Ingolstadt
Zeugen längst vergangener Zeiten

Wie die Sanierung zweier historischer Bürgerhäuser in Ingolstadt auch zur Stadtgeschichtsschreibung beitrug

30.04.2013 | Stand 03.12.2020, 0:12 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Manche Frage stellt sich einfach grundsätzlich nicht. Wie die nach dem möglichen Verkauf ihres Elternhauses, als die Ingolstädterin Maria Hafensteiner sich um 1999 mit dringenden Sanierungsarbeiten in dem historischen Gebäude in der Theresienstraße 11 konfrontiert sah. Es würde einiges kosten, das war abzusehen. Und es wurde teuer, weit teurer als ursprünglich vermutet. Aber dass sie die Immobilie deshalb abgestoßen hätte, anstatt zu investieren, stand für die heute 62-Jährige nie zur Debatte.

Die spätbarocken, nachträglich aufgesetzten Schweifgiebel beider Häuser aus dem Ende des 18. Jahrhunderts täuschen über deren wahres Alter hinweg. So staunten alle Beteiligten während der Sanierung vor zwölf Jahren nicht schlecht, als dendrochronologische Untersuchungen belegten, dass das Holz für das Dach von Nummer 9 im Winter 1399 geschlagen und die Nummer 11 um 1474 errichtet worden war, also beide aus dem Spätmittelalter stammen. Sie gehören damit zu den ältesten noch erhaltenen Wohnhäusern Ingolstadts.

Maria Hafensteiner ist in der Liebl-Klinik am anderen Ende der Straße geboren. In der Hausnummer 11 hat sie bis 1974 gewohnt. „Es ist lange ein Handwerkerhaus gewesen“, erzählt sie. „Da hat es eine Hutmacherin, einen Tuchmacher und zuletzt – mit meinem Vater – einen Maler gegeben.“ An die Frau mit den Hüten, die ihre Räume im Erdgeschoss hatte, erinnert sich die Ingolstädterin noch sehr genau. Als Ende der 1990er Jahre der Notar im 1. Stock mit seinem Büro auszog, stand eine Renovierung an. „Nebenan, wo in meiner Jugend noch ein Plattenladen war, ist auch alles leer gestanden.“ Malern und alles ein wenig herrichten, lautete der Plan. Doch es kam anders, nicht zuletzt weil das Landesamt für Denkmalpflege auftauchte und die Gebäude in Augenschein nahm. „500 000 Mark sollte die Renovierung ursprünglich kosten, da hab’ ich eingewilligt.“ Obwohl es am Ende ein siebenstelliger Betrag wurde, und das auch noch in Euro, hat Maria Hafensteiner das Projekt gestemmt; manchmal zwar mit Existenzsorgen, aber irgendwie ging es dann doch, mit Zuschüssen von Regierung, Landesamt, Deutscher Stiftung Denkmalschutz, Stadt und Staat. Die genaue Summe aller Ausgaben möchte sie lieber nicht in der Zeitung lesen.

Weitaus offener hatte sich die Eigentümerin gezeigt, wenn es darum ging, die Ingolstädter über den Fortschritt und das Ergebnis der Arbeiten zu informieren. Zum Tag des offenen Denkmals machte sie die Türen auf und trug damit den Gedanken des Denkmalschutzes weiter. Vielleicht war das Projekt für die Besitzer anderer alter Häuser die Initialzündung, ebenfalls etwas zu tun. Denn seither ist in Sachen Denkmalpflege viel geschehen in der Altstadt. Die Sanierung hatte von 2001 bis 2003 gedauert. „Ohne die Hilfe von Hauptkonservator Paul Unterkircher vom Landesamt hätten wir das nie so geschafft“, sagt Gabriela Göbel. Sie machte damals die Baubetreuung und ist bis heute die Hausverwalterin. Mieter und Gewerbetreibende haben die alten Mauern längst mit neuem Leben erfüllt. „Und es hat ein Café rein müssen, das war immer mein Traum“, sagt Maria Hafensteiner. Sie hat ihn sich erfüllt, auch wenn der Betreiber ein anderer ist.

Die Sanierung hat nicht zuletzt dazu beigetragen, geschriebene Stadtgeschichte zu ergänzen. Beide Häuser gaben, obwohl über die Jahrhunderte mehrfach umgebaut, neue Einblicke in spätmittelalterliche Wohnkultur und die Zeit danach. Archäologische Funde im nicht unterkellerten Bereich werfen ein Schlaglicht auf das Ingolstadt um das Jahr 1000. Sie sind offen zugänglich in einem Ausstellungsraum im Mittelgang der Häuser zu sehen.