München
Zukunftsrat fordert kostenlose Kindergärten

2010 erntete das Gremium für sein erstes Gutachten Empörung, nun legen Seehofers Berater wieder einen Bericht vor

27.02.2012 | Stand 03.12.2020, 1:47 Uhr

München (DK) Vor gut einem Jahr löste der Zukunftsrat der Staatsregierung mit seinem Gutachten eine Empörungswelle aus. Das Expertengremium unter dem Unternehmensberater Herbert Henzler wolle ganze Regionen von Bayern abhängen, hieß es. Jetzt hat der Rat wieder einen Bericht vorgelegt.

In seinem Bericht schreibt der Zukunftsrat von einer „Leitlinie für die politischen Weichenstellungen der nächsten zwei Dekaden“. Bildung und Forschung, Industriepolitik, Energiewende, Gesundheitswesen – die Experten wollen zeigen, was sich tun muss, damit Bayern an der Spitze bleibt. Den neuen Bericht überreichte der Vorsitzende des Gremiums, der ehemalige Europa-Chef der Unternehmensberatung McKinsey, Herbert Henzler, gestern Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Er wird wohl deutlich weniger Wellen schlagen als das Papier vom Dezember 2010. An einigen Stellen verlangen die Fachleute von der Staatsregierung aber Kurskorrekturen.

Seehofer hatte den Zukunftsrat im Sommer 2010 berufen. Neben Henzler gehören ihm zum Beispiel der Medienunternehmer Hubert Burda, BMW-Chef Norbert Reithofer und der Präsident der Hochschule Ingolstadt, Gunter Schweiger, an. Die 22-köpfige Runde nannte Seehofer das „wichtigste Beratergremium der Bayerischen Staatsregierung“. Aber schon ein halbes Jahr später rieben ihm seine Gegner diese Formulierung genüsslich unter die Nase. Die Experten empfahlen in ihrem ersten Gutachten, die wirtschaftliche Leistungskraft Bayerns in fünf Ballungszentren zu konzentrieren.
 
Der ländliche Raum könne als Erholungsgebiet dienen. Gebiete in Oberfranken könnten sich stärker nach Sachsen, der Raum Passau nach Österreich orientieren. Vor allem dort schlug Seehofer und seinen Experten Entrüstung entgegen. Ex-CSU-Chef Erwin Huber, ein Niederbayer, nannte die Empfehlungen „haarsträubenden, großen Blödsinn“. Auch die Staatsregierung selbst distanzierte sich. „Stadt und Land gehen Hand in Hand“, gaben Seehofer und Vize-Ministerpräsident Martin Zeil (FDP) als gemeinsame Devise aus. Auch außerhalb der Kraftzentren werde weiter investiert. Die Empörung hallte allerdings auch Monate später noch nach.

Weitere vermeintliche Grausamkeiten für die bayerischen Randgebiete sind im neuen Gutachten nicht zu finden. Im Gegenteil. Schnellere Internetverbindung im ganzen Freistaat halten die Fachleute für ebenso notwendig wie eine gebührenfreie Kindergartenzeit. Beides hat die schwarz-gelbe Regierung zwar seit Jahren auf ihrer Agenda – aber beides ist eben immer noch nicht umgesetzt. Der Zukunftsrat wirbt auch dafür, mehr ausländische Fachkräfte nach Bayern zu holen. Dagegen hatte sich die CSU in den vergangenen Jahren immer wieder gesträubt.

Bei der Übergabe des Berichts gestern sagte Henzler, er hoffe, dass viele Empfehlungen des Gremiums von der Politik auch umgesetzt werden. Seehofer will die Empfehlungen zumindest sorgfältig analysieren. Dann werde man überlegen, welche Punkte davon tatsächlich Eingang in die Politik finden sollten, sagte er – „in Reinform oder auch in abgewandelter Form“.

Die Opposition sieht das neue Gutachten als Kritik an Schwarz-Gelb. „In manchen Punkten verteilen die Gutachter für die Staatsregierung geradezu schallende Ohrfeigen und attestieren den Ministerien verantwortungsloses Unterlassen von Regierungshandeln“, sagte SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher. Theresa Schopper, Landeschefin der Grünen, sagte, es müsse „ein Ruck durch Bayern gehen“. Die Staatsregierung habe „Nachhilfeunterricht in den Fächern Bildungspolitik, soziale Gerechtigkeit und Weltoffenheit bitter nötig“.