Ingolstadt
Zivildienst nach Wunsch

25.01.2010 | Stand 03.12.2020, 4:18 Uhr

Fußball-Schule in Aktion: Andreas Hoffer steht selbst für die zweite Mannschaft des FC Ingolstadt 04 im Tor und kann seinen Ersatzdienst gleich im Verein ableisten. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Auch wenn es viele nicht wissen: Seit fast einem Jahrzehnt können junge Menschen ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) auch im Sport und als Ersatz für den Zivildienst ableisten. Das Sport-FSJ wird immer besser angenommen, jedoch auf bescheidenem Niveau. In Ingolstadt gibt es vier Plätze.

Daniel Harnest ist ein Extremfall. Der 20-Jährige aus Abensberg war vor gut einem Jahr schon auf halbem Weg auf hohe See. Er hatte sich als Offizier bei der Marine für zwölf Jahre verpflichten wollen. Doch dann erfuhr er zwei Monate vor der Einziehung vom Kletter-Abteilungsleiter seines Heimatvereins vom Sport-FSJ und änderte seine Zukunftspläne komplett. Statt eine Uniform zu tragen, leistet er jetzt seinen Ersatzdienst im Kletterzentrum der Ringseer Alpinisten.

"Es macht super viel Spaß", sagt Harnest über die Arbeit. "Ich bin der erste, der kommt und der letzte, der geht. Ich kletter’ einfach selbst unglaublich gerne. Das passt perfekt."

Dabei hat er natürlich einen geregelten Arbeitsplan. Er ist zwar eine Art Hausmeister und schraubt und entwirft Kletterrouten. Hauptsächlich gibt Harnest aber Kurse. "Ich kann mich jetzt sogar Kletterprofi nennen, weil ich mein Geld hier damit verdiene", scherzt der 20-Jährige. 300 Euro Taschengeld bekommen die Sport-FSJler im Monat.

Alle profitieren, sagt Stefan Moser, der Vorsitzende der Alpenvereinssektion, die zum ersten Mal einen Sport-FSJler hat. Der Verein kann mit Harnest vermehrt Kurse für Firmen und Schulen anbieten. Gerade am Vormittag wird so eine Lücke geschlossen. "Diese Aktivitäten gebe es sonst nicht. Wir könnten das wirtschaftlich mit Ehrenamtlichen nicht leisten", sagt Moser.

Auch wenn der Verein den FSJler zahlen muss und zudem an den Programmträger, die Bayerische Sportjugend im Landessportverband, eine Verwaltungsgebühr überweist, "werden wir es auf alle Fälle weitermachen", sagt Moser. Neben der Alpenvereinssektion bieten im Stadtgebiet nur der SC Delphin, Polizei SV und der FC 04 eine Stelle für das kommende Jahr an.

"Ich hatte das nicht gewusst, dass man das FSJ auch im Sport machen kann", gesteht Daniel Harnest. "Das ist einfach ein Traum für einen Zivildienstleistenden." Genauso begeistert klingt Andreas Hoffer, der ebenfalls einen Platz für ein Sport-FSJ ergattert hat. Der 20-Jährige ist beim FC Ingolstadt, bei dem er auch in der zweiten Mannschaft im Tor steht. "Das passt einfach perfekt", sagt Hoffer, der ebenfalls zugibt, dass er erst kurzfristig von dem Programm erfahren hat. "Sonst hätte ich irgendwo Zivildienst gemacht, wahrscheinlich im sozialen Bereich." So aber engagiert er sich für den Verein, für den er ohnehin die Fußballschuhe schnürt. "Da bin ich aber relativ eine Ausnahme", glaubt Hoffer, der während des FSJ sogar noch seinen C-Trainerschein machen kann. Für die U 10, 11 und 12 ist er Torwart-Trainer. Wenn er nicht für die vereinseigene Schanzer-Fußball-Schule arbeitet, hilft er in der Verwaltung.

An das Sport-FSJ ist er über FC-Jugendkoordinator Ronny Becht gekommen. Das aber relativ spät im Mai 2009 nach dem Abitur am Apian-Gymnasium. "Ich würde es auf alle Fälle wieder machen, keine Frage", sagt Hoffer. Wenn er aber seinen Freunden davon berichtet, "dann sind die jedes Mal erstaunt, dass so was auch geht", sagt der 20-Jährige. "Da höre ich immer wieder: Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich es auch gemacht." Sein Kollege Daniel Harnest hört ebenfalls solche Töne aus dem Umfeld. Aber ein Bedauern hat er für seine Freunde nicht übrig. "Da waren viele auch zu faul, sich zu informieren."

Allerdings entscheiden sich immer mehr in Bayern für das Sport-FSJ. Aktuell sind 329 junge Leute aktiv – rund 50 mehr als im Vorjahr. "Das ist der größte Sprung bisher und zudem der absolute Höchststand", sagt Stefan Giglberger. Der Bildungsreferent ist bei der Sportjugend in München als Teamleiter für das FSJ zuständig. Seit dem Start im Jahr 2002 steigen die Zahlen beständig. "Die Mundpropaganda der Vereine ist ein großes Zugpferd."

Giglberger ist sich aber bewusst, dass das Programm auch nach fast einem Jahrzehnt relativ unbekannt ist. "Das FSJ allgemein ist noch nicht komplett in der Gesellschaft angekommen. Dabei gibt es das seit über 50 Jahren." Für das nächste Dienstjahr ab September rechnet er mit rund 330 Plätzen. "Es gibt ein Kontingent, weil wir in der Sportjugend bei der Betreuung personell an die Grenzen stoßen. Wir haben schon aufgestockt." Die Bewerbungsfrist für FSJ-Interessenten läuft.