Roth
Zivildienst ade, hallo BFD

14.06.2011 | Stand 03.12.2020, 2:44 Uhr

Stabwechsel in der Kreisklinik Roth: Der letzte Zivi Martin Ruder (rechts) verlässt das Haus, der erste Bundesfreiwillige Philipp Blos tritt hier seinen Dienst am 1. Juli an - Foto: Leykamm

Roth (HK) Zum Goldenen Jubiläum das Ende: 50 Jahre, nachdem die ersten jungen Männer den Zivildienst in Deutschland angetreten haben, gibt es ihn nicht mehr. Zum Stichtag 1. Juli verschwindet die Gattung „Zivi“ bundesweit von der Bildfläche. Dann hat auch Martin Ruder endgültig Dienstende.

Martin Ruder ist der letzte seiner Art in der Rother Kreisklinik. Doch sein Posten verwaist nicht: Die Lücke füllt der erste Bundesfreiwillige der Einrichtung. „Der Übergang geschieht nahtlos“, ist dort die stellvertretende Leiterin der Personalabteilung Erika Kauschka erleichtert.

So ein glückliches Händchen wie sie hat man nicht überall im Bundesgebiet: Vielmehr werden geradezu händeringend Menschen jeden arbeitsfähigen Alters und beiderlei Geschlechts gesucht, die sich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) engagieren wollen und so die Lücke füllen, die der bis auf weiteres ausgesetzte Zivildienst hinterlässt. Eine große Lücke, obwohl der BFD einer ungleich größeren Personengruppe offen steht. Aber die rund 2,5 Millionen Zivis der vergangenen fünf Jahrzehnte waren zu ihrem Dienst eben verpflichtet – nun ist Freiwilligkeit Trumpf. Oder eben auch nicht.

Mit ihren Zivildienstleistenden hat Kauschka indes fast ausnahmslos gute Erfahrungen gemacht. „Unmotivierte hatten wir hier selten“, sagt sie. Ganz im Gegenteil: Die guten Kontakte zur Klinik haben sich laut der Personalfachkauffrau oft weit über die Pflichtzeit hinaus erhalten. Ein Ex-Zivi studiere jetzt Medizin, arbeite des Öfteren in den Semesterferien im Rother Krankenhaus „und kommt hoffentlich eines Tages als Arzt zurück“, so Kauschka.

In Spitzenzeiten leisteten hier bis zu zehn Zivis parallel ihren Dienst ab. Diese Zeiten sind erst einmal vorbei. Martin Ruders Platz bleibt zwar nicht unbesetzt. Doch ansonsten seien die Anfragen in Sachen BFD „noch zögerlich“. Laut Kauschka hat dies vor allem zwei Gründe: Insbesondere Frauen und Senioren wüssten über das Angebot noch zu wenig Bescheid – der Zivildienst zuvor habe ja nur junge Männer angesprochen. Seitens der Arbeitgeber wiederum müsse man lernen umzudenken. Nun bekäme man die Zivis nicht mehr als Bewerber auf dem Silbertablett serviert, sondern müsse eben aktiv um Freiwillige werben.

Deren Einsatz wird den Arbeitgebern auch finanziell versüßt: 350 Millionen Euro liegen in Berlin an Zuschüssen bereit. Dort hofft man, dass der BFD zur Wiederholungstat animiert: Alle fünf Jahre kann man ihn ableisten. In der Kreisklinik ist man für eine steigende Nachfrage gerüstet. An der Platzbörse im Internet hat Kauschka das Krankenhaus bereits registriert, mit insgesamt zehn Plätzen. Oberste Priorität habe zwar die Pflege, doch ließen sich Bundesfreiwillige auch beispielsweise in den Bereichen Technik oder EDV einsetzen. „Eine gute Möglichkeit für ältere Menschen, sich in die Gesellschaft einzubringen“, meint Kauschka. Bei jüngeren Aspiranten hofft sie auf einen ähnlich positiven Effekt wie zuvor im Zivildienst. Den hätten nämlich viele zur beruflichen Orientierung genutzt.

Wie auch Martin Ruder. Der heute 19 Jahre alte Rother war in seiner Berufswahl nach der Schulzeit unentschlossen. Als Zivi in der Kreisklinik „wurde mein Wunsch zu einer Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger geweckt“, blickt er auf seine neunmonatige Dienstzeit zurück. Er hat sogar eigens sein halbes Pflichtjahr freiwillig verlängert – womit er allerdings auch nicht alleine steht. Viele Zivis verlängerten freiwillig und kamen so ihrem Arbeitgeber entgegen. Denn die sechsmonatige Dienstzeit eines Zivis stellte die Einrichtungen immer wieder vor logistische Probleme. „Das war schon kompliziert“, sagt Kauschka.

Dennoch: Auch Bundesfreiwillige können ihren Dienst ein halbes Jahr ausüben. Die Regel sei aber ein ganzes Jahr, maximal sind 24 Monate möglich. Auch ein kurzfristiger Ausstieg ist möglich. Etwa wenn der heiß ersehnte Studiumplatz plötzlich und zeitnah Wirklichkeit wird.

Überhaupt eigne sich der BFD gut als Vorbereitung auf Leben und Beruf. „Es gibt viele Möglichkeiten, man muss sie nur nutzen“, so Kauschka. Fachliche Seminare oder auch solche zur politischen Bildung können im Rahmen des BFD etwa kostenfrei belegt werden. Für Auszubildende und Studenten bestünde überdies die Option, sich die Freiwilligenzeit unter gewissen Umständen als Praktikum anrechnen lassen.

Von derartigen Vorteilen ist auch Philipp Blos aus Kleinschwarzenlohe überzeugt. Er ist der erste Bundesfreiwillige in der Kreisklinik. „Ich halte ihn für eine gute Sache“, sagt der 19-Jährige, der wie Ruder seine Erfahrungen im Pflegedienst bei der Entscheidung über die eigene Berufswahl einfließen lassen will. Wie sein Vorgänger ist auch Blos in der geriatrischen Rehabilitation eingesetzt, erhofft sich aber auch Einblicke in andere Berufsfelder. In der Kreisklinik lässt sich im Rahmen des BFD in in einige von ihnen hineinschnuppern. Generell sind die Einsatzmöglichkeiten äußerst mannigfaltig.