Ingolstadt
Zuagroast, Doppelsticke und zum Schluss Hardcore

Erste Bierverkostung im Rahmen der Veranstaltungen zum Jubiläum des Reinheitsgebots mit Sommelier Norbert Schmidl

15.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:57 Uhr |

Mit allen Sinnen prüft Sommelier Norbert Schmidl bei einer Verkostung ein Bier. Kenner trinken gute Biere deshalb nur im Glas. Nur so können sich die Aromen entfalten. - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Biersommeliers sind freundliche Menschen. Sie vermeiden Ausdrücke wie lätschert, greislich oder "Des konnst ned saufa", wenn sie ihr kulturgeschichtlich wichtiges Werk vollbringen. Stattdessen verwenden sie Begriffe wie Körper, Struktur, Rezenz (Eindruck der Frische) und viele andere mehr, um Bier in allen seinen Facetten zu beschreiben.

Und davon gibt es unzählige, wie die Teilnehmer der ersten von insgesamt vier Bierverkostungen im Rahmen der Jubelfeiern zum Reinheitsgebot erfuhren. DK-Redakteur und Biersommelier Norbert Schmidl hatte den Hopfen zum Schwerpunkt erkoren und neun Biersorten ausgewählt.

Er sei jetzt aufgestiegen in die hohe Kunst, freut sich Schmidl, wird die Verkostung im Kamerariat von klassischer Musik begleitet. Doch zunächst geht es um die richtige Technik. Denn auch eine Bierverkostung für Laien (Profis steigen da noch viel tiefer ein) will gelernt sein. "Es gibt hier kein Richtig und kein Falsch", betont Schmidl: Wenn einer hinterher sage, dass ihm alles geschmeckt hat, dann habe er als Sommelier etwas falsch gemacht. Vielmehr wolle er an ausgewählten Bieren zeigen, wie groß die Vielfalt ist.

Weil beim Bier der Eindruck der Frische wichtig ist, wird es im Gegensatz zum Wein nicht wieder ausgespuckt, sondern getrunken. Man füllt jeweils rund einen Zehntelliter in ein Weinglas, da sich dort die Aromen schön entfalten. Der Bierverkoster betrachtet zunächst die Farbe, riecht dann mehrmals und probiert schließlich einen Schluck.

"Mein größtes Problem ist das erste Bier bei jeder Verkostung", räumt Schmidl zu Beginn ein. Er hatte sich für ein ganz normales Jever entschieden, wie es auch im Handel erhältlich ist. An diesem hopfenbetonten Referenzbier können die Teilnehmer ihre ersten Schritte in Richtung Geschmackstest unternehmen, was recht schnell passiert: Bitter, metallisch oder grasig sind die ersten Eindrücke der Laientester.

Schmidl steigt an diesem Beispiel auch gleich in das Thema der Bittereinheiten ein. Wie er betont, bedeuten höhere Werte nicht unbedingt, dass ein Bier deswegen auch bitterer ist. Zahlreiche Faktoren bestimmen den Geschmack, wie die Teilnehmer im Laufe des zweistündigen Abends auch erfahren, dass es zahlreiche Hopfensorten gibt, darunter Züchtungen, die nach Melonen, Zitrusfrüchten oder Beeren schmecken - aber alles im Rahmen des Reinheitsgebots.

Beim zweiten Bier, einem Session Pale Ale aus Landau an der Isar, entwickelt sich bereits eine rege Diskussion über Biersorten, persönliche Vorlieben, die Unterschiede von Fass und Flasche, Temperatur, Jahreszeiten oder die Umstände, unter denen man Bier trinkt. Session bedeutet eine leichte Version des jeweiligen Biertyps, in diesem Fall noch hopfengestopft, also nach dem Brauen mit einer Hopfengabe versehen, was es zu einem idealen Getränk an einem Sommertag werden lässt. Beim dritten Bier überrascht Schmidl die Teilnehmer mit einer ausgemachten Spezialität von Trumer, einem Pilsbock aus Österreich. Und das soll nicht die einzige Überraschung bleiben, wie das Beispiel von "Zuagroast" der Brauerei Urban Chestnut aus Wolnzach zeigt.

Später geht es in das Reich der starken und ganz starken Sorten, die man wirklich nur in kleinen Dosen genießen kann. Darunter sind viele IPAs, also India Pale Ales. Der Name leitet sich von Bieren ab, die die Engländer einst nach Indien exportiert und aus Gründen der Haltbarkeit mit gehörigen Dosen Alkohol und Hopfen versehen haben sollen: eines aus dem Haus Batzenbräu in Südtirol, das doppelte IPA mit dem schönen Namen "Fuchs Teufelswuid" von Hoppebräu aus Waakirchen, das etwas gewöhnungsbedürftige Doppelsticke der Düsseldorfer Brauerei Uerige und nicht zuletzt das IPA mit dem bezeichnenden Namen Hardcore aus Schottland, das es auf sagenhafte 150 Bittereinheiten bringt und - man muss schon sagen trotzdem - erstaunlich gut schmeckt. Zum Vergleich: Ein normales Jever hat rund 35 Bittereinheiten.

Wer auf den Geschmack gekommen ist, kann am 28. April bei der zweiten Verkostung mitmachen. Dann steht das Malz im Vordergrund, es geht also mehr in Richtung Dunkles und Co.

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