Nürnberg - Markus Baumann aus Weikersheim im Taubertal hat einen uralten Unimog in einer fränkischen Scheune entdeckt, der vor 65 Jahren zum erfolgreichen Start des Nürnberger Flughafens an vorderster Front beigetragen hat.
Nach dem langen Nichtstun in der verstaubten Scheune soll jetzt das Happy End beim TÜV folgen.
In Scheunen geschehen immer noch Wunder. Markus Baumann ist fast die Spucke weggeblieben, als er in zwischen Holzstapeln und Sägespänen auf einem fränkischen Bauernhof einen Zeitzeugen auf vier Rädern entdeckt hat. "Dieser Unimog ist 1955 an den Nürnberger Flughafen ausgeliefert worden und hat dort fliegende Legenden wie die berühmte Douglas DC-4 am Haken über das Rollfeld gezogen", schwärmt der 30-Jährige über seinen Fund.
Elvis singt in der Zeit gerade "It's allright Mama", als Daimler Benz den blauen Unimog pünktlich zur Eröffnung des deutschlandweit ersten nach dem Krieg erbauten Verkehrsflughafens ausliefert. "Damals ist der Unimog noch mit dem Besatzungskennzeichen der Amerikaner gefahren", berichtet der stolze Entdecker und zeigt auf das alte Foto mit dem Nummernschild, auf dem noch nicht das "N" für Nürnberg sondern das "B" für Bayern prangt. "Von den Unimogs in blauer Wagenfarbe sind nur 50 Exemplare hergestellt worden", erzählt der begeisterte Schatzsucher, der sein Glück noch immer kaum fassen kann.
Rückblende ins letzte Frühjahr in einem kleinen Ort bei Emskirchen im Landkreis Neustadt an der Aisch. 83 Einwohner, ein Gasthof. Und eine Holzscheune. Darin in der hintersten Ecke der blaue Unimog aus der Premierenzeit des Nürnberger Flughafens, die gar nicht so einfach begonnen hat. Zuerst hatten die Fluggesellschaften gezögert, den fränkischen Neuling unter den deutschen Flughäfen ins Streckennetz aufzunehmen. Erst als die Lufthansa im Oktober 1956 die Luftlinie Frankfurt-Nürnberg-Düsseldorf in den Flugplan einführte, sind schnell andere Airlines wie die niederländische KLM dem Beispiel gefolgt. Mit dem wachsenden Flugbetrieb hat auch der blaue Unimog mehr zu tun bekommen. "Er hat nicht nur Flugzeuge geschleppt, sondern auch im Winter den Schnee vom Rollfeld gekehrt und im Sommer den Asphalt für Starts und Landungen vom Staub befreit", sagt Markus Baumann und verweist auf die Zapfwellen seines blauen "Universal-Motor-Geräts" mit der glanzvollen Vergangenheit.
Der erste Eindruck in dem fränkischen Holzschuppen sei allerdings alles andere als glorreich gewesen. "Den Unimog hatten die Besitzer vor 15 Jahren eingemottet, weil die Bremsen nicht mehr funktioniert haben. " Im Dauer-Ruhestand sei das blaue Prachtexemplar von einem allradgetriebenem Geräteträger langsam aber sicher unter einer daumendicken Staubschicht verschwunden. Zuvor hatte der Unimog der fränkischen Bauernfamilie über Generationen als Lastesel bei der Waldarbeit gute Dienste geleistet. "Der ist immer direkt von der Scheune in den Wald zum Holzmachen gefahren worden. " Weil er 35 Jahre nur abseits der öffentlichen Straßen unterwegs gewesen sei, habe die Familie den Alleskönner nicht zulassen müssen. "Deshalb sind irgendwann auch die Fahrzeugpapiere verschwunden. "
Davon hat sich Markus Baumann genauso wenig beirren lassen, wie von Problemen mit dem Anlasser, den defekten Bremsen oder dem unvermeidlichen Rost - und den Unimog vom Fleck weg gekauft. "Weil der Unimog nicht angesprungen ist, haben wir ihn mit einem Traktor von der freundlichen Bauernfamilie aus der Scheune gezogen und auf unseren Anhänger bugsiert", erzählt der 30-Jährige, der seinen fast genauso motor-verrückten Vater Gerhard in weiser Voraussicht mitgenommen hatte.
Seitdem sind fast ein Jahr und unzählige Arbeitsstunden in der heimischen Garage in Weikersheim vergangen. "In der nächsten Woche will ich zum TÜV fahren", kündigt Baumann an und gibt sich zuversichtlich, dass sein blaues Schlachtross die Plakette bekommt. Inzwischen laufe die Maschine auch wieder wie geschmiert. "Den Motor habe ich relativ schnell wieder hinbekommen. Da ist fast nichts kaputt gewesen", freut sich der passionierte Schrauber, der im Normalberuf als Mechatroniker bei einem ortsansässigen Industrieunternehmen arbeitet. "Ansonsten will ich den Unimog aber möglichst im Originalzustand belassen", verspricht Baumann, der vor acht Monaten zum ersten Mal stolzer Papa geworden ist. Die Patina an dem blauen Lastesel mit Stern gefalle ihm mindestens genauso gut wie die spannende Lebensgeschichte des rollenden Zeitzeugen. Bei seinen Recherchen hat der wissbegierige Bastler sogar den originalen Lieferschein kurz vor der Flughafen-Eröffnung im Frühjahr 1955 mit Hilfe des Unimog-Museums in Gaggenau wieder auftreiben können.
Inzwischen sei der blaue Unimog daheim im Taubertal bereits zum Hingucker geworden. "Die Leute bleiben stehen und freuen sich, wenn sie ihn sehen. " Nach der hoffentlich bestandenen TÜV-Prüfung macht sich Baumann sicher mal auf den Weg nach Nürnberg zum Flughafen, damit der Unimog seinen alten Arbeitsplatz besuchen kann.
Beim Dürer-Airport hätte man wohl nichts gegen diesen Besuch. "Dass ein solcher Klassiker aus den Anfangsjahren des Airport Nürnberg bald wieder auf unseren Straßen unterwegs ist, freut uns sehr", sagt Pressesprecher Jan Beinßen . Der rollende Zeitzeuge stehe für die rasante Entwicklung der Fahrzeugflotte. Heute umfasst der Fuhrpark am Flughafen über 400 Fahrzeuge. Im Anfangsjahr 1955 seien es nur zwei Dutzend gewesen, inklusive Feuerwehr.
HK
Nikolas Pelke
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