Geisenfeld
Zu Ehren einer "wundertätigen" Christusfigur

<DK-XY_trifft>SAKRALE KLEINODIEN: </DK-XY_trifft>Die Parleitener Kapelle aus dem Jahr 1884 hat ein ganz besondere Entstehungsgeschichte

26.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:41 Uhr
Reich geschmückt präsentiert sich der Altarraum der Parleitener Kapelle. −Foto: Zurek

Parleiten - Kaum eine Kapelle in der Großgemeinde Geisenfeld hat so eine spannende Geschichte wie jene in Parleiten. Das Kirchlein hat seinen Ursprung in einer angeblich wundertätigen - und heute leider verschollenen - Christusfigur, zu deren Ehren die Dorfversammlung 1883 beschloss, eine größere Kapelle zu bauen.

Den Auftrag zur Planung der Kapelle erhielt Baumeister Wieser aus Kelheim, und im Mai 1884 war das Kirchlein, das der "Unbefleckten Gottesmutter Maria" geweiht ist "zur Bewunderung aller Vorübergehenden hergestellt", so ein damaliger Berichterstatter voller Begeisterung.

Mit Schreiben vom 5. August 1981 hat das Bayerische Amt für Denkmalpflege die Marienkapelle in die Liste der Baudenkmäler aufgenommen. Konkret handelt es sich in Parleiten um einen neugotischen Bau mit eingezogenem, beidseitig geschlossenem Chor, dessen Fassadenturm mit Spitzhelm sich elegant in den Himmel reckt.

Wer durch den getrennten Eingangsbereich in den Innenraum tritt, den überrascht die reiche neugotische Ausstattung. Die Autoren des Bildbandes "Denkmäler in Bayern" lenken den Blick auf die Schnitzaltäre, die der Münchner Architekt und Kirchenausstatter des Historismus, Josef Elsner, gefertigt hat. Ihm hat Geisenfeld auch den Umbau und die Ausstattung der St.Vitus-Kirche in Geisenfeldwinden zu verdanken. Im Vorraum findet sich ein bäuerlicher Barock-Kruzifixus mit Schmerzhafter Gottesmutter.

Was im Altarraum leider fehlt, ist die angeblich wundertätige Christusfigur, die Darstellung des "Heiland in der Rast" (auch "Geißelchristus" genannt), die den Bau der Kapelle ausgelöst hat und die heute verschollen ist. Ein Beitrag aus dem Staatsarchiv München beschreibt die Figur als "fünf bis sechs Zoll groß" und "ziemlich künstlich von Wachs gemacht". Die Figur habe menschliche Kopfhaare, auf dem Haupt eine kleine Dornenkrone und einen feinen wollenen Bart".

Der Überlieferung gemäß soll die Skulptur einst einer Nonne des Benediktinerinnenklosters zu Geisenfeld gehört haben. Anlässlich der Säkularisierung wurde sie wohl 1803 in das Haus des Geisenfelder Maurers André Dietrich gebracht, wo sie laut Bericht "10 bis 12 Jahre" in einem Kasterl lag. Bis Max Altmann ihr Schicksal wendet. Seines Zeichens "behauster Zimmermann zu Parleiten" hat er eine Vorliebe für Heiligenfiguren.

Er drängt Dietrich offenbar zur Herausgabe der Christusfigur und verbringt diese 1816 in das damalige, nicht mehr vorhandene Parleitener Gotteshaus - von dem leider heute niemand mehr weiß, wo es stand und wie es aussah. Altmann will "alsbald" bemerkt haben, dass die Kopf- und Barthaare der Skulptur wachsen und dass die Kopfhaare Blut schwitzen. Diese Kunde verbreitet sich schnell, und der "wundertätige Christus" lockt dem Vernehmen nach zahlreiche Pilger aus der Region nach Parleiten. Wallfahrer sollen sogar reichlich Bares in den verschlossenen Opferstock am Eingang der Kapelle gelegt haben. Regierung und Landgericht Pfaffenhofen ordneten das Ganze aber als "Aberglauben" ein und sorgten dafür, dass die Wachsfigur an die Pfarrkirche zu Geisenfeld übergeben und in der dortigen Sakristei verwahrt wurde. Was laut Bericht "Weinen und Schluchzen" in der Parleitener Bevölkerung auslöst.

Just ins Jahr 1816 fiel auch der Wunsch der Parleitener, eine eigenständige Pfarrei zu werden und der Plan, eine größere Kapelle zu bauen - ob vor oder nach dem Beginn der "Wunder", darüber lassen die Quellen kein Urteil zu. Offiziell begründet hatten die Gläubigen ihren Antrag damit, dass Geisenfeld als Pfarrort "zu entlegen" sei. Bei Hochwasser sei die Zufahrt sehr erschwert beziehungsweise gar nicht möglich, hieß es. Ein Argument, das zum Bedauern der Parleitener nicht zog. Am 16. November kam ein klares Nein vom zuständigen Bischöflichen Ordinariat in Regensburg.

Der Glaube an die Wunderkraft des Geißelchristus blieb indes auch in Geisenfeld noch bis weit in die 1820er Jahre hinein lebendig, wovon Votivtafeln Zeugnis ablegen. Die Parleitener forderten ihre Skulptur deshalb zurück. Aus der Geisenfelder Pfarrei soll sie wieder zurückgegeben worden sein - in Parleiten sucht man sie jedoch vergebens. Während der Verbleib der Figur noch immer Rätsel aufgibt, wurde 1884 der Plan zum Bau der stattlicheren Kapelle Jahrzehnte später tatsächlich verwirklicht. Das Grundstück dafür stellte 1883 der Mayerbauer Johann Finkenzeller zur Verfügung.

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