Neuburg
Zu Besuch im Tierhotel Mama

Margit Schuhmann und Andreas Kopernik kümmern sich ehrenamtlich um Wildvögel

14.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:24 Uhr
Ein junger, etwa zwei Wochen alter Spatz hat alle ein bis zwei Stunden Hunger - und wird gefüttert. −Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Wenn Margit Schuhmann und Andreas Kopernik gemeinsam wegfahren wollen, dann haben sie nicht selten im Auto ein oder mehrere gefiederte Pflegekinder dabei, die im Stundentakt gefüttert werden wollen. Die beiden Neuburger päppeln in Kooperation mit der Tierhilfe Jonathan verletzte Wildvögel auf.


Auch zu Hause klingelt regelmäßig der Wecker, um an die nächste Fütterungsrunde zu erinnern. Den Wintergarten bevölkern in schöner Regelmäßigkeit Waldkäuze, Schleiereulen, Waldohreulen, verletzte Reiher, verirrte Hochzeitstauben oder junge Spatzen. "Wir brauchen keinen Fernseher", sagt Kopernik augenzwinkernd mit Blick auf Voliere und Käfige sowie die Videoüberwachung der Außenvoliere. Er hat den größten Spaß dran, den Vögel zuzusehen. Es gibt immer etwas zu schauen - ob sich junge Schleiereulen gegenseitig putzen oder ein Marder die Außenvoliere umschleicht. Die ist natürlich mardersicher abgedichtet, so dass kein Raubtier hineinkommt.

Vergangenes Jahr haben Schuhmann und Kopernik ihren Sachkundenachweis für Vögel gemacht und seitdem bekommen sie überwiegend größere Vögel in Pflege. Gebracht werden sie ihnen über die Tierhilfe Jonathan, von Tierärzten, Feuerwehr und Polizei, oder auch von Privatpersonen. "Es macht Spaß, vor allem, wenn man Erfolg hat", sagt Kopernik. Andererseits tue es natürlich weh, wenn ein Vogel stirbt. "Mit der Zeit gewöhnt man sich daran - manche kann man einfach nicht retten", sagt der 69-Jährige. 2018 hat das Paar 76 Prozent, 2017 70 Prozent seiner Pflegekinder durchgebracht, trotz einiger sehr junger Vogelbabys, die "die Statistik durcheinanderbringen", wie Kopernik sagt, denn ihre Chancen sind schlechter.

Angefangen mit dem ungewöhnlichen Hobby hatte seine Frau Elfi schon lange bevor Günther Neuner vor zehn Jahren auf die Idee kam, die Tierhilfe Jonathan zu gründen. "Als meine Frau vor neun Jahren starb, habe ich dann weitergemacht", erzählt Kopernik. Vor zwei Jahren nahm er sich vor, den Sachkundenachweis zu machen, zumal der Verein bis dahin nur eine einzige Frau mit Sachkundenachweis hatte. Ein Jahr lang haben Schuhmann und Kopernik für die Prüfung gebüffelt. "Margit musste mitmachen, denn wenn man älter wird, tut man sich allein nicht so leicht mit dem Lernen", sagt er verschmitzt lächelnd. Die bestandene Prüfung war dann eine gelungene Überraschung für die Vereinskollegen. Auch heute noch stehen die beiden in ständigem Kontakt mit der zuständigen Abteilung im Landratsamt, weil viele der Patienten meldepflichtig sind.

"Als ich hier einzog, hatte Andreas einen Bussard in Pflege und fing an, eine Maus zu zerteilen", erzählt Margit Schuhmann lachend von ihrem ersten Pflegevogelkontakt. "Da fragte ich mich schon, wo ich hier hingeraten war. " Zwar hatte er ihr schon mehrfach von seinem Hobby erzählt, zugesehen hatte sie jedoch noch nicht beim Füttern. Heute macht es ihr schon lange nichts mehr aus, selber tiefgefrorene weiße Mäuse in mundgerechte Stücke für die Vögel zu zerschneiden. Holen muss sich der Vogel sein Futter natürlich selber, denn es gilt das Credo, die Vögel so wenig wie möglich zu verwöhnen. Also wird ihnen das Futter geduldig mit der Pinzette hingehalten. "Da sitzt du manchmal", erzählt Schuhmann, "und sitzt, und sitzt?. ". Was sie der Kindergruppe des Bunds Naturschutz aus Nassenfels (Kreis Eichstätt) gerne mit dem Raufußkauz demonstriert, der seit mehr als zwei Jahren Dauergast ist - natürlich mit Genehmigung des Landratsamtes, da er sehr schwer verletzt war und nicht mehr ausgewildert werden kann. Weil er so regungslos in seinem Käfig sitzt, halten ihn die Kinder glatt "für ein Kuscheltier", was er aber keineswegs ist. "Mit unserem Reiher hätte man schmusen können, solange er krank war", erzählt Kopernik, später jedoch nicht mehr.

Nach dem größten Erfolg gefragt, erzählt das Paar von zwei Schleiereulen, die ihnen im August 2017 als winzige, wenige Wochen alte Knäuel gebracht worden waren. "Bis wir sie im November ausgewildert haben, bekamen wir die ganze Entwicklung mit", schwärmt Schuhmann. Der zuständige Revierförster beobachtet die beiden heute noch manchmal auf der Jagd in Karlshuld. "Zum Auswildern mussten wir Handschuhe tragen und sie mit dem Kescher aus der Voliere fangen", erzählt Kopernik. Die Vögel wieder vom Menschen zu entwöhnen, ihnen die Zutraulichkeit Menschen gegenüber wieder abzutrainieren, ehe sie ausgewildert werden, das ist die größte Aufgabe für die Vogelpflegeeltern. Zu Trainingsflügen werden Raubvögel mit Hilfe von Futter animiert. Den typischen Sprung der Schleiereulen aber kann ihnen kein Mensch beibringen. "Das ist Instinkt", sagt Schuhmann.

Weil sie nie wissen, welche Vögel demnächst aufschlagen, möglicherweise noch am Wochenende, sind die Futtervorräte breit ausgerichtet. Eine extra Gefriertruhe enthält alles, was die Tiere brauchen - vom Eintagsküken für die Greifvögel über Mäuse für Käuze bis zu Heimchen für Schwalben sowie jede Menge Körner aller Arten für Körnerfresser und Früchte, Weichtiere und Insekten für sogenannte Weichfresser.

Unterstützt wird die Vogelpflegestation nicht nur von einer ortsansässigen Tierarztpraxis, sondern auch von den Neuburger Fischern, die für Eisvögel gerne kleine Fische vorbeibringen. Fischreiher sind allerdings weniger beliebt. Kein Wunder, denn ein Fischreiher vertilgt etwa 30 zwölf bis 15 Zentimeter lange Fische pro Tag. So kommen schnell große Futterkosten zusammen, der Fischreiher allein vertilgte in drei Wochen Fische für etwa 45 Euro - auch ein Grund, die Vögel so schnell wie möglich auszuwildern. Der Fischreiher sah das allerdings anders. Beim ersten Auswilderungsversuch ging er lediglich ein wenig spazieren, flog aber nicht fort, daher durfte er noch einmal eine Woche in der Voliere verbringen. Beim zweiten Versuch entschloss er sich dann, "das Hotel Mama zu verlassen", wie Schuhmann scherzhaft anmerkt.

Andrea Hammerl