Manfred Schweigard (Foto oben, rechts) und Karl-Heinz Schmid (links) zerbrechen ihre Reifen - und damit endete gestern die Schäfflersaison. Mit tosendem Applaus und Jubelrufen verabschiedeten die Pfaffenhofener, die den letzten Tanz dicht gedrängt in der Auenstraße verfolgten, die Brüder im Kranze. Dabei floss so manche Träne, denn die Schäffler kommen erst im Jahr 2026 wieder zusammen. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) "Danke, danke, danke!" Zum Abschied der Schäffler quollen gestern nicht nur die Wolken über, sondern auch die Herzen: An die tausend Pfaffenhofener waren gekommen, um den Brüdern im Kranze "Servus" zu sagen.

205 Auftritte haben die Pfaffenhofener Schäffler hinter sich. Ein Mammutprogramm: An den Tagen zwischen Unsinnigem Donnerstag und dem gestrigen Faschingsdienstag waren sie fast rund um die Uhr im Einsatz. Neun Wochen haben sie jedem Wetter getrotzt, frostigen 15 Grad minus genauso wie Schneewehen und sintflutartigem Dauerregen. Das hat Spuren hinterlassen: Viele sind heiser, manche schleppen seit Tagen eine Erkältung mit sich. "Aber wenn ich mich dann aufgerafft habe", sagt einer, "dann fällt das alles ab, dann ist da nur die Freude, anderen eine Freude machen zu können."



Und diese Mitbürger, denen sie eine Freude gemacht haben, bedankten sich gestern überschwänglich, hielten beim Abschiedstanz vor dem Haus der Begegnung selbstgemachte "Danke!"-Schilder hoch und übertönten beim allerletzten Tanz vor dem Salverbräu, der Schäffler-Herberge, mit Applaus und Jubelrufen sogar die Stadtkapelle.

Als schließlich Karl-Heinz Schmid und Manfred Schweigard ihre Reifen mit lautem Knacken auf ihren Oberschenkeln zerbrachen, da gab's kein Halten mehr: Tränen stiegen den gestandenen Männern in die Augen, den Kasperln verwischte die Schminke, die Zuschauer wischten sich die Augen.

Der eigentliche emotionale Abschied blieb den meisten Zuschauern allerdings verborgen. Der fand bereits anderthalb Stunden zuvor bei der Bäckerei Prechter an der Ingolstädter Straße statt, dem letzte Tanzbesteller dieser Saison. Reifenschwinger Schmid war aufs Fass gestiegen, hatte wie immer zwei Stamperl Schnaps graziös und verschüttungsfrei durch die Luft gewirbelt, um dann eine Rede zu halten: "Liaba Pfahofara, für mi is des as letzte Moi aufm Fassl drom, drum mächt i eich no a boor Worte sogn." Schmid bedankte sich nicht nur bei denen, "de im Hintergrund stehen und einfach obacka, statt nur zum Re'n", sondern auch bei den Tanzbestellern, die sich zumeist "eine wahnsinnige Arbeit" gemacht hätten. "Mit welcher Liebe die teilweis wos hergricht hom, konnst mit Worte fast ned song." Spätestens jetzt stieg manchem das Wasser in die Augen. Schäffler Albert Wiesbeck: "Das ist auch für mich heute der letzte Tag als Schäffler. In sieben Jahren bin ich 68, und wer weiß, wie ich dann beinander bin. Jetzt kommen einem die ganzen wunderbaren Erinnerungen hoch. Wir sind ja zusammengewachsen, auch mit der Stadtkapelle."

Den Spaß, den die Truppe mit den Musikanten hatte, haben die Pfaffenhofener kaum mitbekommen. Im Tour-Bus ging's regelmäßig hoch her, da wurde von der Stadtkapelle nicht nur der Fischerin vom Bodensee der Marsch geblasen, sondern der ganze Bus in Wallung gebracht: "Einer geht noch ...", sangen die Schäffler jauchzend, und die Busfahrerin nahm das als Ansporn, den Kreisel an der Scheyerer Straße zum siebten Mal zu umrunden.

Diese Stimmung ist es, die auch Bürgermeister Thomas Herker packt. Wie berichtet, hatte er vor sieben Jahren den Schäfflern versprochen, in dieser Saison an Faschingsdienstag als Kasperl mitzugehen. Um 8.30 Uhr wurde er gestern geschminkt, seinem Amt als Stadtoberhaupt entsprechend mit dem Pfaffenhofener Stadtwappen auf der Stirn. Und die blauen Turnschuhe mit den gelben Schnürsenkeln - gehören die auch zum Kostüm? Herker schaut an sich herunter: "Das sind meine Joggingschuhe." Die waren auch nötig, weil Herker wie der Lump am Stecken mit den anderen Kasperln ausgelassen dem Zug voran sprang und die Sammelbüchse schwang. Er bestätigt, was eigentlich offensichtlich ist: "Das ist eine ganz große Gaudi, hier mitmachen zu dürfen. Die Stimmung steckt an, man spürt, mit wie viel Freude alle dabei sind. Für mich ist das eine große Ehre."

Auf ihrem abschließenden Marsch zum Pfaffenhofener Hauptplatz trugen die Kasperl ein überdimensionales Transparent vor sich her: "Wir sagen Danke." Schäffler-Direktor Heinz Thalmeir wurde in seiner Ansprache konkret: "Vor dem gesamten Team, vom Büro bis zum Absperrdienst, ziehe ich symbolisch den Zylinder."

Zum allerletzten Schäfflertanz um 17 Uhr vorm Salverbräu warteten schon viele hundert Schaulustige: Sie drängten sich dicht an dicht in den Altstadtgassen, hinter den Fenstern in den Obergeschossen umliegender Häuser und sogar auf dem nahen Baugerüst, um bei dem dichten Gedränge zwischen Auen- und Sonnenstraße einen Blick erhaschen zu können. Und die Zuschauer ließen sich auch vom inzwischen einsetzenden Dauerregen nicht abhalten zu erleben, wie die beiden Reifenschwinger die Saison 2019 beendeten. "Ihr Brüder", sagte Manfred Schweigard und hielt die blau-weißen Reifen in den Händen, "wir haben geschwungen zu Ehren von Land und Stadt. Ich hoff', es ist uns gelungen zu eurer Freud unsre Tat. Wir haben die Kreise gezogen, wie es immer schon war, und bitt' euch, bleibt auch gewogen in Zukunft treu der Schäfflerschar. Ein letztes Mal grüß ich euch alle, die Tänze, sie sind nun vorbei, mein letztes Hoch nun erschalle, die Reifen, ich breche sie entzwei." Und Schmid und Schweigard zerbrachen die Reifen schwungvoll auf den Oberschenkeln.

"Die schöne Zeit ist nun vorbei", hatte auch Schmid zuvor auf der Ingolstädter Straße gesagt, als die Reifen noch heil waren, und an die Pfaffenhofener appelliert: "Tragt die Botschaft von uns Schäfflern im Herzen. Macht's wie die Schäffler und geht aufeinander zu und bewahrt damit uns und unsere Kultur. Lasst euch nicht einschüchtern und verschließt nicht euer Herz. Denkt nicht bloß an Kommerz. Gebt euch die Hand."

Das war dann den Schäfflern doch zu wenig: Mit Tränen in den Augen lagen sie sich in den Armen, wohl wissend: Wer weiß schon, was 2026 ist.Mehr Fotos finden Sie auf
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Albert Herchenbach