Allersberg
Zeugnisse barocker Blüte

Heimatpflegerin Annett Haberlah-Pohl nimmt sich Allersbergs "starker Zeit" im 18. Jahrhundert an

29.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:37 Uhr

Das Haus in der Vorstadt 2.

Allersberg (tuf) "Eine starke Zeit für Allersberg" nannte Bürgermeister Bernhard Böckeler die Periode des erfolgreichen Allersberger Drahtzugs. Einher mit dem wirtschaftlichen Erblühen des Ortes ging auch die Gestaltung des Ortskerns durch bis heute eindrucksvolle barocke Bauwerke. Bei einem Vortragsabend in der Allersberger Bücherei im Alten Bahnhof führte Heimatpflegerin Annett Haberlah-Pohl die interessierten Zuhörer "auf den Spuren des barocken Allersbergs".

Zeugnisse des Barock sind in Allersberg vornehmlich im Ortsbild anzutreffen, aber auch außerhalb wie Schloss Appelhof. Darüber hinaus kann man in Allersberg mehrere Bürgerhäuser finden, die aus der Zeit des Barock stammen und teilweise auch das Jahr ihrer Entstehung sichtbar tragen, wie das Haus Vorstadt 2.

"Die starke Zeit Allersbergs", in der diese Bauwerke entstehen konnten, war möglich und begünstigt worden durch die damaligen politischen Verhältnisse nach dem Dreißigjährigen Krieg, von dessen Auswirkungen sich Allersberg im Vergleich zu vielen anderen Orten hatte relativ rasch erholen können. Der Ort gehörte zur Pfalz Neuburg, lag am nördlichen Rand dieser Gebietskörperschaft und blieb von den Regierenden relativ unbehelligt.

Als die Einfuhr von französischen Waren verboten wurde, entstanden landauf, landab zahlreiche Manufakturen, um jene Waren herzustellen, die vorher aus Frankreich gekommen waren. Der fein gezogene Draht war eines dieser Produkte. Allersberg hatte dafür einen Standortvorteil, lag es doch nicht nur an wichtigen Handelsstraßen, sondern auch nur eine Tagesreise von der bedeutenden Stadt Nürnberg entfernt. Gewerbe musste sich zudem weder den Anordnungen des Nürnberger Rates noch der Zunftaufsicht unterwerfen.

Als erster versuchte sich der Gastwirt Georg Heckel als Drahtzugsfabrikant. Richtig erfolgreich wurde diese Industrie in Allersberg aber durch Jakob Gilardi, der aus einem flämisch-lombardischen Handelshaus stammte, weitläufige Beziehungen hatte und auch vor unlauteren Methoden wie Markenpiraterie nicht zurückschreckte. Dies führte dazu, dass diese Allersberger Waren in Nürnberg nicht verkauft werden durften und Allersberger Produkte vom Nürnberger Handel gänzlich ausgeschlossen wurden. Trotzdem gelang es Gilardi mit seinen weitreichenden Beziehungen, die Allersberger Drähte bis nach Russland, England, Spanien und Portugal zu vertreiben.

Rückblickend kann man ohne Übertreibung davon sprechen, dass es sich um die wirtschaftliche Blütezeit Allersbergs gehandelt hat. So hatten Mitte des 18. Jahrhunderts mehrere hundert Menschen in der Drahtzieherei - einschließlich der Heimarbeiter - eine Beschäftigung. Der Ort wuchs, so dass innerhalb weniger Jahren zahlreiche Häuser gebaut werden mussten, die "Drahtzieherhäuser" entstanden.

Die bedeutendsten Bauzeugen dieser Zeit sind zweifellos am Marktplatz wie das Gilardihaus als ein "Symbol der herausgehobenen herrschaftlichen Stellung" sowie die neue Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Aber auch Amtshaus (heute Rathaus) und Wolfgangskapelle, wurden gebaut, das aus dem 14. Jahrhundert stammende Spital erhielt sein barockes Gesicht. Vom Wohlstand der Familie Gilardi zeugt das Schloss Appelhof, ein "Lusthaus", das nicht zum Wohnen gedacht war, sondern als Treffpunkt für Vergnügungen und Feste. Es wurde viel gefeiert und ein Ergebnis dieser Festivitäten war bei vielen Teilnehmern eine Zunahme in der Körperfülle, was als ein optisches Zeichen des Wohlstandes verstanden wurde. Aber umgekehrt empfand man "schlank und dünn" als den Zustand und das Kennzeichen von Armut.

Das barocke Denken und Fühlen hatte auch seine Auswirkung auf Musik und Literatur. Eine kleine Vorstellung von dem, wie sich "barockes Feeling" in der Literatur auswirkte, konnte man von dem Gedicht gewinnen, das Cordula Dossler vorlas. Heute ist diese Verkünstelung der Sprache nur schwer nachvollziehbar.

Hatten die politischen Verhältnisse wesentlichen Einfluss gehabt auf das Erblühen Allersbergs, so waren es in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts wieder politische Einflüsse, die sich negativ auswirkten. Es gab ein Exportverbot von Tiroler Kupfer, kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und den europäischen Rivalen belasteten überall Mensch, Gewerbe und Handel. Dazu kam, dass die Nachfrage nach den feinen Drähten drastisch nachließ.

Bereits anfangs des 19. Jahrhundert schwand das Verständnis für die barocke Lebensweise und Einstellung. Vielfach wurden die Personen mit dem barocken Lebensgefühls als "Gecken", also als "lächerliche Angeber" tituliert. Die konkreten Anforderungen des Alltags und das Wohlergehen aller rückten in den Mittelpunkt. Aus dem "Lustschloss Appelhof" wurde landwirtschaftliches Bauerngut.

In Allersberg war man sich lange dieser barocken Vergangenheit wenig bewusst gewesen, was dazu führte, dass in den Publikationen des Marktes vielfach sogar der Begriff "Barock" fehlte. Auch wenn dieses barocke Lebensgefühl, die barocke Lebensweise lange zurückliegen, sind sie doch Teil der Allersberger Geschichte, die man bei einem aufmerksamen Gang durch die Marktgemeinde an vielen Stellen finden kann. Mehrere Gebäude auf dem Marktplatz sind gebliebene Zeugen aus dieser Zeit. Und an der Autobahn heißt es auf den Hinweisschildern schlicht und einfach: "Barockes Allersberg".