Neuburg
Zeitreise mit Ariel Zuckermann

Das Ensemble del Arte gibt voller Spielfreude zum 25-jährigen Bestehen ein Jubiläumskonzert

25.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:37 Uhr
  −Foto: Schulze-Reimpell/ privat

Neuburg (DK) Ein bisschen ist es so wie in alten Zeiten, wenn man das Jubiläumskonzert des Ensemble del Arte im Neuburger Kongregationssaal besucht.

Man glaubt, das Georgische Kammerorchester (GKO) vor sich zu haben - aber so wie es vor vielen Jahren auftrat.

Vorne etwa sieht man als Konzertmeister Irakli Tsadaia. Gegenüber sitzt sein Vater David, am Kontrabass steht Konstantin Vardeli, bei den ersten Geigen spielt Samson Gonashvili und bei den zweiten Victor Konjaev. Von den in den vergangenen Jahren neu eingestellten Musikern des GKO ist dagegen kaum jemand anwesend. Auf dem Dirigentenpult schwingt Ariel Zuckermann mit weiten Bewegungen seine Arme: Ein Konzerterlebnis als Zeitreise. Denn keiner dieser Musiker wirkt heute noch im GKO.

Allerdings: Wie ein Rentnerklub klingt das Neuburger Orchester, das sich immer schon hauptsächlich aus Musikern des Georgischen Kammerorchesters zusammensetzte, überhaupt nicht. Ariel Zuckermann leitet den Klangkörper wie man ihn kennt: vor allem mit unbändiger Spielfreude, die sich direkt auf das Publikum überträgt.

Auf dem Programm stehen Werke, die Zuckermann und dem Orchester liegen. Die "Zwei elegischen Melodien" von Edward Grieg dirigiert er in großzügiger Phrasierung, es ist eine Freude zu hören, wie unfassbar leise er manchen musikalischen Gedanken beginnen lässt und wie das kleine Orchester dann in die Saiten steigt, die Melodie bis zum Bersten anschwellen lässt. Und das d-Moll-Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy, ein bereits genialisches Werk des 13-jährigen Komponisten, das heute leider viel zu selten gespielt wird, klingt bei Zuckermann lustvoll dramatisch. Man staunt über die Energie, über die Freude am puren Tempo, die er bei ersten großen Orchestereinsatz im Schlusssatz entfaltet. Man ist verblüfft über die Souveränität, mit der Zuckermann der Sologeigerin Rosanne Philippens Raum zur Entfaltung gewährt. Und: Wie fast immer bei Ariel Zuckermann ist auch hier die Solisten-Auswahl großartig, Philippens verfügt nicht nur über eine sehr gute Technik, sie ist vor allem temperamentvoll, hochmusikalisch, feurig. Benjamin Brittens "Variations on a Theme of Frank Bridge" ist ohnehin unter Ariel Zuckermanns Händen ein Hochgenuss, weil er mit Ironie und Hingabe sich in die stilistische Verwandlungs-Mimikry des Engländers hineinsteigert.

Kein Zweifel: Wer das Ensemble del Arte heute hört, der spürt etwas vom Flair des Georgischen Kammerorchesters, das es vor Jahren noch verströmte. Das sich heute allerdings ein wenig verflüchtigt hat.

Das Konzert am Wochenende in Neuburg hat einen besonderen Anlass: Im Herbst vor 25 Jahren wurde das Ensemble del Arte von Anne Friemel und dem damaligen Cellisten des GKO, David Tsadaia, gegründet. Mit großer Kontinuität veranstaltet der hinter dem Orchester stehende Verein seitdem Konzerte - zunächst unregelmäßig und ohne festen Dirigenten und inzwischen seit zwölf Jahren in Zusammenarbeit mit Ariel Zuckermann. Vier Konzerte umfasst der Abo-Zyklus jedes Jahr. Gerade der Israeli lud zahlreiche bedeutende Solisten zur Zusammenarbeit mit dem Orchester ein - etwa Avi Avital, Benjamin Schmid, Gidon Kremer oder László Fenyö. Zuvor bereits, bei den Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen des Orchesters, war die georgische Geigerin Lisa Batiashvili zusammen mit François Leleux aufgetreten. Unmittelbar nach dem Konzert gaben die beiden ihre Verlobung bekannt und äußerten den Wunsch, in Neuburg zu heiraten. Die standesamtliche Trauung wurde dann von Oberbürgermeister Bernhard Gmehling vollzogen.

Als das Ensemble del Arte 15 Jahre alt wurde, war die Kartennachfrage inzwischen so groß geworden, der Kongregationssaal praktisch immer ausverkauft, dass weitere Konzertreihen eingerichtet wurden: Sonntagsmatineen, Soireen, die besonders Familien einen gemeinsamen Besuch eines Konzerts ermöglichen. 2010 wurde das Orchester mit dem Kulturpreis der Stadt Neuburg ausgezeichnet.

Die Laufbahn des Ensemble del Arte ist eine Erfolgsgeschichte - auch wenn das in Ingolstadt nicht immer so gerne wahrgenommen wurde. Bereits bei der Gründung gab es heftigen Krach. Die große Geigerin und damalige Orchesterleiterin Liana Issakadze war nicht richtig informiert worden und quittierte verärgert ihren Job beim GKO. Für die Musiker allerdings war die Orchestergründung auch ein Befreiungsschlag: Sie wollten unabhängig und frei Konzerte gestalten, und dieses neue Ensemble gab ihnen die Möglichkeit dazu, erzählte David Tsadaia vor Jahren unserer Zeitung. Die Geschäftsführer des GKO dagegen blickten zuweilen etwas besorgt nach Neuburg, weil sie fürchteten, dass die Musiker ihren Hauptjob in Ingolstadt vernachlässigen könnten.

Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass das GKO in Ingolstadt sich ein wenig vom Ensemble del Arte inspirieren lässt: von der Unabhängigkeit der Musiker, vom alten Geist des Georgischen Kammerorchesters und von der unbändigen Spiellust, die sich dort konserviert hat.
 

Jesko Schulze-Reimpell