Pförring
Zu Besuch bei einer Europameisterin

Lorena Brandl aus Pförring betreibt seit acht Jahren Taekwondo und feierte jüngst den größten Erfolg ihrer Karriere

07.12.2015 | Stand 02.12.2020, 20:27 Uhr

1,86 Meter geballte Energie: Lorena Brandl aus Pförring zeigt stolz ihre Goldmedaille, die sie vor zweieinhalb Wochen bei der U 21-Europameisterschaft in Bukarest gewann - Foto: Kostudis

Pförring (DK) Vor zweieinhalb Wochen gewann die Pförringerin Lorena Brandl in Bukarest Gold bei der U 21-Europameisterschaft im Taekwondo. Der Titel ist ihr bislang größter Erfolg – doch die 18-Jährige hat sich bereits die nächsten Ziele gesetzt.

Die Schrift auf dem großen Pappschild ist schon ein wenig verblichen, aber noch lesbar. „Herzlich willkommen, U 21-Europameisterin!“, steht darauf in bunten Buchstaben geschrieben. Das Schild hängt am Gartentor eines Hauses in Pförring. Hier lebt Lorena Brandl – die aktuell wohl prominenteste Einwohnerin der Gemeinde im Landkreis Eichstätt.

Vor zweieinhalb Wochen erkämpfte sich die 18-Jährige in der rumänischen Hauptstadt Bukarest sensationell Gold bei der U 21-Europameisterschaft im Taekwondo – und kann sich seitdem vor Glückwünschen, Anrufen und Medienanfragen kaum retten. „Als ich nach Hause kam, standen 40 Freunde auf der Terrasse und haben mir zugejubelt. Das war schon Wahnsinn“, erinnert sich Brandl.

Dabei brauchte die junge Pförringerin zunächst einige Zeit, um ihren Erfolg überhaupt zu realisieren. „Ich bin am Morgen nach dem Kampf aufgewacht und habe die Medaille neben dem Bett liegen sehen. Da habe ich erst begriffen, dass ich wirklich Europameisterin bin.“ Unmittelbar nach ihrem Finale bei der Europameisterschaft war das noch anders. Wenige Augenblicke nach dem Schlussgong seien Mannschaftskameraden und Trainer auf sie zugestürmt. „Irgendwer hat mir eine Deutschland-Fahne in die Hand gedrückt und gesagt, dass ich auf die Ehrenrunde muss. Aber ich konnte das gar nicht, ich brauchte erst mal einen Moment Ruhe“, erinnert sich die 18-Jährige.

Ihre Leidenschaft für den anspruchsvollen Kampfsport entdeckte Lorena Brandl vor acht Jahren. Mit einigen Freundinnen fuhr sie damals ins benachbarte Mindelstetten, um erste Gehversuche im Taekwondo zu wagen. Die wesentliche Motivation für die Mädchen war dabei, sich Methoden zur Selbstverteidigung anzueignen. „Wir kamen an und sahen in der Halle ausschließlich Jungs in Schutzanzügen. Das war schon eine komische Situation. Wir durften dann beim Aufwärmen mitmachen, aber das war noch nicht so ganz, was wir uns vorgestellt hatten“, berichtet Brandl lachend.

Während ihre Freundinnen eine nach der anderen dem Sport wieder den Rücken kehrten, blieb Lorena Brandl dabei – und machte schnell große Fortschritte. Dabei profitierte sie auch von ihrer Körpergröße: Mit stolzen 1,86 Meter ist die Pförringerin vielen Gegnerinnen in der Reichweite überlegen. Das zeigte sich schnell auch bei den Resultaten: Im Jahr 2012 wurde sie Bayerische Meisterin, im Jahr darauf errang sie dann den Titel bei den Deutschen Meisterschaften. Seit drei Jahren wird sie von ihren Trainern Bernhard Bruckbauer und Florian Knödl betreut und kämpft für das Team Tiger And Dragon, welches vor vier Jahren aus der Fusion der Taekwondo-Abteilungen des TSV Altmannstein und des FC Mindelstetten hervorging.

Dass sie bei der Europameisterschaft kämpfen würde, erfuhr Brandl allerdings erst drei Wochen vor dem Turnier von Junioren-Bundestrainer Marco Scheiterbauer. Es folgte ein mehrtägiger Bundeskaderlehrgang – und dann stieg Brandl in Frankfurt auch schon in den Flieger.

In Bukarest angekommen, musste sich die 18-Jährige zunächst aber gedulden. „Ich sollte erst am letzten Tag der EM kämpfen. Die Warterei war schon ein bisschen nervig.“ Tagelang feuerte die Pförringerin ihre Teamkollegen in der Halle an. Als sie dann endlich selbst auf die Matte musste, war von Aufregung keine Spur. „Ich war einfach nur unglaublich erleichtert, dass ich endlich kämpfen darf“, erinnert sich die 18-Jährige.

Ihr gelang ein Traumstart ins Turnier, im ersten Kampf dominierte sie ihre Gegnerin. Dann allerdings musste die Pförringerin in zwei engen Kämpfen – unter anderem gegen die Weltranglistenachte, Aleksandra Kowalczuk aus Polen – alles geben, um den Titel zu holen. Ihre Eltern Karin und Dieter fieberten im heimischen Pförring mit. Über das Handy wurden beide von Brandls Teamkollegen über die aktuellen Stände informiert. „Da fühlte sich eine Minute manchmal wie eine Stunde an“, sagt Dieter Brandl. Dann erhielten die Eltern die frohe Nachricht. „Unglaublich stolz“ sind sie nun auf ihre Lorena, an deren Erfolg sie natürlich großen Anteil haben: Jahrelang fuhren sie ihre Tochter mehrmals die Woche mit dem Auto zum Training. „Ohne meine Eltern wäre ich nie so weit gekommen. Aber auch meinem Arbeitgeber verdanke ich viel. Mit 30 Tagen Jahresurlaub könnte ich nie auf alle Turniere fahren.“ Brandl, die bereits bei Wettkämpfen in Belgien, Schweden und sogar den USA kämpfte, absolviert derzeit eine Ausbildung beim Automobilzulieferer SMP.

An den emotionalen Moment, an dem sie ihre Medaille bekam, erinnert sich Lorena Brandl gern zurück. „Alle Leute in der Halle haben gestanden, dann wurde die Nationalhymne gespielt, es war ohrenbetäubend laut. Und dann kamen die Tränen.“

Mittlerweile ist das Leben für die 18-Jährige wieder etwas unspektakulärer geworden. Dennoch hat sich die Pförringerin schon die nächsten Ziele gesteckt. „Nach meiner Ausbildung möchte ich Sportsoldatin werden und dann 2020 zu Olympia nach Rio fahren.“