Kuriositäten im Sport
Zu früh gefreut

Radprofi Zabel bejubelt 2004 den Sieg bei Mailand-Sanremo – und muss Freire auf dem Zielstrich noch passieren lassen

13.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:32 Uhr
Der Falsche jubelt: Erik Zabel (rechts) wähnt sich 2004 bei Mailand-Sanremo schon als Sieger, der Spanier Oscar Freire (links) entreißt dem gebürtigen Berliner aber noch den Triumph. −Foto: Foto: Bernd Thissen (dpa)

Wer sich zu früh freut, den bestraft das Leben: Diese Erfahrung muss der ehemalige Radprofi Erik Zabel 2004 beim Frühjahrsklassiker Mailand-Sanremo machen. Der einstige Top-Sprinter verpasst um wenige Millimeter seinen fünften Triumph auf der legendären „La Classicissima“ – weil er sich einen Anfängerfehler leistet.

Das fast 300 Kilometer lange Eintagesrennen im Norden Italiens zählt zu den bekanntesten Rad-Klassikern der Welt, ist ein Teil der fünf Monumente des Radsports und bietet den Top-Sprintern aufgrund seines Streckenprofils die besten Siegchancen bei einem der Frühjahrsrennen. Das weiß auch Zabel. Bereits 1997, 1998, 2000 und 2001 überfuhr der gebürtige Berliner den Zielstrich auf der Via Roma als Erster. 

Auch an jenem 20. März 2004 wähnt sich Zabel, der einige Jahre nach seinem Karriereende eine umfassende Doping-Beichte ablegt, als Sieger. Im Massenspurt düpiert er den haushohen Favoriten Alessandro Petacchi, überholt den Italiener aus dessen Windschatten und rast mit ausgestreckten Armen über die Ziellinie. Doch mitten im Freudentaumel sieht der Radprofi im rechten Augenwinkel, wie sich Oscar Freire mit krummem Buckel und ausgestreckten Armen lang und länger macht. Nach dem „Tigersprung“ des Spaniers korrigiert das Zielfoto das Ergebnis: Freire entreißt Zabel den sicher geglaubten Sieg um weniger als eine halbe Vorderradlänge. 

„Soll ich weinen oder lachen?“, versucht Zabel nach über sieben Stunden im Sattel seine Emotionen einzuordnen. Der „Kaiser von Sanremo“, wie ihn die italienische Sportzeitung „Gazzetta dello Sport“ betitelt, sei sich so sicher gewesen. „Aber quasi auf der Linie kommt dieser Schatten rechts an mir vorbei. Wenn ich in vernünftiger Rennhaltung über die Ziellinie fahre und einen ordentlichen Tigersprung hinlege, dann hätte ich gewonnen“, ergänzt der damalige Weltranglisten-Erste kleinlaut – und bekommt gleich noch eine Belehrung mit. „Du hast erst gewonnen, wenn du über die Ziellinie bist“, frotzelt Petacchi. Oder anders gesagt: Wer sich zu früh freut, den bestraft das Leben. 

 

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Aufgrund der Corona-Pandemie wird die Welt aktuell  von negativen Nachrichten überschüttet. Wir blicken deshalb in unserer Serie auf Geschichten zum Schmunzeln oder Kuriositäten aus der Welt des Sports.

Julian Schultz