Zeichen der Hoffnung in dunkler Zeit

Am Wochenende kommt das "Friedenslicht aus Bethlehem" nach Bayern - Corona erschwert Verteilung

11.12.2020 | Stand 23.09.2023, 16:00 Uhr
Patrik Stäbler
Am dritten Adventswochenende leuchtet das „Friedenslicht aus Bethlehem“ auch in Bayern. Um die Verteilung kümmern sich Pfadfinder. −Foto: Peter Endig (dpa)

Eichstätt - Am dritten Advent wird Anna Kirschner aus Eichstätt einen Tisch vor ihrer Haustür aufstellen, darauf einige Flyer sowie eine Laterne mit einer Kerze im Innern.

Doch es ist nicht irgendein Licht, das da hinter Glas brennen wird - sondern das "Friedenslicht aus Bethlehem", entzündet in der Geburtsgrotte Jesu, von wo aus es alljährlich zu Weihnachten seinen Weg in mehr als 20 Länder findet, um am Heiligen Abend in zahllosen Kirchen, Amtsstuben und Abermillionen Wohnzimmern zu leuchten.

Wobei die meisten Menschen, die sich das Friedenslicht ab Montag und bis zum 20. Dezember vor der Haustüre von Anna Kirschner abholen werden, vermutlich nicht ahnen, was für ein immenser logistischer Aufwand hinter der unscheinbaren Kerzenflamme steckt - nachgerade in diesen Corona-Zeiten. "Eins ist klar: Wir wollen uns an alle Abstands- und Hygieneregeln halten", betont Andrea Söhnholz von der AG Friedenslicht der deutschen Pfadfinderverbände. Was wiederum bedeutet: Die Pfadfinderinnen und Pfadfinder müssen diesmal neue Wege beschreiten, Risikogebiete überwinden und sich mit Quarantänebestimmungen und Abstandsregeln arrangieren, damit sie die Flamme aus Bethlehem bis in die hintersten Winkel des Landes bringen können.

Das fängt ja schon mit dem Start an. Normalerweise wird die Kerze in der Geburtsgrotte Jesu von einem Kind aus Österreich entzündet - schließlich hat der dortige Rundfunk ORF diesen Weihnachtsbrauch 1986 ins Leben gerufen. In diesem Jahr aber hat ein Mädchen aus Jerusalem das Friedenslicht entflammt, ehe es per Flugzeug und in einem explosionssicheren Gefäß in die Alpenrepublik gebracht wurde. Dort findet an diesem Samstag in Salzburg der große Aussendegottesdienst statt. Er ist heuer zwar erstmals per Livestream im Internet zu sehen, vor Ort jedoch wird wegen der aktuellen Corona-Lage bloß im kleinen Kreis gefeiert - anders als in den Vorjahren. Da reisten Hunderte Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus halb Europa an, nahmen das Friedenslicht in Empfang und brachten es danach in ihre Heimatländer, um es dort zu verteilen.

Auch aus Deutschland nahm stets eine 150-köpfige Delegation am Aussendegottesdienst teil. Für sie ging's danach im Nachtzug nach München, wo das Friedenslicht am Hauptbahnhof feierlich empfangen und anschließend von den Stämmen der verschiedenen Pfadfinderverbände quer durch die Republik gebracht wurde. Diesmal jedoch laufe alles etwas anders ab, sagt Andrea Söhnholz von der AG Friedenslicht. So werden österreichische Pfadfinder das Licht an die Grenze bringen - wohin und wann genau, möchte sie nicht verraten. "Wir wollen ja wegen Corona bewusst keine Öffentlichkeit", sagt Söhnholz. Am Übergabeort werde das Friedenslicht dann unter den Augen des Bundesgrenzschutzes übergeben. "Beide Seiten werden sich erst mal freundlich zuwinken", sagt Andrea Söhnholz. "Dann kommt ein Österreicher nach vorne, stellt die brennende Laterne ab und geht wieder drei Schritte zurück. Danach geht einer von uns nach vorne und nimmt die Laterne. "

Was anschließend folgt, ist eine Verteilaktion, die einer logistischen Meisterleistung gleichkommt: Von der Grenze geht es zunächst über Rosenheim nach München, von wo aus sich mehrere Mini-Teams aus zumeist zwei Pfadfindern in verschiedene Himmelsrichtungen aufmachen - nach Stuttgart, Leipzig, Hannover und Kiel. Entlang dieser vier Hauptrouten wird das Friedenslicht an Autobahnraststätten, Parkplätzen und anderen Treffpunkten übergeben, sodass sich das Netz immer feiner verästelt, bis die jeweiligen Pfadfinderstämme mit ihren Laternen und Kerzen auch in Gerolfing, Neumarkt, Nassenfels und hunderten weiteren Orten im ganzen Land angelangt sind. Und natürlich in Eichstätt, wo vor dem Haus von Anna Kirschner heuer eine von zahllosen "Friedenslicht to go"-Stationen im Bistum aufgebaut wird - auch das ein Novum infolge der Pandemie.

Für den Diözesanverband Eichstätt der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg werde der Vorsitzende Maximilian Griesbeck das Friedenslicht am frühen Sonntagmorgen in Bayreuth abholen, sagt Anna Kirschner, die als Diözesanreferentin tätig ist. "Er bringt das Licht nach Eichstätt, von wo aus es dann von den verschiedenen Stämmen weiterverteilt wird. " In den Vorjahren habe es stets eine große Aussendefeier in der Schutzengelkirche gegeben, sagt Anna Kirschner. Doch auch sie muss heuer entfallen - wie so vieles in Zeiten von Corona.

Ob es angesichts all der Widrigkeiten und Herausforderungen nicht sinnvoller gewesen wäre, diesmal auf das Friedenslicht zu verzichten? Diese Frage verneint Andrea Söhnholz von der AG Friedenslicht nachdrücklich. "Wir haben nie daran gedacht, das ganze abzusagen. Denn wir waren immer überzeugt, dass wir das hinkriegen - auch ohne Kontakte. Wir werden nur das Licht und nicht Corona verbreiten. " Zudem, sagt Anna Kirschner aus Eichstätt, sei das Friedenslicht als Symbol wichtiger denn je. "Es ist ein Licht der Hoffnung in dieser dunklen und deprimierenden Zeit. " Schon im Vorfeld hätten sich deutlich mehr Menschen bei den Eichstätter Pfadfindern nach der Aktion erkundigt, berichtet Anna Kirschner. "Man hat gemerkt, dass das Friedenslicht als Symbol in diesem Jahr für mehr Leute extrem wichtig ist. "

DK

 

Patrik Stäbler