Allersberg
Zeitreise ins barocke Allersberg

Mit Lehrer Albert Adamsberger und Fabrikbesitzer Jacob Gilardi geht es durch die Nacht

01.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:32 Uhr
Drahtzug-Fabrikant Jacob Gilardi alias Dieter Chrocziel führt die Neugierigen durch das nächtliche Allersberg und öffnet die Tore seines Hauses. Im Hintergrund ist der Torturm zu sehen, von dem der Lehrer Albert Adamsberger zuvor seinen Schützlingen erzählt hat. −Foto: Unterburger

Allersberg (HK) Zwei historischen Persönlichkeiten, die Allersbergs Geschichte prägten, haben einen amüsanten und Interessanten Spaziergang durch die Nacht geführt.

"Albert Adamsberger" steht in deutscher Schrift an der Tafel. Ein streng dreinblickender Schulmeister mit weißer Perücke, schwarzem Kittel und altertümlicher Tasche betritt das "Schulzimmer" im Verkehrsamt. "Holt euren Tornister mit der Tafel heraus!", befiehlt er den 18 Schülern. Er legt die Stirn in Falten, als niemand reagiert. "Ihr habt nichts dabei? Dann machen wir eine Heimatkunde-Stunde draußen im nächtlichen Allersberg. Wir stellen uns in Zweierreihen auf und versammeln uns alle vor dem Brunnen. Aber ohne Gedrängel und Getuschel - ich erwarte Disziplin!"

Gelungener Auftakt eines historischen Rundgangs der besonderen Art, kredenzt vom Verkehrsamt des Marktes: Mit Lehrer Albert Adamsberger (Petra Schmidt-Lerzer) und Jacob Gilardi (Dieter Chrocziel) taucht man ins 18. Jahrhundert ein. Auf witzige und unterhaltsame Weise führt Lehrer Adamsberger seine Schäfchen durch Allersberg und füttert sie mit wissenswerten Daten über die Ortsgeschichte und Sehenswürdigkeiten.

Zwischendurch kommt er immer wieder auf Redensarten zu sprechen, die sich bis heute erhalten haben. "Dieser Platz hier am Brunnen des Hinteren Marktes war früher der eigentliche Marktplatz von Allersberg", erfahren die aufmerksam lauschenden Schüler, "da war tagsüber ein geschäftiges Treiben." Später habe sich der Markt zum heutigen Marktplatz verlagert.

In der Heimatkunde-Stunde lernen die Teilnehmer, dass durch Allersberg die früher so wichtige Salzstraße nach Nürnberg geführt hat. "Allersberg war eine Tagesreise von Nürnberg entfernt", berichtet Lehrer Adamsberger, "deshalb kamen sehr viele Gäste nach Allersberg." Und wenn Gäste kamen, brachten sie auch gehörigen Durst mit. Deshalb gab es früher gleich zwölf Brauereien in Allersberg. "Die Honoratioren trafen sich in der ältesten Gaststätte des Ortes, dem Gasthaus zur Sonne, das es heute noch gibt", erzählt der Schulmeister. "Einmal im Jahr, am Faschingsmontag, zogen die Honoratioren von Brauerei zu Brauerei und prüften die Qualität des Bieres, darüber wurde sorgfältig Protokoll geführt - hicks!"

Erste Station ist ein Besuch der Allerheiligenkirche, einer früheren Wehrkirche aus dem 12./13. Jahrhundert. Drinnen macht der Lehrer auf drei Kunstwerke aufmerksam, die noch aus der Zeit stammen, als die Wolfsteiner die Herren von Allersberg waren: eine spätgotische Pieta (um 1420), eine Madonna (um 1460) und ein heiliger Sebastian (um 1470). Erstaunt erkennen Adamsbergers Schützlinge, dass in der kleinen Orgel, die aus der Kirche von Altenfelden stammt, eine Rechenübung versteckt ist. Wer das Rätsel lösen kann, findet heraus, dass die Orgel 1731 erbaut worden ist.

Wieder draußen in der Dunkelheit erzählt Adamsberger die Geschichte des Torturms. Allersberg erhielt 1323 das Recht, sich durch eine Stadtmauer zu schützen. "Doch die Wolfsteiner verzichteten auf Mauern, deshalb wurde Allersberg nie eine Stadt, sondern blieb ein Markt", erklärt der Lehrer. "Wegen der vielen Weiher in und um Allersberg war eine Stadtmauer überflüssig." Lediglich zwei Tortürme wurden erbaut, von denen heute noch einer, der untere Turm, erhalten ist. "Der Türmer war nicht bloß Lehrer, sondern auch Hochzeitslader, Leichenbitter, Mesner und Nachtwächter." Nun ja, mit den Nachtwächtern klappte es nicht so recht. So mussten innerhalb von 15 Jahren gleich neun Nachtwächter eingestellt werden, weil sie ihren Dienst zu nachlässig ausübten.

Im Torturm waren früher die öffentliche Waage und die Feuerlöschgeräte deponiert, auch als Obdachlosenheim und als Gefängnis, das von den Einheimischen "das Loch" genannt wurde, diente er. Im Torturm dürfen alle erst mal verschnaufen. "Nachtwächter Schorsch" hat eine kleine fränkische Brotzeit vorbereitet. Frisch gestärkt geht es auf den nächtlichen Marktplatz, wo Lehrer Adamsberger das Allersberger Wappen erklärt.

Und wer wartet schon vor dem Gilardihaus? Jacob Gilardi persönlich. Auch er lädt die muntere Schar ein zu einer Zeitreise ins 18. Jahrhundert. "Passt auf, die pferdelosen Kutschen gefährden uns!", ruft er und ist froh, als er alle im Foyer des Gilardihauses begrüßen kann. Dort öffnet er das schmiedeeiserne Tor, das den Weg freigibt zum ehemaligen Privatbereich der Drahtzugsbarone im ersten Stock.

"Die Gilardis haben hier auf einem roten Teppich ihre Gäste empfangen, die Gäste sollten durch die repräsentative Treppe und den Deckenstuck beeindruckt werden", erzählt Jacob Gilardi. "Gilardi hat die Stuckdecke im ehemaligen roten Salon, dem heutigen Trauzimmer, versilbern und vergolden lassen."

Weil alle so brav zugehört haben, verteilt Lehrer Adamsberger kleine Fleißbildchen und überreicht einen Blumenstrauß und ein Abschlusszeugnis an Gerlinde Grüner vom Verkehrsamt. Sie organisiert seit 13 Jahren die historischen Rundgänge in Allersberg, geht aber nächstes Jahr in den Ruhestand. Lehrer Adamsberger ist voll des Lobes über Gerlinde Grüner, die sich immer wieder etwas Neues habe einfallen lassen und durch ihre freundliche, kommunikative Art sehr beliebt sei. Die Führung klingt mit einem kleinen Büffet für alle aus.

Robert Unterburger