In weiten Teilen der USA sind derzeit fast alle Kultureinrichtungen geschlossen. Einige wollen bald wieder öffnen, manche 2021, wieder andere haben noch keine konkreten Pläne. Klar ist aber: Die Pandemie hat die US-Kulturlandschaft verändert - und kommt selbst ins Museum.
Ob das Art Institute in Chicago, das Getty-Museum in Los Angeles oder das Metropolitan Museum in New York, ob Orchester, Ballett-Ensembles, Musik- und Literaturfestivals, Kinos oder der berühmte New Yorker Broadway: Die Kultur in den USA liegt derzeit in der Corona-Krise in weiten Teilen brach.
Als zum Frühjahrsbeginn die Coronavirus-Pandemie heftig in die USA hinüberschwappte, mussten zahlreiche Einrichtungen landesweit nach und nach schließen. Ein großer Teil davon ist im Sommer nun immer noch geschlossen. Einige Institutionen haben schon wieder auf oder wollen in den kommenden Wochen zurückkehren, andere haben bereits angekündigt, nicht vor 2021 zu starten - und wieder andere zweifeln daran, ob sie es überhaupt jemals wieder zurückschaffen.
Im „Met Breuer“, einer Außenstelle des Metropolitan Museum in New York, hatte Anfang März gerade zu herausragenden Kritiken eine Ausstellung mit Werken des deutschen Künstlers Gerhard Richter eröffnet. Neun Tage lang war sie zu sehen, dann musste das „Met Breuer“ wegen der Corona-Pandemie schließen. „Es ist wirklich herzzerreißend, dass die Ausstellung jetzt ungesehen bleiben muss von all den Zuschauern, von denen wir gehofft hatten, dass sie eine Chance bekommen würden, sie sich anzuschauen“, sagte Met-Kuratorin Brinda Kumar.
Mit dem „Met Breuer“ schlossen auch der Hauptsitz des Metropolitan Museums am Central Park, sowie nach und nach alle anderen Museen der Stadt, während die Pandemie in der Stadt immer stärker zu wüten begann.
Wie es mit der weltberühmten Museumswelt der Millionenmetropole weitergeht, ist immer noch weitgehend unklar. Das als wegweisend geltende Metropolitan Museum hat gerade angekündigt, Ende August wieder aufmachen zu wollen - mit Kapazitätseinschränkungen, Masken-, Abstands- und Hygieneregeln. Das „Met Breuer“ im früheren Gebäude des Whitney-Museums allerdings wird nicht wieder öffnen, wegen zu hoher Kosten wird es an die nicht weit entfernte Frick Collection weitergegeben.
Die New-York Historical Society auf der anderen Seite des Central Parks kündigte an, Mitte August erstmal wieder mit einer Ausstellung unter freiem Himmel und Sonderöffnungszeiten für ältere und immungeschwächte Menschen starten zu wollen. Zahlreiche andere Museen haben sich zu ihren Wiederöffnungsplänen noch gar nicht konkret geäußert. In der automatischen E-Mail-Antwort des Museums of Modern Art (MoMA) hieß es noch Mitte Juli, das Museum sei „vorübergehend bis zum 30. März“ geschlossen.
Andere Kultureinrichtungen der Stadt haben sich bereits konkreter - und dramatischer - positioniert: Die Theater am berühmten Broadway, die Metropolitan Oper, die Philharmoniker und die Ballet-Ensembles haben bereits bis Ende des Jahres alle Auftritte abgesagt. „Unsere größte Sorge ist die Gesundheit und die Sicherheit unseres Publikums, unserer Musiker und unserer Angestellten“, sagte die Präsidentin der Philharmoniker, Deborah Borda.
Alle diese Institutionen, die sich wie die meisten Kultureinrichtungen in den USA hauptsächlich von Spenden und Eintrittsgeldern und nur zu einem sehr geringen Teil durch städtische oder föderale Zuwendungen finanzieren, gehen von Verlusten im hohen Millionenbereich aus und haben bereits Mitarbeiter entlassen oder freigestellt. „Es ist eine sehr schwierige Zeit“, sagte Peter Gelb, Direktor der Metropolitan Oper.
An der Westküste sieht die Situation ähnlich aus. In der Film- und Musikbranche mussten Drehs unterbrochen, Kinostarts verschoben und zahlreiche Preisverleihungen abgesagt oder verschoben werden. Das hat auch schon Auswirkungen auf 2021: Die Oscars beispielsweise sollen im kommenden Jahr erst im April stattfinden. Die lange geplante Eröffnung des neuen „Oscar“-Museums ist ebenfalls betroffen - statt Dezember 2020 ist nun der 30. April 2021 geplant.
Museen hatten in Kalifornien erst wieder öffnen dürfen, wurden dann aber aufgrund steigender Coronavirus-Neuinfektionen wieder zum Schließen aufgefordert. In anderen Teilen des Landes, beispielsweise in den Bundesstaaten Texas, Ohio, Florida oder Kansas, sind viele Museen, oft mit umfangreichen Abstands- und Hygieneregeln, wieder geöffnet, oder planen bald wieder zu öffnen. Angesichts steigender Infektionszahlen in großen Teilen des Landes bewerten das aber auch viele Experten kritisch.
Unterdessen sehen viele Kuratoren die Ereignisse vor den Türen ihrer Einrichtungen bereits jetzt als museumswürdig: Eine Pandemie mit all ihren Auswirkungen, zeitgleich mit landesweiten Protesten gegen Polizeibrutalität und Rassismus. Sie haben damit begonnen, Erinnerungsstücke zu sammeln - Masken, Poster, Ton- und Videoaufnahmen. „Ich denke, es ist ein Projekt der nationalen Abrechnung“, sagte Anthea Hartig, Direktorin des Smithsonian's National Museum of American History in Washington, der „New York Times“. „Es gibt so viele Arten, auf die wir das dokumentieren und verstehen - und der Geschichte dienen müssen. Das ist eine unserer wichtigsten Berufungen.“
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